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Inhaltsangabe Reportage Frühling 1996 - Pessach 5756

Editorial - April 1996
    • Editorial

Pessach 5756
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    • Der Weg in die Katastrophe

Reportage
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    • Das Aleph Institute

Porträt
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Ethik und Judentum
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Das Aleph Institute

Von Roland S. Süssmann
Miami, 8.30 Uhr. RABBI SHLOMO D. LIPSKAR eilt, die Tefillin noch an Kopf und Armen, immer vier Stufen auf einmal nehmend die Treppe zu seinem Büro hinauf, das zwei Stockwerke über "seiner" Synagoge liegt. Er entfernt seine Gebetsschnüre rasch und entschuldigt sich mit seinem entwaffnenden Lächeln: "Ich weiss, dass wir verabredet waren, doch ich muss einen dringenden Fall in New York regeln. Ich bin heute abend wieder da und werde Sie um 21.30 Uhr gerne empfangen."
Welcher "dringende Fall" macht die Anwesenheit dieses dynamischen Rabbiners in New York unabdingbar ? Einem Juden droht Gefängnisstrafe !
Rabbi Lipskar, Gründer des ALEPH INSTITUTE, dessen zahlreiche und vielfältige Tätigkeiten wir in diesem Artikel vorstellen werden, reist nach New York, um dem Richter eine Ersatzstrafe vorzuschlagen, die anders ist als die ursprünglich geplante, jedoch nicht weniger streng, um diesem Mann das Gefängnis zu ersparen.
Das Aleph Institute wurde 1981 auf Vorschlag des Lubawitscher Rebben s.z.l. von Rabbiner Shlomo D. Lipskar in Miami gegründet. Nachdem es sich 14 Jahre lang bemüht hat, die Bedingungen der jüdischen Amerikaner zu erleichtern, die zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden waren, und denjenigen Menschen zu helfen, die nach ihrer Entlassung einen neuen Start machen wollten, ist das Aleph Institute mit der Zeit zur wichtigsten und wirksamsten Organisation der Welt geworden, das gefangene oder vor einer Gefängnisstrafe stehende Juden unterstützt. Das Institut arbeitet einerseits mit den Gefangenen, andererseits aber auch mit deren Familien. Dem Aleph Institute stehen die besten Anwälte und Strafrechtler der Vereinigten Staaten zur Verfügung, darunter insbesondere der Anwalt ISAAC M. JAROSLAWICZ, der unzählige erstklassige Diplome mit der Auszeichnung "magna cum laude" erworben und seine berufliche Erfahrung in den berühmtesten Anwaltsbüros der USA gesammelt hat. Die wichtigste Vorgehensweise des Aleph Institute, sein Hauptargument, beruht auf dem grundlegenden und einfachen Konzept, dass Gefängnisse in der jüdischen Rechtsprechung nicht existieren. Der Gedanke, einen von Natur aus produktiven Menschen abzusondern und ihn einzuschliessen, widerspricht der jüdischen Logik. Selbst die Leute, die dazu verurteilt wurden, in von der jüdischen Rechtsprechung "Zufluchtsstädte" (Ireï Miklat) genannten Orten zu leben, wurden nicht eingesperrt. Sie befanden sich in einer Stadt, konnten sich frei bewegen und ihre Familien mitbringen. Der Verurteilte wurde nicht von der restlichen Welt abgeschnitten und verlor nicht lange Jahre seiner produktivsten Zeit, um sie in einem Gefängnis zu verbringen. Selbst in unserer weltlichen Gesellschaft wird heute oft eingeräumt, dass ein Gefängnis nichts zur Besserung eines Menschen beiträgt. Natürlich sieht das Problem anders aus, wenn es sich um einen gefährlichen und gewalttätigen Verbrecher handelt, denn in diesem Fall muss die Gemeinschaft vor ihm geschützt werden.
Konkret besteht die Tätigkeit des Aleph Institute aus einem beständigen Kontakt mit den Richtern, Anwälten und Verteidigern, damit sie sich mit dem Vorschlag und der Annahme einer alternativen Bestrafung einverstanden erklären. "Die von Fall zu Fall variierende Ersatzstrafe beinhaltet alle Elemente einer Bestrafung, d.h. das Büssen der Schuld, die Entschädigung der Gesellschaft und die Strafe, doch im Gegensatz zu anderen Rechtssystemen kennt sie keine Vergeltung", erklärte uns Rabbiner Lipskar. Im dringenden Fall beispielsweise, der ihn einen Tag lang nach New York rief, hätte der junge Mann, den man der Steuerhinterziehung anklagte (in den Vereinigten Staaten ein strafrechtliches Vergehen) eigentlich zu einer Zuchthausstrafe verurteilt werden sollen, da der Staatsanwalt eine strenge Bestrafung forderte. Rabbiner Lipskar machte folgenden Vorschlag: man befestigt ein elektronisches Band am Fuss des Verurteilten, so dass das FBI alle seine Bewegungen verfolgen kann; der Verurteilte darf sich nur von seiner Wohnung direkt zur Synagoge oder zur Arbeit begeben. Beim geringsten Abweichen von diesem Weg wird er verhaftet. Auf diese Weise wird der Mann nicht von seiner Familie abgeschnitten und kann weiterhin arbeiten. Im allgemeinen wird dieses alternative System von der amerikanischen Justiz gut aufgenommen, anerkannt und akzeptiert. Vor kurzer Zeit ist aber ein Problem aufgetreten. Das Rechtssystem hat einen sehr strikten Katalog von Sanktionen ausgearbeitet, in dem für jedes Delikt und für jeden Rückfall eine bestimmte Bestrafung oder Gefängnisstrafe aufgeführt ist. Diese Methode entspricht, auf einer anderen Ebene, unserem System für Bussen. Dieser Katalog engt die Richter beträchtlich in ihrer Ermessensfreiheit ein, eine alternative Strafe zu akzeptieren oder sie abzulehnen. Dies reicht aber bei weitem nicht aus, um die Juristen des Aleph Institute zu entmutigen.
Der zweite wichtige Aspekt, aus dem die Tätigkeit des Aleph Institute besteht, sind die Programme für Juden, die sich bereits im Gefängnis befinden. Aleph ist die einzige Organisation der Vereinigten Staaten, die Gefangenen religiöse Bücher und jüdische Literatur zur Verfügung stellt. An Pessach verteilt das Institut Tausende von Kilos Matzoth und Flaschen mit Traubensaft an über 2000 Gefangene im ganzen Land. In bestimmten Fällen und auf Bitte der Gefängnisinsassen liefert es auch einen vollständigen Seder, das Mahl und die Haggada eingeschlossen. Das Aleph Institute verfügt darüber hinaus über einen geistlichen Dienst für Gefängnisse, der nicht nur regelmässig alle Gefangenen aufsucht, sondern auch Kontakte mit den Verantwortlichen pflegt, um darüber informiert zu werden, ob sich Juden unter den Insassen befinden, weshalb sie eingesperrt wurden usw. Die Schwierigkeiten sind von Fall zu Fall unterschiedlich, fallen aber oft in verschiedenen Gefängnissen ähnlich aus. So wünschen manche Gefangene, an jüdischen Festen nicht zu arbeiten oder ihre Tätigkeit am Freitag vor Beginn des Schabbats einzustellen. Andere möchten sich koscher ernähren, den Besuch eines Rabbiners erhalten oder zu einem Gottesdienst zusammenkommen. In bezug auf gefangene Juden sagte uns Isaac M. Jaroslawicz insbesondere folgendes: "Bis heute stammte die grosse Mehrheit der Gefängnisinsassen aus einer nichtgläubigen Umgebung. Leider müssen wir seit einigen Jahren miterleben, dass die white-collar Kriminalität in orthodoxen Kreisen zunimmt. Dies lässt sich zum Teil durch die Erziehung erklären, die in bestimmten Jeschiwoth erteilt wird, in denen der Respekt des nichtjüdischen Nachbarn, der Regierung oder nationalen Gesetze nicht oder kaum gelehrt wird. Wir haben Erziehungsprogramme für die Schüler von Jeschiwoth entwickelt. Im Verlauf dieser präventiven und erzieherischen Arbeit bringen wir ihnen die Gesetze bei und erklären ihnen, dass die "krummen Dinger, die sowieso jeder dreht", nicht erlaubt sind. Die orthodoxen Juden verkörpern ca. 10% der jüdischen Gefängnisinsassen. Generell stellen jüdische Gefangene nur eine kleine Minderheit dar. Sie haben oft Angst, sich als Juden zu erkennen zu geben, da die christlichen Organisationen sie zu bekehren versuchen; ausserdem fürchten sie den Antisemitismus der Mitgefangenen. Dank dem Aleph Institute können sie ihre jüdische Identität frei leben, falls sie dies wünschen, und erhalten während ihrer Gefangenschaft moralische und geistige Unterstützung.
Das Aleph Institute hat eine weitere Facette seiner Tätigkeit vorzuweisen. Seine Arbeit zugunsten der Gefangenen wäre seiner Ansicht nach nicht vollständig, wenn dabei die Familien ausser acht gelassen würden. Wenn ein Mann und Familienvater in der jüdischen Gesellschaft verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, gilt seine Familie als "geächtet", obwohl sie vor allem in diesen schwierigen Momenten Unterstützung und Hilfe bräuchte. In vielen Kulturen erhalten sie diese Zuwendung, nicht aber in der unsrigen. Das Aleph Institute berät die Familien und verfügt über Psychologen, die sich um sie kümmern; es hilft ihnen bei der Arbeitssuche und steht ihnen ganz einfach zur Seite. Bei der Entlassung aus dem Gefängnis können sich die nun freien Männer und Frauen an das Aleph Institute wenden und um Hilfe bei der Arbeits- oder Wohnungssuche bitten. Die Aufgaben des Aleph Institute sind sehr vielfältig, sehr umfassend und durchdacht. Vor jedem Feiertag erhält jeder Gefängnisdirektor Informationsmaterial über das kommende Fest und die Bedürfnisse, die für die jüdischen Gefangenen daraus entstehen, damit kein Verantwortlicher jemals wird sagen können: "das wusste ich nicht". Das amerikanische Gesetz verleiht jedem Gefangenen das Recht auf Ausübung seiner Religion im Gefängnis, das ihn dabei unterstützen muss. Hören wir uns zum Schluss Stephen Pontessa an, den Direktor des Metropolitan Correctional Center von Miami: "Ich schätze die erzieherischen und humanitären Bemühungen des Aleph Institute in unserer Anstalt ganz besonders. Bei uns fallen viele zum ersten Mal inhaftierte Männer der Isolation und der Verbitterung zum Opfer. Sie werden dadurch empfindlich und sind leicht zu beeinflussen. Die Arbeit des Aleph Institute trägt meiner Ansicht nach enorm dazu bei, die geistigen und spirituellen Bedürfnisse der Gefangenen zu erfüllen, indem es ihnen eine Begegnung, eine Antwort und eine Unterstützung anbietet, die sie sonst nirgendwo fänden."

DAS ALEPH INSTITUTE UND DIE ARMEE DER VEREINIGTEN STAATEN

Was macht ein Oberst der US Air Force im Ruhestand wohl in den Büros des Aleph Institute ? Er arbeitet Erziehungsprogramme für die jüdischen Soldaten der amerikanischen Armee aus. Es bestehen nur 24 Militärgeistliche für sämtliche 300 Stützpunkte der USA in aller Welt. In den Stützpunkten, in denen es keinen festen Rabbiner gibt, ist die Armee (d.h. Air Force, Marines und Navy) für die religiösen Programme zugunsten ihres Personals zuständig. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, hat die Armee ein System von Freiwilligen geschaffen: in jedem Stützpunkt werden Männer, sogenannte "Lay Leaders", ernannt, welche die Funktionen eines geistlichen Führers übernehmen. Aufgrund der Restriktionen des Militärbudgets denkt man heute an die Aufhebung bestimmter Rabbinerposten, wodurch die Arbeit dieser Laien noch an Bedeutung gewinnen wird. Das Aleph Institute hat vor kurzem beschlossen, sie praktisch zu unterstützen. Dazu hat es Oberst MICHAEL H. COHEN verpflichtet, der als Navigator in der Air Force seine militärische Karriere durchlief und nun ein Spezialprogramm für die Armee entwickelt hat. Das vorgeschlagene Programm ist äusserst vielfältig. Es reicht vom einfachen Gebetsbuch, das zur Verfügung gestellt wird, über die Informationsschrift über den Schabbat und die Festtage bis zur Schaffung einer eigentlichen Gemeinde mit Verteilung von Tefillin, Kursen über das Judentum, Weiterbildung für die "Lay Leaders" usw. Aufgrund der grossen Abgelegenheit mancher Stützpunkte sind die jüdischen Soldaten und ihre dort lebenden Familien isoliert, manchmal gar ganz ohne Kontakt zu einer jüdischen Gemeinschaft. Neben den Kultgegenständen und jüdischem Lehrmaterial schickt das Aleph Institute Rabbiner in die Stützpunkte, ganz egal wo diese liegen. Das Aleph Institute steht in direktem Kontakt mit allen amerikanischen Militärstützpunkten überall in der Welt, ob dieser nun in Guam, in Deutschland oder innerhalb der Vereinigten Staaten liegt. Er schickt ihnen regelmässig seine Informationsbulletins und die Einladung zu, seine Programme zu besuchen. Als wir uns verabschiedeten, sagte uns Oberst Michael H. Cohen: "Wir wollen diesen Soldaten die Möglichkeit geben, Juden zu werden, die aufgrund guter Kenntnisse stolz auf ihr Judentum sind und ihren Stolz auch in Handlungen umwandeln können, indem sie die Thora studieren und die Mitzwoth durchführen. Unsere Programme stehen der gesamten Armee offen, und unser innigster Wunsch ist es, die jüdischen Soldaten nach allen unseren Kräften zu unterstützen."

DAS ALEPH INSTITUTE UND DIE VIDEOPRODUKTION

Zu den erzieherischen Tätigkeiten des Aleph Institute gehört auch die Videoproduktionsgesellschaft "Higher Authority Productions", eine unabhängige Organisation ohne Gewinnzweck. Diese Produktionsgesellschaft hat sich auf jüdische Themen, wie beispielsweise die Herstellung von Werbematerial für Schulen, das Fund Raising oder die Vorstellung jüdischer Organisationen oder philanthropischer Gesellschaften spezialisiert und möchte damit eine bedeutende Lücke schliessen. Es trifft zwar zu, dass im Fernsehmilieu zahlreiche sehr einflussreiche jüdische Persönlichkeiten tätig sind, doch in der Regel betrifft dies nur das sogenannte Unterhaltungsfernsehen. Leider interessieren sie sich überhaupt nicht für die Herstellung von Lehrmaterial, dank dem das Wissen und die jüdische Identität verstärkt werden sollen. Aus diesem Grund sind die Gemeindeprogramme meist schlecht und nicht besonders attraktiv. Um dieser Situation Abhilfe zu schaffen, produziert und vertreibt die "Higher Authority Production" unter der Leitung von JERRY LEVINE, einem erfahrenen Profi der Fernsehproduktion, moderne, spannende und interessante Videos mit einer Dauer von 8 bis 10 Minuten, die sich eingehend mit allen Themen des Judentums auseinandersetzen.


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