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Inhaltsangabe Judäa – Samaria – Gaza Frühling 2001 - Pessach 5761

Editorial - Frühling 2001
    • Editorial

Pessach 5761
    • Gehorsam und Gewissen

Politik
    • Die Einheit - Wozu?

Interview
    • Merkwürdiger Krieg

Judäa – Samaria – Gaza
    • Das Leben geht weiter…

Bulgarien
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Das Leben geht weiter…

Von Roland S. Süssmann
Seit der Terrorist Arafat beschlossen hat wieder Gewalt, Tod und Leid in der jüdischen Bevölkerung Israels zu säen, ist der Alltag derjenigen, die sich an den Aussenposten des jüdischen Volkes befinden, noch schwieriger geworden. Für die Israelis, die in den jüdischen Gebieten von Judäa, Samaria und Gaza leben, ist jeder Ortswechsel, wie beispielsweise der Schulweg der Kinder oder ein Arztbesuch in Jerusalem, zu einer physisch und psychisch harten Prüfung geworden. Es kommt natürlich auch nicht mehr in Frage, am Abend an einem kulturellen Anlass oder einer Familienfeier ausserhalb der Ortschaft teilzunehmen, in der sie wohnen, ohne die Nacht am Ort des Festes verbringen zu müssen. Wir wollten mehr über das Leben in diesem Teil Israels erfahren, der Tag für Tag unter den Auswüchsen der arabischen Gewalt leidet, und sind daher dem ehemaligen Präsidenten der YESHA, der Bewegung zur jüdischen Besiedlung von Judäa-Samaria-Gaza, nämlich PINCHAS WALLERSTEIN begegnet, dem gegenwärtigen Gouverneur des Regionalrates der Region Benjamin. Diese unmittelbar im Norden von Jerusalem gelegene Gegend zählt 25'000 Einwohner, die in 31 Städten und Dörfern auf einer Fläche von ca. 120 km2 leben. Wallerstein wirkt ebenfalls als Bürgermeister von Psagot, einem Städtchen neben Ramallah, das seit dem 29. September 2000 täglich von den Arabern mit Maschinengewehren angegriffen wird.

Vor ungefähr sechs Monaten wurde Ihre Region brutal mit einer neuen Lebenslogik konfrontiert. Es herrscht zwar nicht Krieg, gewiss, aber das tägliche Leben wurde doch in Mitleidenschaft gezogen. Der Beginn des arabischen Guerillakonflikts gegen Ihre Mitbürger fiel sozusagen mit Rosch Haschanah 5761 zusammen. Können Sie uns über die Zahlen und Statistiken betreffend die Anzahl Vorfälle, Tote und Verletzte hinaus beschreiben, wie Sie Neujahr gefeiert haben und weshalb Sie sich ein Leben lang daran erinnern werden?

Seit dem Jom Kippur-Krieg war es das erste Mal, dass ich an einem Feiertag in ein Fahrzeug stieg. Am ersten Tag von Rosch Haschanah erhielt ich einen Anruf von der Armee, die mich aufforderte, sofort den regionalen Kommandoposten in Beth El aufzusuchen, da die Situation schlimm sei. Wir waren von der Armee gewarnt worden, die Araber würden einen Vorwand suchen um das Feuer auf jüdische Bürger zu eröffnen. Der Besuch Ariel Sharons auf dem Tempelberg wurde von Arafat als Auslöser benutzt, da er seit langem Pläne für terroristische Angriffe ausgearbeitet hatte. An diesem Tag von Rosch Haschanah begab ich mich also nach Beth El. Schon die Hinfahrt allein war ein eigentliches Abenteuer, denn auf der Strasse wimmelte es von Tausenden von Arabern, überall waren haufenweise Steine und brennende Reifen. Die Armee hatte eingegriffen, um Ordnung zu schaffen. Man muss sich bewusst sein, dass die Angriffe der Araber immer nach demselben Szenario stattfinden. Sie veranstalten eine riesige Demonstration, an der Tausende von Menschen teilnehmen, die mit Steinen bewaffnet sind, und inmitten der Demonstranten befinden sich einige Dutzend Personen mit Kalaschnikows, die bewusst zielen. Sehr viele dieser Menschenansammlungen fanden in rascher Folge von allen arabischen Städten ausgehend statt, von Ramallah, Nablus, Bethlehem usw. Die Schüsse der Araber hingegen sind ganz besonders gegen die jüdischen Dörfer gerichtet, die neben ihren Städten liegen, wie z.B. Psagot, Hebron, Beth El usw. Die arabische Strategie änderte sich allmählich, die Demonstrationen wurden eingestellt und ersetzt durch den direkten Beschuss von zivilen Behausungen oder von Gemeindebüros. Auf diese zweite Phase der Aggression, geprägt von den Schüssen, die fast ausschliesslich aus der vollständig unter der Kontrolle der PLO befindlichen sogenannten Zone A stammten, folgte seit kurzem eine dritte Etappe, diejenige der Angriffe auf den Strassen.

Wie laufen diese Angriffe ab?

Die Vorgehensweise ist recht simpel. In Judäa-Samaria sind täglich ungefähr zehntausend Fahrzeuge unterwegs. Es ist folglich ein Leichtes, einen Hinterhalt zu legen, wenn man sich in einem am Strassenrand parkierenden Kastenwagen versteckt und das Feuer auf vorbeifahrende Zivilwagen eröffnet, die israelische Kennzeichen tragen. Es ist noch viel leichter, ein anderes Auto zu überholen und mit dem Schiessen zu beginnen, sobald man sich auf gleicher Höhe befindet.

Bevor Sie uns sagen, wie Sie den Schutz Ihrer Mitbürger zu organisieren gedenken, stellt sich eine grundlegende Frage. Laut aller zwischen Israel und der PLO unterzeichneten Abkommen ist letztere eigentlich für die Sicherheit in dieser Region verantwortlich und sollte in diesem Sinne mit Israel zusammenarbeiten. Israel hat jedoch schon zweimal der PLO vertraut, damit diese bei der Rettung verletzter Israelis hilft. Die Verletzten verbluteten aber letztendlich, da sie keinerlei Unterstützung erhielten. Wie erklären Sie sich dies?

Sie schneiden da einen zentralen Punkt an, der den gesamten Geist des Osloer Friedensprozesses in Frage stellt. Kann nämlich Israel die Sicherheit seiner Bürger jemand anderem anvertrauen? Die Antwort war immer nein, doch diesmal haben es die konkreten Tatsachen vor Ort ganz deutlich bewiesen. Die beiden Vorfälle, auf die Sie anspielen, haben sich jeweils am Grab von Joseph und in der Region von Har Eiwal abgespielt, die im Herzen des Landes liegt und wo israelische Wanderer mit Maschinengewehren von Arabern angegriffen wurden. In beiden Fällen haben die Armee und die politische Spitze des Landes Kontakt aufgenommen mit dem Verantwortlichen der palästinensischen Armee, Jibril Rajoub, der die Hilfeleistung für israelische Verletzte garantiert hatte (am Josephsgrab handelte es sich um einen Drusen, der seinen Militärdienst leistete), diese aber in Wahrheit willkürlich sterben liess. Die andere Möglichkeit der Armee hätte darin bestanden, mit Panzern und zahlreichen Soldaten in diese Regionen einzufahren. Aus politischen Gründen war auf dieses Vorgehen verzichtet worden und man hatte beschlossen, den Arabern zu vertrauen, was sich als tödlicher Irrtum erwies. Man muss sich klar machen, dass Arafat daran interessiert ist, eine lange und schwierige Zeit der Spannung aufrecht zu erhalten, da ein zermürbender Terrorismus grosses Blutvergiessen und möglichst viele israelische Todesopfer bewirkt. Sein Ziel ist es, eine unhaltbare Situation entstehen zu lassen, so dass eine internationale UNO-Truppe sich zwischen die jüdische und arabische Bevölkerung stellen muss. Die Präsenz der Blauhelme entspräche einem ersten konkreten Schritt zur Schaffung eines palästinensischen Staates, da die israelische Armee in diesem Moment ihre Rolle nicht mehr spielen könnte. Sowohl auf symbolischer als auch auf praktischer Ebene wären die sogenannten «Gebiete» nicht mehr unter israelischer Kontrolle. Ich zweifle allerdings daran, dass diese Taktik letztendlich Erfolg haben wird.

Kehren wir zum Alltag und zum Geschützfeuer der Araber zurück, denen Ihre Mitbürger seit mehreren Monaten ausgesetzt sind. Wie haben Sie sich organisiert, damit das Leben «so normal wie möglich» weitergehen kann?

Wie ich bereits sagte, sind neben den Angriffen auf den Strassen auch die allnächtlichen und in manchen Fällen auch am Tag stattfindenden Schüsse gegen zivile Büros und Wohnhäuser erneut aufgenommen worden. Ich erwähne nur das Beispiel eines weinenden Babys, das seine Mutter in den Arm nahm, 3 Sekunden bevor ein arabisches Geschütz die Wiege traf, in der es sich einen Augenblick zuvor noch befunden hatte! Es gibt da auch die Geschichte der Frau, der die Packung Milch in dem Moment von einer Kugel durchlöchert wurde, als sie sie aus dem Kühlschrank nahm. Um einen Millimeter, um eine Sekunde früher oder später wäre sie selbst getroffen worden. Ich könnte Ihnen zahlreiche Begebenheiten dieser Art zitieren, die glücklich, unglücklich oder wie durch ein Wunder glimpflich ausgegangen sind. Mit diesen Geschichten will ich aber ein Beispiel dafür geben, dass wir nicht in einer kriegsähnlichen Situation leben, in der die Menschen sich in Schutzräume zurückziehen und das normale Leben unterbrochen wurde. Ganz im Gegenteil, der normale Alltag hat nicht aufgehört, jedermann geht an seine Arbeit, die Kinder sind in der Schule usw. Ausserdem sind die meisten Israelis sozusagen unbewaffnet, und wenn die Araber auf sie schiessen, wenden sie sich an die Armee, damit diese wieder für Ruhe sorgt. Um auf das Beispiel der Frau mit der Milch zurückzukommen: natürlich wird sie in ihre Küche zurückkehren und sie wird den Kühlschrank weiterhin benutzen, doch wir haben ihre Küche mit Sandsäcken und einem Spezialgitter schützen müssen. In derselben Logik versuchen wir die finanziellen Mittel aufzutreiben um gepanzerte Zivilautos zu erwerben. Der grösste Teil der in unserer Region lebenden Israelis fährt jedoch in ganz normalen Wagen herum. Es wird einem klar, dass jedem Menschen, der sich allein in seinem Auto befindet, der kalte Schweiss herunter läuft, wenn er merkt, dass ein anderer Wagen ihm folgt oder ihn zu überholen versucht. Jede Fahrt wird auf diese Weise zur harten Nervenprobe.
Uns ist jedoch aufgefallen, dass nur allein herumfahrende Autos angegriffen werden. Sobald zwei oder mehr Wagen einander folgen, schiessen die Araber nicht. Deswegen haben wir ein ganzes System mit Freiwilligen organisiert, die ab 16.00 Uhr als Begleitfahrzeuge auf unseren Strassen mitfahren. Muss sich jemand von einer Ortschaft in eine andere begeben, wartet er, bis ein Freiwilliger vorbeifährt, so dass sie die Strecke gemeinsam im Konvoi zurücklegen können. Ich möchte an dieser Stelle ebenfalls betonen, dass alle Fahrer der Begleitfahrzeuge dies ehrenamtlich tun und während 6 bis 7 Stunden täglich mit ihrem eigenen ungepanzerten Wagen ihre Runden fahren, dass sie das Benzin aus der eigenen Tasche zahlen und ihren Einsatz ungeachtet ihrer Familie, ihrer Gesundheit und unter grossen Gefahren leisten.

Arafat will ganz offensichtlich die Moral und den Willen der jüdischen Einwohner in Judäa-Samaria-Gaza brechen, bevor er auch den Rest der Bevölkerung angreift. Wie lange, denken Sie, werden Ihre Schutzbefohlenen dies aushalten?

Arafat versucht eine Situation zu schaffen, in der die Israelis unserer Regionen nicht mehr arbeiten gehen und ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Dies ist einer der Gründe für seinen Befehl, die Angriffe auf den Strassen durchzuführen. Die Bibel beschreibt uns als «das Volk mit dem starren Nacken», und wir lassen uns nicht so schnell ins Bockshorn jagen. Wir stehen Prüfungen in Würde durch und richten unser Leben nach den neuen Umständen. Natürlich haben wir Angst und wir kämpfen mit zahlreichen Schwierigkeiten. Viele von uns tragen Helme oder schusssichere Westen und die Schultransporte sowie der öffentliche Verkehr erfolgen immer häufiger in gepanzerten Bussen; die Kinder gehen aber täglich zur Schule. Darüber hinaus verlassen die Einwohner ihre Häuser nicht nur für die notwendigsten Besorgungen, sondern pflegen auch ein normales gesellschaftliches Leben. Sie besuchen Cafés, ihre Freunde, diverse Anlässe usw., wobei sie sich immer der lauernden Gefahr bewusst sind.

Heute leben ungefähr 210'000 Israelis in den 130 Ortschaften von Judäa-Samaria-Gaza. Wie viele haben diese Gegend verlassen, um sich anderswo im Land niederzulassen, und gibt es neue Siedler?

Man muss sich die Situation vor Augen führen. In Ofrah, wo ich mit meiner Familie wohne und wo ca. 2000 Menschen leben, haben sechs Familien in den letzten Monaten Verluste durch den arabischen Terrorismus erlitten. Dennoch haben in unseren Regionen insgesamt sehr wenige Einwohner die Gebiete verlassen, ich würde sogar sagen, dass sich eine gewisse Atmosphäre des Durchhaltens und des Überlebens entwickelt hat und viele Leute sagen mir: «Jetzt können wir doch nicht fortgehen. Wir überlegen es uns noch Mal, wenn sich die Lage beruhigt hat.» Es trifft zu, dass der Immobilienmarkt fast keine Bewegungen verzeichnet, doch es lassen sich zahlreiche Israelis in unserer Region nieder, entweder in Wohnwagen oder in anderen provisorischen Behausungen. Alle sind sich der Tatsache bewusst, dass die Armee vor Ort sehr präsent ist und trotz der extrem schwierigen Lage eine bemerkenswerte Arbeit leistet. Tsahal muss nicht nur die Kritik der ganzen Welt ertragen, sie steht auch Männern gegenüber, die auf Zivilisten und auf Soldaten schiessen, die offiziell nicht als Feinde gelten, sondern als Partner eines Friedensvertrags! Sie gewährleistet den Schutz der Bevölkerung, was unter anderem ebenfalls viele Israelis ermutigt, in unsere Gegend zu ziehen.

Sie haben vom Alltag der Menschen gesprochen. Treten denn nicht ab und zu Versorgungsprobleme auf? Gelangen die Lieferanten für Benzin, Milch oder andere lebensnotwendige Güter denn noch ohne weiteres in ihre Region, damit es der Bevölkerung an nichts mangelt?

Bevor ich auf diesen Punkt eingehe, muss ich Ihnen erklären, dass das Leben trotz dem Erwerb einer Reihe von gepanzerten Autobussen, die sich natürlich für den Transport der Kinder und bestimmter ziviler Passagiere zwischen unseren Ortschaften, ja sogar nach Jerusalem als nützlich erweisen, nicht unter einem dicken Schutzpanzer stattfindet. Diese Busse sind zwar sinnvoll, stellen jedoch keine Lösung des Problems dar, da die individuellen Fahrten fortgesetzt werden müssen. Soll ein Techniker nur dann anreisen können, um eine defekte Waschmaschine zu reparieren, wenn der Busfahrplan es erlaubt? Muss ein Arzt sich nach den Vorgaben des öffentlichen Verkehrs richten? Das Leben besteht aus Abermillionen von einzelnen Elementen, die man nicht in ein starres Schema zwängen kann. In meiner Region allein gibt es täglich 420 Fahrten, die in der einen oder anderen Weise mit dem Schulwesen verbunden sind. Nur 80 dieser Fahrten können in einem gepanzerten Wagen erfolgen.
Was die «Arterien des Lebens» betrifft, wie ich sie nenne, d.h. alle Versorgungsquellen, stehen wir vor einem ernsthaften Problem, weil sich die Lieferanten weigern ohne Schutz in unsere Region zu kommen. Wir mussten uns folglich mit der Armee zusammentun, damit es unseren Mitbürgern an nichts mangelt und damit die Lieferungen unter Schutz stattfinden können. Dieses System funktioniert mit unterschiedlichem Erfolg. Wenn die Armee-Jeeps verspätet eintreffen, warten die Lastwagenchauffeure nicht auf sie und es ist an uns, z.B. einen Milchtransport mit Freiwilligen zu organisieren, damit alle ordentlich beliefert werden. Wir setzen alles daran, damit die Zivilbevölkerung nicht unter den Schwierigkeiten zu leiden hat, mit denen wir konfrontiert werden.

Pinchas Wallerstein hat sich noch lange und ausführlich mit uns über den Alltag in den jüdischen Gebieten von Judäa-Samaria-Gaza und über die Art und Weise unterhalten, wie das Leben hier durch den arabischen Terror beeinträchtigt wird. Die in dieser Gegend lebenden Israelis sind die Pioniere unserer Zeit, in direkter Nachfolge der Gründerväter Israels. Sie haben unsere Unterstützung verdient.


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