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Inhaltsangabe Kunst und Kultur Herbst 2007 - Tischri 5768

Editorial
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Rosch Haschanah 5768
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Politik
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Judäa – Samaria
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Kunst und Kultur
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Georgien
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Ethik und Judentum
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Erinnerung
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Encyclopedia Judaica

Fred Skolnik. (Foto: Bethsabée Süssmann)

Von Roland S. Süssmann
Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland umfasst 100'000 Menschen, das sowjetische Judentum ist praktisch verschwunden, in den USA erlebten die Gemeinschaften von Las Vegas und Phoenix (Arizona) einen unglaublichen Aufschwung. Diese seltsamen und verblüffenden Entwicklungen veranschaulichen die Evolution der jüdischen Welt im Verlauf der vergangenen drei Jahrzehnte und erklären auch ein wenig, weshalb eine neue Auflage der ENCYCLOPEDIA JUDAICA notwendig wurde. Dieses umfangreiche Werk wird in 22 Bänden herausgegeben, enthält 16 Millionen Wörter und setzt sich aus 2’200 neuen Kapiteln zusammen; 12'000 Artikel wurden überarbeitet, aktualisiert und korrigiert.
Die Herausgabe einer neuen Enzyklopädie ist immer ein besonderes Ereignis, vor allem in einer Zeit, in der Referenzwerke eher auf Internet und CD-Rom konsultiert werden als in Buchform. Um die näheren Umstände bei der Publikation dieses neuen Arbeitsinstruments besser zu verstehen, haben wir ein Treffen mit Professor Fred Skolnik vereinbart, dem in Jerusalem lebenden Chefredaktor der Enzyklopädie.

Wir werden uns gleich der neuen Auflage der „Judaica“ zuwenden, wie sie von Kennern genannt wird. Können Sie uns zuvor aber noch kurz von der ehemaligen Ausgabe berichten?
Sie wurde im Jahr 1972 in 16 Bänden veröffentlicht, seither sind alle zwei Jahre weitere acht Jahresbücher publiziert worden; alle zehn Jahre wurden in einem Jahrzehntbuch das Material aus den Jahresbüchern zusammengefasst und durch diverse Artikel und Beiträge ergänzt. Insgesamt waren es zwei. In den Jahren 1996 und 1997 kam eine interaktive CD heraus, auf der alle 16 Bände und sämtliche Jahres- und Jahrzehntbücher enthalten sind. Die CD war natürlich keine neue Auflage der Enzyklopädie, sondern einfach eine verbesserte und leicht ergänzte Version des bestehenden Werks.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren die Herausgeber der ersten Auflage der Ansicht, die Judaica müsse neu aufgelegt, modernisiert und an die Gegebenheiten unserer Zeit angepasst werden. Die 1972 veröffentlichte Enzyklopädie widerspiegelte eine alte Denkschule und stammte von Intellektuellen, die von Europa geprägt waren. Letztere galten in erster Linie als Anhänger der Haskalah-Bewegung (Judentum der Aufklärung), deren theoretische und praktische Grundsätze auf den traditionellen Werten der religiösen Ausbildung in den Jeschiwoth in Verbindung mit der modernen jüdischen Erziehung beruhen. Sie waren nach Israel gekommen, um hier die hebräische Universität von Jerusalem zu gründen, und hatten die Verbindung von weltlicher und religiöser Ausbildung um die zionistische Dimension ergänzt. Für die damalige Zeit besonders auffällig war die Tatsache, dass die Autoren selbst zwar keinesfalls orthodoxe Juden waren, dass aber das Konzept und die Darstellung der Enzyklopädie von 1972 vor allem auf die Welt von frommen Männern und Rabbinern ausgerichtet waren. Gewisse Trends des Judentums wie die konservative oder die reformierte Bewegung wurden nicht berücksichtigt, die Frauen besassen nur einen sehr geringen Stellenwert. Im Mittelpunkt standen insbesondere Männer und Israel, da die Enzyklopädie vollständig in diesem Land hergestellt wurde – die meisten Autoren waren an israelischen Universitäten tätig. Es sei daran erinnert, dass es damals praktisch keine Sektionen für jüdische Fächer an den Universitäten weltweit gab, weil diese Abteilungen erst gegen Ende der 70er Jahre ins Leben gerufen wurden, auch in den USA. Der Feminismus wiederum, auch jüdischer Prägung, galt nicht eigentlich als aktuelles Thema. Im Verlauf der Jahre jedoch wurde immer öfter Kritik an der alten Enzyklopädie geübt, deren Ausrichtung angeblich „rabbinisch-israelisch-männlich“ war, sage ich mal. Ich persönlich habe diesen Standpunkt nie geteilt und bin etwas skeptisch, was die eigentlichen Absichten der jüdisch-amerikanischen Intellektuellen angeht, die immer wieder dazu neigen, die zentrale Stellung Israels herabzuspielen, um die Bedeutung der Diaspora zu betonen, was sehr ärgerlich ist. Angesichts dieser Situation trat ein weiterer Fakt zutage: es sind nun 35 Jahre vergangen, eine neue Generation von jüdischen Intellektuellen ist entstanden, und sowohl in der jüdischen Welt als auch in Israel selbst hat sich sehr viel getan. Das Land hat sich verändert, wurde von einer zionistischen und sozialistischen Gesellschaft zu einer westlichen Demokratie mit einer ausgeprägten Konsumhaltung, erlebte eine Reihe von Kriegen gegen die arabische Welt und vieles mehr. Auch das amerikanische Judentum machte eine tief greifende Veränderung durch, da es infolge der Bewegung zugunsten der ethnischen Rechte in den 70er Jahren an Selbstsicherheit gewann. Die Bedeutung der jüdischen Fächer als Ganzes und ihre Integration in die Hochschulen hat sich in beeindruckender Weise ausgeweitet, und Tausende von jüdischen Akademikern üben ihre Tätigkeit in den USA mit viel Engagement aus, was sich auf die gesamte jüdische Welt auswirkt. Es war daher selbstverständlich, dieser Entwicklung in Form einer neuen Auflage der Encyclopedia Judaica schriftlichen Ausdruck zu verleihen, und genau das haben wir getan.

Ihren Worten zufolge entspricht diese Publikation einem echten Bedürfnis der Öffentlichkeit?
Genau, und die akademische Welt hat uns übrigens bei der Veröffentlichung der vorbereitenden Arbeiten ihre Begeisterung kundgetan.

Wie viele Personen haben an dieser neuen Auflage mitgearbeitet?
Wir haben 1’200 Autoren verpflichtet (über die Hälfte von ihnen Israelis), alles Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet, und teilten die Arbeit in 50 Bereiche auf, die jeweils einem Redaktor unterstellt waren. Die meisten Personen, die an der Erstellung der Enzyklopädie mitwirkten, gehören der neuen Generation von Intellektuellen an.

Wie sah Ihre Vorgehensweise ganz konkret aus?
Ich nahm alle bestehenden Artikel und teilte sie nach Themen auf: Geschichte, Land, Philosophie, jüdisches Recht, Sport usw. Dann begann ich nach Spezialisten zu suchen, denen ich alle existierenden Kapitel übergab, und bat sie, diese zu studieren und uns mitzuteilen, was überarbeitet, modernisiert, neu geschrieben oder unverändert beibehalten werden sollte. Gleichzeitig machte ich auch neue Kapitel ausfindig. Wir haben nur wenige Artikel ganz gestrichen.

Inwiefern unterscheidet sich die neue Enzyklopädie nun von der alten Ausgabe?
Der herkömmliche Teil und die grossen Themenbereiche blieben unverändert. Rund 2’600 Kapitel haben wir hingegen neu hinzugefügt und aktualisiert, darunter vor allem die Stellung der Frau im Judentum. Wir baten einen Professor in Oregon, alle Texte in Bezug auf dieses Thema zu kontrollieren, insgesamt ca. 60'000 Wörter! Wir befassen uns darin mit der Geschichte der Frauen im Judentum, Land für Land auf der ganzen Welt. Ausserdem schrieb Professor Menachem Eilon, ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofes und berühmter Talmudgelehrter, einen Artikel zur Stellung der Frau im israelischen Rechtssystem. Ein bedeutendes Kapitel ist der feministischen Bewegung gewidmet. Wir haben den Teil über die jüdische Kunst vollkommen umgearbeitet, der sozusagen nichts zur modernen Kunst enthielt. Dazu gaben wir eine Studie über regionale Kunst, aufgeteilt nach Zonen der Erdkugel (USA, Israel, Westeuropa und Osteuropa) in Auftrag und fügten ein Kapitel über die Kunst der Schoah hinzu. Auch diese Ergänzung ist recht umfangreich, sie umfasst 40'000 Wörter. In der Ausgabe von 1972 hatte Professor Menachem Eilon bereits ein Kapitel zum israelischen Recht verfasst. Er hat es weitgehend überarbeitet und um eine Untersuchung über die Weiterentwicklung dieses Rechts in den israelischen Gerichtshöfen im Verlauf der letzten 35 Jahre ergänzt. Er schrieb ebenfalls zwei weitere Artikel, einen über die medizinische Ethik im Judentum und einen anderen über die Menschenrechte im jüdischen Gesetz und in der israelischen Justiz.

Haben Sie in Bezug auf die Schoah Änderungen oder Zusätze angebracht?
Natürlich. Wir haben diesen gesamten Teil revidiert und ergänzt. Neben den bekannten historischen Fakten, die wir um neue Erkenntnisse erweitert haben, betonten wir vor allem die Frage nach der pädagogischen Vermittlung der Schoah und die Art und Weise, wie sie in der Welt wahrgenommen wird. Seit den 70er Jahren ist die Schoah zu einem wichtigen Thema geworden, und so erwähnen wir den sprunghaften Anstieg der Schoah-Museen in den USA, das Problem der Archive, die Kollaboration der lokalen Bevölkerungen mit den Deutschen und vieles mehr. Wir arbeiteten übrigens eng mit Yad Vashem zusammen, dessen Enzyklopädie mit dem Titel Pinkasei HaKehiloth regelmässig aktualisiert wird und sehr präzise Angaben zu den Ereignissen während der Schoah in 6'000 verschiedenen Gemeinden enthält. Unser Herausgeber über Russland ist niemand anderes als der Chefredakteur der Pinaksei HaKehiloth. Es gibt auch ein weiteres interessantes Kapitel, das unter dem Titel „Militärdienst“ an die Rolle erinnert, welche die Juden insbesondere im Zweiten Weltkrieg in den verschiedenen Armeen in aller Welt gespielt haben.

Wir leben im Zeitalter von Google und Wikipedia. Was rechtfertigt den Druck einer neuen Enzyklopädie?
Wir haben uns nicht damit begnügt, eine reine Druckversion herzustellen, wir haben uns an der Britannica orientiert und auch eine Art E-Book (Buch in elektronischer Form) herausgegeben, auf das die Universitäten begeistert reagierten. Indem eine Hochschule nämlich eine einzige Ausgabe erwirbt und auf ihren zentralen Server lädt, kann sie zahlreichen Studierenden gleichzeitig den Zugang zum Werk ermöglichen.

Wie sind Sie persönlich an dieses Projekt herangegangen?
Es erfüllte mich mit einer Art Nationalstolz, weil die Publikationsleitung der neuen Enzyklopädie Judaica sich in Jerusalem befindet und weil so viele israelische Fachleute daran mitarbeiten. Ich war geehrt und glücklich, mit der Verantwortung für ein derart bedeutendes Werk betraut worden zu sein, bin mir aber der Schwere meiner Aufgabe bewusst. Ich habe also viel Vorsicht und Präzision walten lassen.

Haben Sie die Herausgabe einer regelmässig aktualisierten Version geplant, wie dies beim Yearbook-System der alten Auflage der Fall war?
Nein, aber die elektronische Version wird ab und zu überarbeitet werden.

Welche Kategorie von Persönlichkeiten ist am besten vertreten?
Diejenige der Rabbiner mit 3’500 Namen, gefolgt vom Bereich Kunst, der 1’500 Namen umfasst.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Als Chefredaktor der Encyclopedia Judaica sind Sie wahrscheinlich der einzige Mensch auf Erden, der alles über das Judentum weiss, der eine echtes enzyklopädisches Wissen besitzt. Gibt es etwas, was Sie nicht wissen?
Ich denke nicht, dass ich alles weiss, doch wenn ich neugierig bin… schlage ich in der zweiten Auflage der Encyclopedia Judaica nach!


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