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Inhaltsangabe Interview Frühling 2006 - Pessach 5766

Editorial
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Pessach 5766
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Politik
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Interview
    • Die Sicherheitslage [pdf]
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Judäa-Samaria
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Analyse
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Reportage
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Das Gute Gedächtnis
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Mut und Entschlossenheit

Von Roland S. Süssmann

Sechs Monate nach der Zwangsausweisung von Tausenden von Israelis aus ihren Häusern in den jüdischen Gebieten von Gaza ist es uns gelungen, ein Gespräch mit ZEEV CHEVER zu führen, einem der wichtigsten Verantwortlichen der Siedlungsbewegung von Judäa, Samaria und Gaza, der in Israel auch unter dem Spitznamen «Zambisch» bekannt ist. Seit über 20 Jahren organisiert und beaufsichtigt er das gesamte Wohnungsbauprogramm in Judäa, Samaria und Gusch Katif. Er war somit an der Niederlassung von über 250'000 Juden innerhalb all dieser Regionen direkt beteiligt. Alle diese Aktionen erfolgen im Rahmen einer Gesellschaft namens «AMANA», die sich mit der Errichtung von Wohnhäusern und Strassen in Judäa und Samaria befasst.
«Zambisch» gehört zu jenen Männern, die lieber handeln als reden. Er ist nicht politisch tätig, sondern erbaut und entwickelt jüdische Siedlungen, kurz, er sorgt vor Ort dafür, dass Tatsachen entstehen. Als diskreter und reservierter Mann hat er Interviews bisher immer abgelehnt (mit einer Ausnahme für Shalom Nr. 29 und bei einer anderen Gelegenheit für die Tageszeitung Haaretz), denn er setzt sich Tag und Nacht für seine Mission ein, die möglichst rasche Besiedlung der Territorien Israels. Die traumatische Erfahrung der Zerstörung von Gusch Katif hat ihm bestätigt, was er bereits wusste: die Fakten, für die er vor Ort sorgt, können nur durch die Entscheidungen einer israelischen Politik der Schwäche zunichte gemacht werden. Er ist daher gezwungen, die Zahl der jüdischen Häuser überall in Judäa und Samaria sehr schnell zu erhöhen, während er darauf wartet, Gusch Katif wieder errichten zu können. Er weiss, dass ihm ein destruktiver politischer Prozess auf den Fersen ist, der auf der Illusion beruht, dass die Abtretung israelischer Gebiete an die Araber der Sicherung eines gemeinsam vereinbarten und immerwährenden Friedens dient.

Vor sechs Monaten sah die ganze Welt zu, wie Juden aus Gaza vertrieben, ihre Häuser durch Bulldozer der israelischen Armee zerstört und die Synagogen von den Arabern angezündet wurden. Ihre langjährigen Aufbau- und Entwicklungsbemühungen wurden auf diese Weise in kürzester Zeit zunichte gemacht. Haben Sie sich vom Schock erholt, und wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?

Wie bei jeder Trauerarbeit nach einem brutalen Ereignis sind wir immer noch erschüttert von dem, was geschehen ist, und haben uns von diesem Trauma noch nicht wirklich erholt, doch wir sehen wieder klar und sind dabei, uns neu zu organisieren. Man muss sich vor Augen führen, dass das, was in Gusch Katif passiert ist, weit über eine einfache Zerstörung von Häusern und individuellen Lebensplänen hinausgeht: Ariel Sharon hat den gesamten, seit 30 Jahren in Israel herrschenden politischen Konsens vernichtet. Bei den israelischen Politikern und bei vielen Abgeordneten der Knesset gab es praktisch seit dem Amtsantritt von Menachem Begin grossen Rückhalt und viel Unterstützung für das Unterfangen der Besiedlung von Judäa, Samaria und Gaza. Politisch gesehen befinden wir uns daher in einer neuen, äusserst gefährlichen Situation, die sich aus den Vorfällen, dem so genannten Rückzug, ergeben hat. Gegenwärtig sammeln wir unsere Kräfte und prüfen diverse Vorgehensmöglichkeiten, damit die Zerstörung von Gusch Katif und von drei Siedlungen im Norden Samarias ein Einzelfall bleibt und sich in Israel nie wieder eine derartige Katastrophe abspielt. Man muss begreifen, dass die Unterwanderung unserer politischen Basis und die Zerstörungen von Gusch Katif nicht an einem Tag erfolgt sind. Hier hat eine Politik ihr Ziel erreicht, die Schritt für Schritt entwickelt wurde und nicht aufzuhalten war. Wir haben heute keine Zeit, die Vergangenheit zu beklagen. Wir stehen vor einer neuen Herausforderung. Die israelische Bevölkerung hat nämlich gesehen, dass wir vertrieben und zu Opfern einer unglaublichen Gewalt werden können, ohne dass dadurch das Land oder der Alltag in Mitleidenschaft gezogen werden. Als Erstes müssen wir diese geistige Einstellung verändern und die Unterstützung der Öffentlichkeit zurückerlangen, dann werden die Knesset-Abgeordneten ganz bestimmt folgen. Das wird nicht einfach sein, ist aber machbar. Neben den nie nachlassenden finanziellen, physischen und menschlichen Anstrengungen müssen wir uns heute also auch dieser neuen Aufgabe zuwenden. Wir können es uns nicht leisten, die Unterstützung der Öffentlichkeit endgültig zu verlieren, denn dieser Verlust würde der neuen Regierung Israels das Recht verleihen, ihre zerstörerische Tätigkeit in Bezug auf die Siedlungsbewegung in Judäa-Samaria fortzusetzen.

Eines der Hauptelemente des Programms von Kadima beruht gerade eben auf dem Wunsch, noch mehr jüdische Siedlungen zu vernichten, noch mehr Juden aus ihren Heimen zu vertreiben, kurz, noch mehr einseitige Rückzüge durchzuführen. Was werden Sie unternehmen, wenn eine solche Politik tatsächlich zur Anwendung kommt?

Es ist nicht neu, dass die Parteien und Politiker während einer Wahlkampagne jeweils dazu neigen, sich in ihrem besten Licht zu zeigen und Versprechungen zu machen, die sie nach den Wahlen nicht unbedingt einzuhalten gedenken. Im vorliegenden Fall befinden wir uns in der vorteilhaften Lage schon heute zu wissen, was wir zu tun haben und was uns erwartet. Wir können uns demnach auf die Bekämpfung dieser Massnahmen vorbereiten.

In Gusch Katif haben Sie alles unternommen, um ein Blutvergiessen zu vermeiden. In Amona griff die Polizei von Olmert mit so brutaler Gewalt ein, dass die Knesset eine Untersuchungskommission eingesetzt hat. Sie kennen also heute den Tarif, den Sie zahlen müssen, wenn Sie sich den Evakuierungen friedlich widersetzen. Denken Sie, wenn Sie vom «Kampf» gegen dieses Vorgehen sprechen, dass Gewalt angewendet wird?

In meinen Augen war Gewalttätigkeit noch nie eine Lösung. Sollten aber die israelische Bevölkerung und die Knesset im schlimmsten Fall einen einseitigen Rückzugsplan aus Judäa und Samaria verabschieden, der erneut die Ausweisung von Einwohnern vorsieht, werden wir diesen Plan mit friedlichen Mitteln bekämpfen, mit zivilem Ungehorsam, Demonstrationen usw., doch wir werden keinen Bürgerkrieg auslösen und werden auch keine Gewalt gegen die israelische Armee einsetzen.

Sie haben den Schock erwähnt, den Sie erlitten haben. Welche Position vertritt denn die Jugend heute? Ist ein Trend zum Verzicht auf den Kampf um unsere Sache zu beobachten oder haben Sie im Gegenteil eine erhöhte Motivation und Entschlossenheit festgestellt in Bezug auf die verstärkte Besiedlung von Judäa und Samaria?

Wie jede Gesellschaft mit einer traumatischen Erfahrung befinden wir uns in einer heftigen Diskussion und hören alle möglichen Vorschläge, von der Empfehlung zur Gewalt bis zur widerstandslosen Unterwerfung. Ich verschweige Ihnen nicht, dass ein Teil unserer Jugend durch die Ereignisse sehr verwirrt ist, dass andere junge Leute am Boden zerstört und wieder andere nach dem Vernarben ihrer Wunden voller Kampfgeist sind. Als Verantwortliche haben wir unter anderem die Pflicht, den richtigen Weg weisen zu können. Damit meine ich, dass wir mit Nachdruck und Entschlossenheit handeln müssen, ohne aber dem Gedanken an Gewalt nachzugeben und natürlich ohne zu Defätisten zu werden. Dies ist angesichts der immer knapper werdenden Zeit nicht einfach, und es ist nicht auszuschliessen, dass in den Monaten nach den Wahlen Entscheidungen mit verheerenden Folgen getroffen werden. Ausserdem arbeiten wir nicht mit kurzfristiger Perspektive. Wir müssen uns nach Kräften bemühen, unsere Bau- und Entwicklungstätigkeit fortsetzen zu können, zu der auch die langfristige Planung gehört, sowohl im Hinblick auf den Häuserbau als auch im Hinblick auf den Anstieg der Bevölkerung, den Ausbau des Strassennetzes und der Industriebetriebe in unseren Regionen.

Wie sehen Sie unter diesen Umständen die Zukunft?

Man muss unterscheiden zwischen dem, was man in den Medien erfährt, und dem, was tatsächlich vor Ort geschieht. Wir wissen, dass die Presse uns im Allgemeinen nicht wohl gesinnt ist. Ich persönlich verfüge über zahlreiche direkte Kontakte in allen Sozialschichten und Ausrichtungen der Bevölkerung und schätze mich glücklich bei der Feststellung, dass man sehr viel deutlicher hinter uns steht, als es bei der Zeitungslektüre den Anschein hat. Wir befinden also vor der Herausforderung, diesen Sympathiebonus in konkrete Unterstützung zu verwandeln. Bis heute haben wir nicht genügend Anstrengungen in diese Richtung unternommen, das stimmt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Entwicklung des Häuserbaus oberste Priorität besass. Wir hingen auch an der Illusion, die Fakten vor Ort sprächen für sich und es sei nicht notwendig, zusätzliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich erinnere mich daran, wie wir zu Beginn unserer Tätigkeit sagten: «Sobald einmal 50'000 Einwohner in Judäa-Samaria-Gaza leben, haben alle die Botschaft kapiert und wir haben den Kampf gewonnen». Uns wurde aber schnell klar, dass dies nicht der Fall ist, weder bei 50'000 Einwohnern, noch beim Überschreiten der 100'000 Einwohner und noch weniger beim Erreichen der Zahl von 200'000. Heute, da wir über eine Viertelmillion Siedler zählen, wird uns bewusst, dass unsere Überzeugungsarbeit erst beginnt. Wir verfügen, wie bereits erwähnt, über einen gewissen Sympathiebonus, doch mir wird oft gesagt: «Wir sind euch wirklich freundschaftlich verbunden, doch die Tatsachen des Lebens, der Politik und der Fakten vor Ort erlauben uns nicht, euch zu unterstützen. Seid doch realistisch!». Realistisch sind wir seit vielen Jahren und wir wissen, dass die Sicherheitslage des ganzen Landes nur durch eine hohe jüdische Präsenz überall in den Gebieten Judäa, Samaria sowie im Jordantal, verbessert werden kann. Es liegt demnach an uns, die Botschaft so rüberzubringen, dass sie auch verstanden und akzeptiert sowie politisch, finanziell und intellektuell unterstützt wird.
In Bezug auf die Zukunft gehen wir davon aus, dass ein sinnvoller Anstieg der Bevölkerung bei rund 6% pro Jahr liegt, unser Ziel ist das Übersteigen einer halben Million in den kommenden 15 Jahren. Man muss sich vor Augen führen, dass wir heute ebenso wenig wie in der Vergangenheit trotz eines schrecklichen Rückschlags nicht aufgeben werden; wir stehen unserer Ansicht nach nicht am Anfang einer Rückzugsbewegung, trotz allem, was in Gusch Katif geschehen ist. Wir bemühen uns heute mehr denn je darum, weiterhin zu wachsen, einen bedeutenden Aufschwung zu verzeichnen und unsere Niederlage von gestern in einen Erfolg von morgen zu verwandeln. Unsere Arbeitskraft und unsere Entschlossenheit sind unvermindert vorhanden.

Wir haben vor kurzem die innenpolitischen jüdischen Flüchtlinge, d.h. die Vertriebenen von Gusch Katif aufgesucht. Wir haben feststellen können, dass sie von der Regierung letztendlich nur wenig Unterstützung erhalten. Greift ihnen Ihre Organisation unter die Arme?

Wir helfen ihnen bei der Niederlassung an einem neuen Ort und beim Bau neuer Häuser. Wir haben sie bei der Errichtung von Ihr-Ha-Emunah unterstützt und stehen den ehemaligen Bewohnern von Atzmona beim Bau von Shomriyah zur Seite. Dies gilt auch für die Menschen aus Moschaw Katif, Tel Katifa, Kfar Darom usw., die als Gemeinschaft zusammenbleiben wollen und ihr Leben gemeinsam an einem neuen Ort in Israel wieder aufnehmen möchten. Ich möchte nicht den Eindruck vermitteln, die Verantwortlichen dieser Orte seien völlig hilflos, doch sie stecken in einer schwierigen Situation und es kann nicht schaden, wenn jemand mit anpackt oder Ratschläge gibt. Noch heute, 8 Monate nach ihrer Evakuierung, leben 150 Familien beengt in Hotelzimmern. Da ist es eine gute Nachricht, dass eine ehemalige Gemeinschaft von Gusch Katif, das Dorf Schirat Hayam mit insgesamt 60 Familien, sich im Norden des Jordantals niederlassen wird, und dass ein Teil von Netzarim, nämlich rund 30 Familien, nach Ariel zieht. Dazu kommen zahlreiche Familien, die sich individuell dazu entschlossen haben, irgendwo in Judäa oder Samaria oder gar auf den Golanhöhen zu leben.

Seit über zwei Jahren setzt sich Israel für den Bau des Sicherheitszauns ein. Dieser verläuft aber genau durch Judäa und Samaria und folgt eigentlich dem Grenzverlauf von 1967. Welches Schicksal steht den Siedlungen auf der anderen Seite der Mauer Ihrer Ansicht nach bevor?

Die meisten jüdischen Städte und Dörfer in unseren Regionen befinden sich östlich der Mauer, was dem widerspricht, was zu Beginn dieser Operation verkündet worden war, als es hiess, davon wären nur drei oder vier kleine Dörfer betroffen. Man muss sich klar machen, dass Ariel Sharon sich jahrelang dem Bau dieser Mauer widersetzte. Er liess immer wieder verlauten, sie bringe gar nichts und stelle letztendlich ganz sicher keinen Schutz vor dem Terrorismus dar. Schliesslich gab er dem Druck der Bevölkerung und der Medien nach und begann mit dem Bau dieser Absperrung. Ihr Verlauf wurde vom Obersten Gerichtshof schon mehrmals abgeändert und liegt heute so zu sagen auf der Linie von 1967. Meiner Ansicht nach wurden der Zaun und alle damit verbundenen Probleme ohne Gedanken an die langfristige Zukunft in die Welt gesetzt, weil man die Schwierigkeiten fortlaufend aus dem Weg schaffen wollte. Konkret wurde aber überhaupt nichts zum Wohlergehen der Siedlungen vorgesehen, die im Osten dieser Mauer zu liegen kämen. Seit 1988 wurden übrigens über 150 militärische Kontrollstellen zwischen Judäa, Samaria und Israel von 1967 eingerichtet, welche durch die Mauer jetzt einfach nur miteinander verbunden werden. In unseren Augen handelt es sich keinesfalls um eine Grenzlinie, welche Israel oder einen hypothetischen Palästinenserstaat nach aussen abgrenzen soll. Deswegen schränkt die Existenz dieser Mauer unsere Besiedlungstätigkeit in keiner Weise ein. Wir werden überall in Judäa und Samaria weiterhin Häuser bauen und die Niederlassung von Familien fördern, wir fühlen uns durch die Präsenz dieser Mauer überhaupt nicht beeinträchtigt, deren sicherheitstechnischer Nutzen noch nicht bewiesen wurde. Es ist eine Tatsache, dass das jüdische Leben beiderseits dieser Linie weiterhin floriert, als ob sie gar nicht existierte. Für uns besitzt dieser Zaun nicht mehr Bedeutung als eine Sicherheitsabschrankung um eine Schule herum, die darüber hinaus bewacht wird. Mich beunruhigt die Mauer daher nicht sonderlich, und im Moment ist sie mir aus einem einzigen Grund ein Dorn im Auge: sie verlängert die Wartezeit an den Kontrollposten.

Seit mehreren Jahren besteht ein Projekt betreffend den Bau von Umfahrungsstrassen, damit die Araber ungehindert zwischen den Städten von Cisjordanien und Gaza hin- und herfahren können. Wie wird sich ein solcher Plan Ihrer Meinung nach auf die jüdische Bevölkerung der Region und die Entwicklung der Siedlungen auswirken?

Diese Überlegungen sind Teil eines Plans, der zu guter Letzt zu einer völligen Trennung von Juden und Arabern führen soll. Es leuchtet ein, dass ein derartiges Projekt nicht auf dem Rücken der jüdischen Einwohner ausgetragen werden kann, die in irgendeiner Weise unter den Strassen leiden würden, die den Arabern allein vorbehalten sind. Ausserdem würde dies aufgrund der Topographie den Bau von Tunnels oder Brücken bedingen, die ungeachtet der weiteren Entwicklung der Dinge kontrolliert werden müssten. Es ist folglich ein sehr komplexes und kostspieliges Programm und wird bestimmt nicht auf die Schnelle verwirklicht werden können.

Welches ist heute Ihre grösste Herausforderung?

Davon gibt es genug, doch am wichtigsten ist es sicher, die Entmutigung unserer Bevölkerung zu verhindern. Sehen Sie, das Trauma ist noch nicht abgeschlossen. Zahlreiche Vertriebene leben noch in Hotels und in Wohnwagen. Diese von den Ereignissen zutiefst geprägten Menschen sprechen miteinander und teilen ihre Enttäuschung. Viele von ihnen sind überzeugt, dass ihnen nach der Vertreibung aus Gusch Katif alles zustossen kann. Dies ist jedoch falsch, und wir müssen den Leuten das Gegenteil beweisen. Wir tun alles, um sie wieder zur Arbeit zu motivieren, damit sie uns beim erneuten Aufbau und der Entwicklung dieser Regionen helfen, deren Aufschwung in unseren Händen liegt.

Was meinen Sie, ist bei den Einwohnern von Judäa und Samaria, von denen einige sichtlich entmutigt sind, eine Tendenz zu beobachten, sich vom Land im Allgemeinen und von der Armee im Besonderen abzuwenden?

Zunächst muss man wissen, dass es in allen Kampfeinheiten zahlreiche junge Leute aus unseren Reihen gibt. Es ist effektiv bei uns eine Tendenz - zwar nur bei einer Minderheit, der aber auch einige Rabbiner angehören - eine «Loslösung vom Staat» zu verlangen. Dies bedeutet konkret, dass es angesichts der Vorfälle von Gusch Katif im vergangenen Sommer nicht mehr notwendig erscheint, sich für das Vaterland einzusetzen, in den Elitetruppen der Armee zu kämpfen, im zivilen Leben, im Studium usw. nach Höherem zu streben. Ich persönlich bin der Meinung, dass dies ein schwer wiegender Fehler ist, und ich unternehme alles in meiner Macht Stehende, um derartige Ideen oder Trends zu unterbinden. Meines Erachtens schaden solche Überlegungen auch unserer Sache.

Ich nehme an, dass Sie während des Wahlkampfs Kontakte zu den meisten Kandidaten - vor allem des rechten Flügels - gepflegt haben. Hat Ihnen der eine oder andere den Vorschlag gemacht, die Idee einer Rückkehr nach Gusch Katif, um dort mit der Zeit die 17 zerstörten jüdischen Siedlungen wieder aufzubauen, in sein Programm aufzunehmen?

Natürlich wird im Lager der nationalistischen Rechten von Yichud Leumi davon gesprochen. Als aber letzthin die ersten Kassam-Raketen in der Nähe von Aschkelon einschlugen, erwähnten auch einige Likud-Politiker den Gedanken, zunächst einmal die Armee wieder in Gusch Katif zu stationieren. Diese Möglichkeit taucht in den Diskussionen also durchaus auf, auch wenn unsere Rückkehr in diese Gebiete nicht gleich morgen früh stattfinden wird.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Sie haben einen grossen Teil Ihres Lebens dem Häuserbau und der Entwicklung in Cisjordanien und in Gaza gewidmet. Letztes Jahr wurden Sie aber in gewisser Weise verraten, die Arbeit vieler Jahre wurde teilweise zunichte gemacht. Jeder andere an Ihrer Stelle hätte sich zurückgezogen. Doch Sie sprühen nur so von neuen, konstruktiven Ideen und stecken voller Zukunftspläne. Woher nehmen Sie diesen Optimismus?

Ich glaube nicht, dass ein in 30 Jahren entstandenes Werk des Aufbaus zerstört werden kann, auch wenn dies im letzten Jahr teilweise natürlich der Fall war. Ausserdem bin ich überzeugt, dass alles, was in aufrichtiger Überzeugung, Entschlossenheit und grenzenlosem Engagement ohne Rücksicht auf Zeit und Erschöpfung unternommen wird, letztendlich immer seine Früchte trägt. Wenn nicht heute, so doch in langfristiger Zukunft. Meine gesamte Erfahrung hat mir gezeigt, dass diese Auffassung richtig ist und mit der Zeit zum Erfolg führt. Wir dürfen jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen, auch wenn wir wirklich wütend oder ein wenig müde sind. Ich hätte allen Grund, durcheinander oder gar vor den Kopf gestossen zu sein, denn Ariel Sharon, der den Krieg der Intifada gegen die Araber gewann, bot ihnen anschliessend Gusch Katif auf einem Silbertablett an. Niemand zwang ihn dazu, er hat keine Gegenleistung erhalten, weder von den Amerikanern noch von den Arabern. Im Moment war ich völlig erschüttert, doch das reichte nicht, dass ich meine Mission beim Bau und der Entwicklung der jüdischen Gebiete von Judäa und Samaria an den Nagel gehängt hätte. Was meinen Optimismus angeht, so kann ich mich über Erfolge vor Ort, auch scheinbar geringfügige, freuen. Zunächst einmal hat keine einzige Familie nach den Evakuierungen Judäa und Samaria verlassen, trotz des Risikos, mehr oder weniger langfristig vielleicht fort gewiesen zu werden. Unsere Bevölkerung nimmt stetig zu. Darüber hinaus haben Anfang März zehn französische Familien, die sich in Ofrah in Samaria niederlassen möchten, Häuser gekauft, obwohl sich diese bei unseren Architekten erst in Planung befinden. Diese kleinen positiven Zeichen machen mir sehr viel Mut.

Eine Begegnung mit «Zambisch» lässt niemanden gleichgültig. Seine starke Persönlichkeit, seine Entschlossenheit und sein Mut sind beispiellos. Er verkörpert den echten Israeli, wie wir ihn lieben: mit Pioniergeist, Kraft und Kampfwillen pocht er auf sein Recht und ist Israel und dem jüdischen Volk ergeben, kurz, er ist ein Mann, der bereits heute zu den grossen Führungspersönlichkeiten des jüdischen Staates zählt.


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