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Inhaltsangabe Kunst und Kultur Frühling 1998 - Pessach 5758

Editorial - Frühling 1998
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Pessach 5758
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Zehava B.

Von Roland S. Süssmann
Der feierlichste und eindrücklichste Moment des Schabbat- und Feiertagsgottesdienstes besteht zweifellos aus der herrlichen Zeremonie der Öffnung des "Aharon Hakodesch", der Bundeslade, in der sich die heiligen Torah-Rollen befinden. Die Liturgie, die diesen Augenblick umrahmt, ist ganz besonders bewegend und wird immer mit leidenschaftlicher Inbrunst erlebt.
Der Aharon Hakodesch verkörpert das Herzstück der Synagoge, und selbst finanziell schlecht gestellte Gemeinden lassen es sich nicht nehmen, ihn schön und imposant zu gestalten.
Welche Beziehung besteht zwischen diesem so wichtigen Teil unserer Gottesdienste und einer talentierten israelischen Künstlerin? Als Antwort reichen zwei Worte: ZEHAVA BENYAMIN, oder noch einfacher ZEHAVA B., wie sie ihre Werke unterschreibt!

Diese junge, dynamische Frau voller überschäumender Lebensfreude und Phantasie hat sich auf den Bau von herrlichen... Bundesladen spezialisiert. Sie wurde 1960 in Israel geboren und studierte am "Art and Teachers College" von Ramat Hascharon Kunst unter der kundigen Anleitung von Benjamin Glickman, mit dem Ziel, später Kunstunterricht zu geben. 1987 gündete Zehava ihre eigene Firma für die Kreation von Schmuck aus Silber und Edelsteinen, die "Silver Aura", die seither beachtliche Erfolge verzeichnen konnte. 1989 wandte sie sich der Realisierung von jüdischen Kultgegenständen zu und gründete das "Studio Zehava Benyamin". Schon im Alter von 17 Jahren wurde ihr künstlerisches Talent erkannt, und noch vor ihrem Eintritt in die Kunstakademie fand die erste Ausstellung mit ihren Holzskulpturen statt.

Wie kommt es, dass eine Künstlerin, deren Berufung auf den ersten Blick recht wenig mit religiösen Fragen zu tun hat, eines Tages die einzige Frau in Israel und vielleicht auf der Welt ist, die Bundesladen verziert und baut?

Wenn ich Ihnen auf Englisch antwortete, würde ich sagen: "By accident", auf Hebräisch heisst es: "Ein Mikre"... es gibt keinen Zufall ! Vor ungefähr zehn Jahren, als ich noch mein Schmuckatelier führte, nahmen die Verantwortlichen der Jeschiwah Or Baruch von Bayit Wegan in Jerusalem mit mir Kontakt auf: "Wir haben Ihre Arbeiten gesehen, insbesondere Ihre Mesusoth, und wir möchten, dass Sie den Aharon Hakodesch unseres zukünftigen Beit Midrasch (Studierhaus) und der Synagoge ausschmücken." Ich gab zu bedenken, dass ich eher auf dem Gebiet der Schmuckherstellung tätig war und dass eine heilige Lade im Durchschnitt sechs Meter hoch ist ! "In unseren Augen stellen Sie einfach ein riesiges Schmuckstück her", lautete die Antwort. Ich stand also vor einer Herausforderung. Ich begann damit, mir alle notwendigen Grundkenntnisse anzueignen, um im Rahmen der Halacha (jüdisches Gesetz) arbeiten zu können. Danach stürzte ich mich in die Suche nach allen verfügbaren Dokumenten, Fotos, Kunstbüchern, Beschreibungen, literarischen und historischen Quellen usw., in denen von heiligen Laden überall in der Welt die Rede war. Ich habe ebenfalls die meisten alten und modernen Synagogen in Israel besichtigt. Ich sass in meinem kleinen Atelier plötzlich Rabbinern und Gemeindevorständen gegenüber, einer Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten, die von mir erwarteten, dass ich das Herzstück ihrer zukünftigen Synagoge herstellte. Ich muss sagen, dass die Zusammenarbeit mit den Rabbinern trotz meiner Eigenschaft als Frau und obwohl sie genau wussten, dass ich keine praktizierende Jüdin bin, von Anfang an aussergewöhnlich gut geklappt hat und in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Unterstützung stattfand.


Wie gehen Sie vor, wenn Sie die Pläne für eine neue Synagoge vor sich liegen haben oder sich in einem noch leeren Raum befinden, in dem sie den Aharon Hakodesch bauen sollen?

In bezug auf den Bau der Bundeslade existiert keine besondere Halacha, mit Ausnahme der Tatsache, dass sie drei Zugangsstufen aufweisen muss, d.h. den Vorhang, die Türen des Schranks und einen Vorhang im Inneren an der Stelle, wo die Torah-Rollen versorgt werden. Bei den ersten Zusammentreffen erkundige ich mich nach den Traditionen, die der jeweiligen auftraggebenden Gemeinde eigen sind. Welche Traditionen wurden in dem Land gepflegt, aus der sie stammt? Gibt es für eine Stadt, eine Gemeinde oder eine Rabbiner-Dynastie typische Gebräuche? Welche Symbole sollen auf der neuen Bundeslade erscheinen? Welche Farben sind erwünscht, welche nicht? In welcher natürlichen Umgebung befindet sich die Synagoge? In Eilat, zum Beispiel, ist das Meer von grosser Bedeutung. Der Bau einer heiligen Lade besteht nicht nur aus der Tatsache, eine "hübsche Kiste zu schaffen, in der die Torah-Rollen versorgt werden". Es handelt sich um ein Kunstwerk, deren tiefe Bedeutung die ganz eigene Botschaft der Gemeinschaft, ihre Philosophie, ihre grundlegenden Gedanken und den Ausdruck ihrer Identität widerspiegelt. Darüber hinaus soll die heilige Lade, wie auch der Rest der Synagoge, kein statisches Ganzes darstellen, sondern eine harmonische, angenehme Einheit, die man gerne aufsucht und welche die gläubige Inbrunst weckt. Mit Hilfe all dieser Überlegungen und Informationen setze ich mich also ans Zeichenbrett und beginne Entwürfe zu machen. Sobald diese gutgeheissen werden, erstelle ich ein Modell, und so nimmt mit der Zeit alles seinen Lauf. Für jedes Werk suche ich meine Inspiration nicht nur in der Geschichte, den Traditionen und den Wünschen meiner Auftraggeber, sondern füge auch eine moderne Note hinzu, die vom jungen und dynamischen Geist des neuen jüdischen Staates beeinflusst wird.


Sie befassen sich mit überaus wichtigen Projekten. Wenn die Gemeinden, die Ihre Dienste in Anspruch nehmen, eine verschwommene Idee davon haben, was sie sich wünschen, wird das Werk als solches letztendlich von Ihnen konzipiert. Ist dies nicht ungeheuer schwierig?

Was das konkrete Gewicht einiger Arbeiten betrifft, so habe ich bereits Bundesladen gebaut, deren Türen je 880 Kilo schwer waren, und andere, die insgesamt mehrere Tonnen wogen ! Meine Arbeit besteht nicht nur darin, ein Kunstwerk zu kreieren und zu verwirklichen, sondern auch darin, Lösungen für Probleme vorzuschlagen, die sowohl mit der Ästhetik als auch mit der praktischen Gestaltung eines Kultortes zu tun haben. Ich kann meine Worte durch ein eher amüsantes Beispiel veranschaulichen, das ich vor kurzem erlebte. Ich erhielt eine Anfrage von einer Schule für sechshundert Mädchen ! Da an dieser Schule ungefähr zwanzig Männer unterrichten, hatte die Direktion beschlossen, einen Teil des Auditoriums zu einer Synagoge für sie umzuwandeln. Ich stand also vor der Aufgabe, eine "Synagoge" mit einer winzigen Abteilung für Männer und einem Raum für sechshundert Frauen, sowie eine heilige Lade für diese "Kleinsynagoge" entwerfen zu müssen. Da dieser Saal ausserdem als Aula und Veranstaltungssaal mit einer Bühne für Aufführungen dient, musste ich eine Lösung finden, um die heilige Lade in diesen sehr vielseitigen Raum zu integrieren... ohne dass der Aharon Hakodesch dadurch entweiht wird oder seine Präsenz ein Hindernis für Theateraufführungen darstellt. Es ist mir gelungen, eine Lösung für alle diese Forderungen zu finden und dabei dennoch der Harmonie und der Ästhetik gerecht zu werden. Letztendlich verkaufe ich eine Dienstleistung und muss mich nach den Ansprüchen der Gemeinden richten. Ein Werk in einer sephardischen Synagoge in Israel oder in den Vereinigten Staaten kann unter keinen Umständen in derselben Weise betrachtet oder geschaffen werden, und so richte ich meine Arbeit ganz auf die Mentalitäten und objektiven Zwänge aus, die das bei mir bestellte Werk erforderlich macht.


Alle Ihre Werke beinhalten Inschriften in hebräischer Sprache. Die hebräische Typographie ist jedoch sehr vielfältig. Wie treffen Sie Ihre Auswahl ?

Die Gemeinden geben mir oft die Schriftart an, die sie sich wünschen. Einige von ihnen weisen eine eigene Tradition auf, der sie treu bleiben möchten. Ich persönlich arbeite eng mit Schmuel Guttmann (siehe Shalom Vol. XXVIII) zusammen, der über ein enzyklopädisches Wissen im Bereich der Typographie verfügt und, wie Sie wissen, eine grosse Zahl der Schriftarten entworfen hat, die von Microsoft in der informatisierten hebräischen Schrift verwendet wird.


Wieviel kostet eine heilige Lade und wie viele davon können Sie pro Jahr herstellen ?

Gegenwärtig arbeiten wir an vier Projekten gleichzeitig. Jedes von ihnen stellt einen Prozess dar, der es gegen sein Ende erlaubt, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen. Die Kosten schwanken natürlich je nach Umfang der Arbeit, doch der tiefste Preisansatz liegt bei US$ 50'000.-- und kann natürlich sehr viel höhere Summen erreichen.


Sie stellen nicht nur Bundesladen her. Womit beschäftigen Sie sich ausserdem?

Ich habe im Rahmen der Synagogen auch Kästen für Torah-Rollen, Torah-Kronen und verschiedene andere Kultgegenstände sowie die Hüte für die sephardischen Grossrabbiner geschaffen. Manchmal übernehme ich auch die gesamte Innendekoration einer neuen Synagoge, wie dies für die neue Synagoge von Eilat der Fall ist. Ich stelle ebenfalls Gedenklampen (Ner Tamid) und Gedenkstätten für Verstorbene (Etz Chaim) her. In einigen Synagogen kümmere ich mich auch um die Fenster.

Zehava Benyamin platzt vor Talent und Ideen. Ihr Temperament entspricht ihrer Herzlichkeit. Heute zieren ihre Werke die schönsten zeitgenössischen Synagogen in Israel, und ihre Unterschrift befindet sich auf herrlichen Bundesladen, die zu den modernsten des Landes gehören. Ihre Mitarbeit ist auf der ganzen Welt gefragt, Projekte von ihr werden gegenwärtig in New York und in London verwirklicht, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie die heilige Lade der Synagoge in Martinique geschaffen hat.

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