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Inhaltsangabe Politik Frühling 2000 - Pessach 5760

Editorial - Frühling 2000
    • Editorial

Pessach 5760
    • Unabhängigkeit und Spiritualität

Politik
    • Schmale Öffnung oder Geschlossene Tür ?

Interview
    • Frieden… Welchen Frieden?
    • Golan - Der Widerstand organisiert sich

Strategie
    • Israel – Syrien. Welches Risiko eingehen ?

Judäa – Samaria – Gaza
    • Tatsachen vor Ort

Kunst und Kultur
    • Jacob Kramer (1892-1962)
    • Judaica und Hebraica in der königlichen Bibliothek Dänemarks
    • Jüdische Kunst in Dänemark
    • Das Symphonieorchester von Jerusalem

Wissenschaft und Technologie
    • BATM Advanced Communications  
    • Israel im CERN
    • Geheimnisvolle Heilkraft

Reportage
    • Jerusalem und Kopenhagen
    • Juden in Dänemark
    • Dänische Fakten

Reisetagebuch 
    • Versiegte Quellen

Ethik und Judentum
    • Die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers

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Schmale Öffnung oder Geschlossene Tür ?

Von Emmanuel Halperin, unserem Korrespondenten in Jerusalem
Es wird jeden Tag schwieriger. Die Schwarzseher hatten es nach der Unterzeichnung der Osloer Abkommen vorhergesagt: die gefährlichsten Abmachungen, die schmerzlichsten Zugeständnisse würden am Schluss auf uns zukommen, in der letzten Verhandlungsphase mit den Palästinensern. Israel würde in der Zwischenzeit zahlreiche Gebiete abgetreten, auf wichtige Symbole seiner Souveränität verzichtet, die «Gesten seines guten Willens» (massive Befreiung von Terroristen, geschützte Übergänge zwischen Gaza und Judäa, internationaler Flughafen in Gaza) vervielfacht und alle Welt an die Idee gewöhnt haben, dass die Unabhängigkeit eines palästinensischen Staates völlig natürlich sei und daher kurz bevorstehe. Heute wird man sich bewusst, dass es kein Zurück mehr gibt und dass der Weg nicht nur Fallstricke aufweist, sondern immer enger wird.
Netanyahu hatte bereits recht erfolglos versucht, sich aus der Schlinge von Oslo zu befreien. Dies war sein Recht und seine Pflicht zugleich: zu diesem Zweck war er gewählt worden. Barak hingegen ist auf zweifache Weise durch die Abkommen gebunden, obwohl er damals grosse Vorbehalte in dieser Hinsicht angemeldet hatte. Die Zeit, die seither vergangen ist, hat eine unaufhaltsame Eigendynamik entwickelt, und heute präsentiert er sich der Welt als Erbe von Rabin und Peres und folglich auch ihrer Politik. Was soll er tun, wenn Arafat die Unabhängigkeit im September erklären möchte, wenn der Rahmenvertrag, in dem alles festgelegt werden soll, noch nicht einmal als Entwurf vorliegt, wenn das Problem des Status von Jerusalem immer noch unlösbar erscheint und wenn ausser bei einem 90-prozentigen Verzicht auf die Gebiete keine Einigung in Sicht ist ?
Ein wenig Phantasie reicht hier nicht aus, es bräuchte schon riesige Mengen davon, und die Regierung sprüht nicht gerade vor Einfallsreichtum. Barak glaubt demnach als Stratege, oder versucht sich als Politiker davon zu überzeugen, dass dieses unlösbare Problem am besten einfach umgangen wird. Er scheint zu sagen: frieren wir den Friedensprozess mit den Palästinensern einfach etwas ein, ohne ihn ganz abzubrechen, und rennen wir die Tür des Palastes in Damaskus ein, hinter der sich Hafez El-Assad verschanzt.
Wenn ein Friedensvertrag - oder auch etwas, was von fern daran erinnert - mit Syrien möglich ist, wird es uns bei der gleichen Gelegenheit auch gelingen, das heikle Problem der Sicherheitszone im Südlibanon zu lösen. Beirut wird sich Damaskus anschliessen, und so wird es uns, nachdem unsere Grenzen endgültig befriedet wurden und alle unsere unmittelbaren Nachbarn unsere Existenz anerkannt haben, leichter fallen, über die Zukunft von Judäa-Samaria zu verhandeln und eine friedliche Koexistenz zwischen Juden und Arabern westlich des Jordans zu gewährleisten.
Zum Leidwesen der Regierung Barak sind jedoch noch eine Reihe von Hindernissen zu überwinden. Erstens werden alle Verhandlungen durch den Gesundheitszustand Assads und die Unsicherheit um seine Nachfolge in Frage gestellt. Zweitens lehnen es die Syrer strikte ab, in einem Punkt nachzugeben, der ihnen selbstverständlich und jedem Israeli hingegen absurd erscheint: die Wiederherstellung des Grenzverlaufs vom 4. Juni 1967, vor dem Sechstagekrieg. Damaskus beruft sich auf den Präzedenzfall Ägypten und die Resolution 242 des Uno-Sicherheitsrates, die nach dem Krieg von 1967 verabschiedet wurde. Im Fall von Ägypten wurde jedoch die Grenzlinie aus der Zeit des britischen Mandats als neue internationale Grenze anerkannt. Aus genau diesem Grund beharrten die Ägypter so hartnäckig darauf, die wenigen hundert Meter Strand von Tabbah im Süden von Eilat zurückzuerlangen. Die Syrer hingegen wollen sich nicht auf die internationale Grenzlinie von 1923 beziehen, die zur Zeit der englischen und französischen Mandate festgelegt worden war, und bestehen auf den Positionen, die sie gewaltsam innerhalb des Territoriums erkämpft hatten, das Israel zustand. Dazu gehört insbesondere das Ostufer des Tiberiassees. «Die syrischen Soldaten werden ihre Füsse nicht im Wasser dieses Sees baden», erklärte Barak stolz, und Damaskus erwiderte trocken, ohne Zugang zu diesem Ufer werde es kein Abkommen geben. Es handelt sich nicht nur um ein Symbol: wenn die Grenze im Osten des Sees verläuft, bleibt dieses grosse Süsswasserreservoir ausschliesslich Israel vorbehalten. Andernfalls könnte auch Syrien Ansprüche auf das wertvolle Nass geltend machen.
Der Verweis auf die Resolution 242 ist hingegen äusserst merkwürdig: dieser Text fordert nämlich in keiner Weise die Rückkehr zu den Grenzlinien vom 4. Juni 1967. Er legt vielmehr das grundlegende Prinzip fest, dass es notwendig sei, «sichere und anerkannte Grenzen» zu bestimmen, was logischerweise bedeutet, dass die vor Ausbruch der Feindseligkeiten existierenden Grenzen weder sicher noch anerkannt waren und folglich geändert werden können.
Auf einen dritten Punkt scheinen die Syrer sich versteifen zu wollen: im Wachtposten auf dem Berg Hermon, von dem die israelische Armee sich zurückziehen muss, darf es keine israelischen Soldaten geben. Die Fachleute sind sich jedoch darüber einig, dass der Nachrichtendienst der Armee ohne die Daten, die dank diesem Wachtposten zur Verfügung stehen, kaum in Echtzeit wird darüber informieren können, was sich auf der anderen Seite der Grenze tut.
Und viertens widersetzt sich Damaskus hartnäckig jedem einseitigen Abzug Israels aus dem Südlibanon, wie dies Barak für Juli versprochen hat. Syrien besitzt einleuchtende Motive dafür, die es jedoch nicht eingestehen will. Sollte die israelische Armee abgezogen werden, verlöre Syrien einen Vorteil bei der Verhandlung, die Möglichkeit nämlich, Druck auf die öffentliche Meinung auszuüben, indem sie israelische Soldaten durch den Hezbollah umbringen lässt.
Ein weiteres Hindernis - ein internes diesmal - verdüstert Baraks politischen Himmel jedoch noch mehr. Es ist heute erwiesen, dass die Diskussion mit Damaskus sich um einige wenige Quadratkilometer dreht - Linie vom 4. Juni oder Grenzverlauf von 1923. Dabei wird vergessen, dass der Golan von Israel ganz legal und legitim annektiert wurde: dieses Hochplateau wurde immer wieder als Ausgangspunkt für Angriffe missbraucht und ausserdem haben sich im Verlauf der vergangenen 33 Jahre fast 20’000 Israelis mit dem Segen der verschiedenen Regierungen hier niedergelassen. Von einer Position, den Golan nicht abzutreten, ist man (als sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Aussicht auf einen eiskalten Frieden mit Damaskus abzeichnete) zur These der territorialen Aufteilung übergegangen; und dann stand ganz allmählich, nach zahlreichen vermittelnden Gesprächen, die vollständige Räumung bis zur internationalen Grenze zur Diskussion, mit Ausnahme der Warnstation auf dem Hermon, bis vor kurzem Israel die Grenzlinien vom 4. Juni als Grundlage einer Einigung akzeptierte; und nun muss man sich trotz dem Abstreiten der Regierung wohl oder übel darauf gefasst machen, dass Barak sich dank dem Zusprechen, um nicht zu sagen dem Drängen von Bill Clinton (der unbedingt vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit einen eindrücklichen diplomatischen Erfolg einheimsen muss) damit abfindet, die Forderungen der Syrer zu akzeptieren. Schon wird von einigen israelischen Verantwortlichen erklärt, der Hermon sei nicht unbedingt notwendig, die amerikanischen Satelliten könnten die Warnstation vorteilhaft ersetzen und man könne es vielleicht zulassen, wenn man dieses Recht schon nicht den syrischen Soldaten zugestehe, dass doch wenigstens nette syrische Zivilisten ihre Füsse im Tiberiassee baden dürften.
Aus diesem Grund ist es der Opposition gelungen, dank zahlreicher Stimmen der Koalitionsabgeordneten in der Knesset einen Gesetzesentwurf durchzusetzen, der besagt, dass die Abtretung des Golans an Syrien anlässlich des geplanten Referendums nur von einer qualifizierten Mehrheit gutgeheissen werden kann. Die einfache Mehrheit der Wähler wird demnach nicht ausreichen, es ist die Mehrheit der registrierten Stimmbürger erforderlich, d.h. in Wirklichkeit ca. 60% der Stimmbürger, damit der Vertrag verabschiedet werden kann. Dieser Gesetzesentwurf wird gegenwärtig von einer Kommission geprüft. Die Regierung lehnt ihn ab und bezeichnet ihn als «antidemokratisch» und gar als «rassistisch», denn sein eigentliches Ziel sei es, die arabische Wählerschaft Israels zu «neutralisieren», die sozusagen wie ein Mann für die Abtretung der Golanhöhen stimmen wird. Es ist jedoch eine Tatsache, dass dieser Entwurf die notwendige Unterstützung erhält, um in letzter Lesung angenommen zu werden; unter diesen Umständen steht es sehr schlecht um die Chancen von Barak, schon dieses Jahr eine Einigung mit Syrien und Libanon zu erzielen.
Der Widerstand eines grossen Teils der israelischen Öffentlichkeit gegenüber dem gegenwärtigen Friedensprozess mit den Syrern beruht nicht ausschliesslich auf der Verbundenheit mit der Landschaft des Golans. Die aggressiven Worte der politischen Führungskräfte in Damaskus gegenüber Israel, ihre Politik und vor allem ihre Existenz können nicht mehr verleugnet werden. Die jüngste Rede von Aussenminister Schara vor dem syrischen Schriftstellerverband, in der er erklärte, die militärische Macht Israels allein zwinge Syrien dazu, sich mit den Zionisten abzufinden, er aber, Schara persönlich, bleibe der Strategie der «schrittweisen» Vernichtung Israels treu, vermittelte kein sehr positives Bild von einer eventuellen Pax Syriana. Es hat sich auch gezeigt, dass die neuesten syrischen Schulbücher noch hasserfüllter gegenüber Israel sind als die Lehrwerke, die in den palästinensischen Schulen verteilt werden.
Vielleicht ist es unter diesen Umständen auch beim besten Willen und trotz der inständigsten Appelle von Präsident Clinton besser, nicht bei Präsident Assad anzuklopfen, sondern auf seinen Nachfolger zu warten.
Gut und schön, aber der Südlibanon ? Und die Palästinenser ?
Barak weiss es sehr wohl: es gibt auf der ganzen Welt keine schwierigere Aufgabe, als die Geschicke des Staates Israel zu lenken.

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