News Neueste Ausgabe Befragung: Resultate Suchen Archiv Français English Русский עברית Español


Inhaltsangabe Reportage Frühling 1997 - Pessach 5757

Editorial - April 1997
    • Editorial

Chanukkah 5757
    • Ein kleines Licht genügt

Politik
    • Die Flucht nach vorne

Interview
    • Gespräch mit S.E. Arnold D. Koller

Aktuell
    • Wer profitierte vom Völkermord der Nazis ?
    • Begegnung mit S.E. Alfonse M. D'Amato
    • Das Gesetz ist wichtiger als Gesten

Judäa - Samaria - Gaza
    • Zwischen Hammer und Amboss
    • Maale Adumim

Kunst und Kultur
    • Die Bodmer Haggadah
    • Schlicht und Ergreifend
    • Jüdische Scherenschnitte

Reportage
    • Prag und Jerusalem
    • Das jüdische Leben in der Tschechischen Republik
    • Das jüdische Museum Prag
    • Terezin - Das Vorzimmer von Auschwitz

Portrait
    • Das magische Paar

Schicksal
    • Von Nedjo nach Princeton

Ethik und Judentum
    • Technologie und menschlisches Eingreifen

Artikel per E-mail senden...
Das jüdische Leben in der Tschechischen Republik

Von Roland S. Süssmann
Das jüdische Leben in der jungen Tschechischen Republik kann sowohl als sehr vielschichtig als auch als interessant bezeichnet werden. Obschon die Gemeindeinstitutionen über eine solide Struktur verfügen, entwickelt sich das tschechische Judentum nicht in einem starren Rahmen. Seit der berühmten "Samtrevolution" enthüllen - oder entdecken - nämlich immer mehr Menschen, die in einer vollständigen Anonymität lebten oder über ihre eigentliche Herkunft überhaupt nichts wussten, nach und nach ihre jüdische Identität. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es völlig unmöglich vorauszusehen, wie sich dieses Phänomen weiterentwickeln wird. Als bekanntestes Beispiel kann der neue amerikanische Staatssekretär, Madeleine Albright, angeführt werden, die erst vor kurzem von ihrer jüdischen Abstammung und der Vernichtung ihrer Familie in den Todeslagern erfahren hat. Die eigentliche Zahl der in der Tschechischen Republik lebenden Juden schwankt überdies je nach Schätzung. Ungefähr 3000 Personen gehören offiziell der jüdischen Gemeinde an, davon leben ungefähr die Hälfte in Prag. Wenn man all jene einbezieht, die privat einer jüdischen Organisation als Mitglied angeschlossen sind, ohne der Gemeinde anzugehören, kommt man auf ca. 6000 Menschen. Die genaue Zahl jedoch, die alle Personen umfasst, die in irgendeiner Weise jüdischer Herkunft oder Abstammung sind, bleibt weiterhin im Dunkeln. Viele von ihnen können nicht in die Gemeinde aufgenommen werden, da diese nur jene Menschen als Juden anerkennt, deren Identität den strengen Kriterien der Halacha entspricht. Dazu kommt die Tatsache, dass zahlreiche ausländische Juden, vor allem Amerikaner, nur für eine beschränkte Zeit in Prag leben und der Gemeinde daher nicht bekannt sind.


DAS GEISTIGE LEBEN

Um über die Entwicklung des geistigen Lebens der Juden in der Tschechei informiert zu werden, haben wir uns mit Oberrabbiner EFRAIM KAROL SIDON, von Prag und der Tschechischen Republik, dem ehemaligen Mitunterzeichner der berühmten Charta 77 und dem persönlichen Freund von Präsident Vaclav Havel, unterhalten.


Können Sie uns in wenigen Worten das religiöse Leben in Ihrem Land beschreiben ?

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Tschechoslowakei bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine Epoche der starken Assimilierung und des Liberalismus durchmachte, die ihre Entsprechung in der Toleranz der Tschechen fand. Die Schoah stellte nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistige und intellektuelle Vernichtung dar. Das kommunistische Regime hat natürlich nicht zur Entfaltung der Spiritualität oder gar zur Verfestigung der jüdischen Identität beigetragen. Dies bedeutet konkret, dass die Arbeit noch vor uns liegt, dass wir etwas aufbauen müssen, was in diesem Land noch nie existiert hat. Zunächst muss einmal die Einstellung der Gemeinschaft von Grund auf verändert werden, da ihr Hauptaugenmerk vor allem auf die Vergangenheit gerichtet war. Es stimmt, dass wir nach der Revolution zahlreiche Friedhöfe und Gebäude geerbt haben und dass viel Geld in die Instandsetzung dieser Immobilien gesteckt werden musste. Allmählich hat sich diese Veränderung der Einstellung ganz langsam vollzogen und ist überdies immer noch im Gange, doch es ist uns in der Zwischenzeit gelungen, einen jüdischen Kindergarten zu eröffnen, der heute von 18 Kindern besucht wird und je zur Hälfte von der Gemeinde und der Lauder Stiftung finanziert wird. Ausserdem haben wir in Zusammenarbeit mit verschiedenen jüdischen Organisationen und der Jewish Agency ein Zentrum für die Gemeinde und für jüdische Studien eingerichtet. Ich verhandle gegenwärtig mit dem Touro College in den USA, um eine Schule zu gründen, in der Studenten aus ganz Osteuropa zu Lehrern des Judentums und zu Jugendarbeitern für diese Länder ausgebildet werden können. Ich bin kürzlich mit dem Präsidenten der jüdischen Gemeinschaften von Weissrussland zusammengetroffen, der mir beschrieb, wie schwer das jüdische Leben dort ist, vor allem auf der Ebene der Spiritualität und der Erziehung. Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass gut ausgebildete junge jüdische Führungskräfte Mangelware sind und dass eine zentrale Managementschule für jüdische Kaderleute in den osteuropäischen Staaten sehr wichtig wäre. Ein derartiges Projekt kann jedoch nur mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland und einer technischen Ausbildung aus Israel erfolgreich durchgeführt werden. Mittel- und langfristig gesehen bin ich recht optimistisch, denn wir verfügen hier über ein enormes Potential; es liegt nun an uns, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Zum nächsten Schuljahresbeginn werden wir eine erste Primarklasse eröffnen. Die meisten dort angemeldeten Schüler (12) kommen aus Familien, in denen die Eltern noch nicht Mitglieder der Gemeinde sind. Wir werden auch mit einem anderen grossen Problem konfrontiert: zahlreiche, aus Russland stammende junge Juden gelangen aus unterschiedlichen Gründen nach Prag. Wir verfügen über keine rechte Aufnahmestruktur für sie, einige von ihnen reisen nach Deutschland, in die USA oder nach Israel weiter, doch andere bleiben hier und landen irgendwann bei der Mafia. Es gäbe von vielen dramatischen Fällen zu berichten.


Es ist allgemein bekannt, dass Sie die berühmte Charta 77 damals mitunterzeichnet haben und dass sie mit Präsident Vaclav Havel befreundet sind. Wie sieht Ihre Beziehung zu ihm aus ?

Wir gehörten einer kleinen Gruppe von dissidenten Studenten an, die sich hauptsächlich aus Schriftstellern zusammensetzte. Ich war Drehbuchautor und habe auch einige Bücher geschrieben, die später verfilmt wurden. Wir haben damals beschlossen, eine Form der intellektuellen Kontinuität zu schaffen und haben heimlich verbotene Bücher, die man "Samisdat" nannte, übersetzt und gedruckt. Zu Beginn handelte es sich um eine Aktion mit rein erzieherischem und kulturellem Ziel, doch allmählich wurde daraus unter der geistigen Führung von Vaclav Havel eine politische Bewegung. Heute hält man Vaclav Havel in der Regel für einen Schriftsteller, der mit der Zeit zum Politiker wurde. Doch dies trifft nicht zu, er war schom immer politisch aktiv. Im Hinblick auf unsere Beziehungen muss ich betonen, dass wir zwei völlig verschiedene Wege eingeschlagen haben: er ist Politiker, ich bin Rabbiner. Wir sprechen ab und zu miteinander und sehen uns einmal pro Jahr. Ich muss sagen, dass er den Juden sehr nahe steht, er hat uns zu dem Zeitpunkt sehr geholfen, als die Wiedererlangung der beschlagnahmten Liegenschaften aktuell wurde. Wir pflegen positive, jedoch nur sporadische Kontakte.


DIE VEREINIGUNG DER JÜDISCHEN GEMEINDEN DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK

Diese Vereinigung, deren Generalsekretär THOMAS KRAUS uns sehr herzlich empfing, umfasst als Dachorganisation die zehn jüdischen Gemeinden, die heute in der Tschechischen Republik noch bestehen, sowie sämtliche jüdische Organisationen wie den Bnei Brith, die Jugendorganisationen, Beit Praha (vielseitige Organisation für Freizeit und Religion) usw. Dadurch kann sie sich für alle jüdischen Interessen bei den nationalen und städtischen Behörden, bei ausländischen Vertretungen oder im Rahmen der Aktivitäten internationaler jüdischer Organisationen einsetzen, wie z.B. beim Jüdischen Kongress usw. Für die Gestaltung des täglichen Gemeindelebens ist jede Gemeinde allein zuständig.


Es scheint, dass in der Tschechischen Republik mehr als sonstwo die Frage "Wer ist Jude" höchst aktuell ist. Weshalb ?

Zum besseren Verständnis dieses Phänomens muss man sich daran erinnern, dass in unserem Land die Schoah begonnen und hier die Deportationen am längesten gedauert haben, da das Lager Terezin erst am 8. Mai 1945 befreit wurde. Sofort nach der deutschen Invasion haben die Nazis all jene verhaftet, die "durch und durch" jüdisch waren. Im Dezember 1944 setzt eine zweite Deportationsphase ein, in deren Verlauf die Menschen, die gemischte Ehen eingegangen waren, sowie ihre Kinder verfolgt wurden. War beispielsweise in einem Paar der Vater Jude, wurde er zusammen mit seinen Kindern verhaftet. Da die Deutschen keine Zeit hatten, diese Kinder alle in die Todeslager zu schicken, stehen heute die Überlebenden und ihre Nachkommen, aber auch diejenigen, die nicht verschleppt wurden, und ihre Kinder vor der Frage, ob sie Juden sind oder nicht. Vor dem Zweiten Weltkrieg war die jüdische Gesellschaft der Tschechoslowakei ausserdem stark assimiliert, sehr liberal gewesen, die Zahl der gemischten Ehen war sehr hoch. Die langen Jahre des Kommunismus nach dem Krieg haben die Leute natürlich auch nicht dazu ermutigt, sich als Juden zu offenbaren.


Sie sprechen von den Deportationen und von den tschechischen Überlebenden der Schoah. Viele von ihnen wurden während der deutschen Besatzung enteignet. Wie steht es heute um die Wiedererlangung dieses Eigentums ? Befasst sich Ihre Organisation aktiv mit dieser Frage ?

Es ist eine heikle Angelegenheit, um die wir uns seit 1990 kümmern. Es stellen sich eigentlich zwei Probleme: einerseits die Wiedererlangung jüdischer Grundstücke für Einzelpersonen und die Gemeinden, andererseits die Erarbeitung eines Systems der Wiedergutmachung durch die Deutschen. Diese Frage ist direkt mit der tschechisch-deutschen Erklärung verbunden. Im Hinblick auf die Zurückforderung jüdischer Immobilien unternehmen wir seit 1990 die dazu notwendigen Schritte. Damals gaben uns die Behörden deutlich zu verstehen, sie hätten keineswegs die Absicht, sich mit diesem Problem zu befassen, da die politischen Angelegenheiten in bezug auf die Teilung der Tschechoslowakei im Vordergrund stünden. Wir haben bis zur Schaffung der Tschechischen Republik gewartet. 1994 legten wir einen dreiteiligen Gesetzesentwurf vor: die Rückerstattung der Immobilien an ihre Eigentümer, die Abtretung des Jüdischen Staatsmuseums, wie es zu der Zeit hiess, an die jüdische Gemeinschaft und schliesslich die Rückgabe der während des Krieges gestohlenen Liegenschaften an die Gemeinden. Der Entwurf wurde abgelehnt, doch wir haben sofort nach der Abstimmung den Premierminister getroffen, der uns versprach, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um diese drei Punkte zu erfüllen, auch wenn sie in keinem Gesetz festgehalten sind. Heute, zwei Jahre später, wurden die beiden ersten Forderungen unseres Projekts erfolgreich in die Wege geleitet, doch der dritte Punkt erweist sich sehr viel komplizierter. Wir haben Nachforschungen angestellt, um herauszufinden, welche Liegenschaften den jüdischen Gemeinschaften vor dem Zweiten Weltkrieg und zu Beginn der 50er Jahre gehörten. Es ist uns gelungen, eine Liste mit ca. tausend Immobilien aufzustellen, aus der wir bestimmte Elemente gestrichen haben, da sie nicht mehr zurückgefordert werden konnten, wie z.B. Grundstücke, auf denen nach dem Krieg neue Gebäude errichtet worden waren. Schliesslich legten wir eine Auswahl mit zweihundert Objekten vor. Ungefähr hundert dieser Liegenschaften waren in den Besitz von Städten und Gemeinden übergegangen, welche die Rückerstattung verweigern, ca. dreissig wurden ganz einfach privatisiert und gehören heute grossen Gesellschaften, die sie nicht hergeben wollen. In dieser Hinsicht ist unsere Unzufriedenheit natürlich gross. Aufgrund der hohen Kosten des juristischen Verfahrens haben wir beschlossen, nur in zwei Fällen unsere Bemühungen fortzusetzen: wenn es sich um ein sehr bedeutendes historisches Gebäude oder um ein wertvolles Haus handelt.


Wie steht es um die deutschen Reparationszahlungen an die tschechischen Juden ?

Die Juden der Tschechischen Republik und der Slowakei hatten als einzige in der westlichen Welt kein Anrecht auf deutsche Wiedergutmachung. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und vor allem seit wir zu den westlichen Demokratien gehören, besteht kein Grund mehr dazu, dass die hier lebenden Juden nicht von den deutschen Wiedergutmachungszahlungen profitieren. Wir sind an die deutschen Behörden herangetreten, die bereit zu sein scheinen, diese Frage zu untersuchen. In der Zwischenzeit werden die Überlebenden nicht jünger, täglich sterben einige von ihnen, und ihre Erben können natürlich keine Rechte geltend machen. Wir verfügen über keinerlei rechtliche Mittel, um diese finanzielle Unterstützung zu fordern, wir können das Problem nur ansprechen.


Beim Durchlesen der tschechisch-deutschen Erklärung kann man merkwürdigerweise feststellen, dass die Schoah oder die physische Vernichtung der jüdischen Gemeinden der Tschechei in keiner Weise direkt erwähnt werden. Wie stellen Sie sich dazu ?

Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung haben wir ein Communiqué herausgegeben, in dem wir die politische Tat guthiessen, dass zwei souveräne Staaten den Grundstein zu einer zukünftigen Zusammenarbeit und gemeinsamen Entwicklung zwischen Nachbarn legen. Wir haben jedoch hervorgehoben, dass wir im Hinblick auf die Vergangenheit das vollständige Fehlen jedes Hinweises auf die jüdischen Opfer des Nazi-Regimes bedauern. Es ist natürlich eine riesige Ungerechtigkeit, doch die Deutschen sind zu diesem Thema unnachgiebig geblieben. Sie haben es überdies erreicht, dass die Invasion der Tschechoslowakei auf die gleiche Stufe gestellt wird wie die Ausweisung der Sudetendeutschen ! Im Verlauf der Verhandlungen haben wir sowohl auf tschechischer als auch auf deutscher Seite Protest erhoben, um diese Häresie und Verfälschung der Geschichte zu vermeiden, jedoch ohne Erfolg. In Wirklichkeit ist die junge Tschechische Republik auf diese Erklärung angewiesen, damit ihre Integration in Europa erleichtert wird. Im Rahmen der Erklärung heisst es, dass ein gemeinsamer Kompensationsfonds für die Opfer geschaffen wird. Wir haben darum gebeten, in den Vorstand dieses Fonds aufgenommen zu werden und stellen die Forderung, dass gewisse Summen für Reparations- oder Kompensationszahlungen an Einzelne bereitgestellt werden. Diese Vereinbarung ist vor kurzem unterzeichnet worden, doch zur Zeit existiert der Fonds noch nicht, auch wenn die Zeit drängt, da jeden Tag weitere Überlebende sterben.


DIE JÜDISCHE GEMEINDE IN PRAG

Prag stellt die bedeutendste jüdische Gemeinschaft der Tschechischen Republik dar, ungefähr die Hälfte der tschechischen Juden wohnen in der Hauptstadt. Der Journalist, Herausgeber und Präsident der Gemeinde, der auf vier Jahre gewählte und seit einem Jahr sein Amt ausübende JIRI DANICEK, hat sich bereit erklärt, mit uns über das Leben der Gemeinschaft in Prag zu sprechen.


Können Sie uns kurz die Strukturen und den Aufbau des jüdischen Lebens in Prag erläutern ?

Unsere Gemeinde zählt heute 1400 Mitglieder, was einer bedeutenden Zunahme entspricht, da es zu Beginn der 90er Jahre weniger als tausend waren. Damals waren ca. 70% der Mitglieder über 70 Jahre alt, doch heute findet ein Wandel statt, da viele von ihnen heute gestorben sind. Die Tatsache, dass unsere Gemeinde nicht nur überlebt hat, sondern heute auch einen grossen Aufschwung erfährt, ist fast wie ein Wunder. Noch vor einigen Jahren sahen wir das völlige Verlöschen dieser Gemeinde innerhalb von zehn Jahren voraus. Die Gemeinde war stark überaltert, denn es darf nicht vergessen werden, dass die jungen Kräfte das Land bei der sowjetischen Invasion 1968 verlassen haben. Dank den politischen Veränderungen und dem Ende des staatlichen Antisemitismus hat sich unsere Lage verbessert. Heute wenden sich viele Tschechen, die sich unter dem ehemaligen Regime nicht als Juden zu erkennen geben wollten, allmählich uns zu, und ihre Kinder nehmen je nach Programmangebot an einigen unserer Aktivitäten teil.


Wie lauten Ihre Vorschläge ?

Unsere Arbeit findet vor allem auf sozialer Ebene statt. Viele unserer Mitglieder, oft Überlebende der Schoah, sind hochbetagt und verfügen nur über sehr knappe finanzielle Mittel. Wir geben ihnen zusätzlich, was sie für ihren Mindestlebensunterhalt brauchen, so dass sie ein bescheidenes Leben führen können. Wir haben ein Altersheim für alleinstehende, noch rüstige ältere Menschen gegründet, eine Art koschere Pension mit entsprechenden medizinischen Dienstleistungen und Personal für die Verrichtungen des Alltags. Wir planen auch die Eröffnung eines jüdischen Geriatriespitals, das teilweise von der Stiftung finanziert werden soll, die im Rahmen der tschechisch-deutschen Erklärung geschaffen wird. Wir haben bereits heute alle Schritte beim Aussenministerium unternommen. Neben den Sozialdiensten haben wir einige Lehrprogramme. Für die koschere Nahrung haben wir uns die Mitarbeit der Schochatim von Wien und Budapest gesichert; die Schächtung von Geflügel wird von jungen Schochatim vorgenommen, die ihren Beruf in Israel erlernt haben. Wir importieren verschiedene koschere Produkte, ausserdem gibt es im Gemeindezentrum eine koschere Kantine und seit kurzem im Stadtzenturm ein privates Restaurant unter der Aufsicht unseres Rabbinats. Wir veröffentlichen eine jüdische Monatszeitschrift "Ros Chodes" und besitzen einen jüdischen Verlag, "Sefer", der jüdische Bücher in tschechischer Sprache herausgibt. Alle unsere Aktivitäten haben drei Finanzierungsquellen: die Mieteinnahmen aus Gebäuden, die von den Nazis beschlagnahmt und uns jetzt zurückerstattet wurden, der Tourismus (Besichtigung jüdischer Stätten) und private Spenden, die allerdings nur einen geringen Teil unseres Budgets ausmachen.


Wie sehen Sie die Entwicklung Ihrer Gemeinschaft ?

Meiner Ansicht nach werden wir eine konstante, langsame und stetige Entwicklung erleben. Unsere neuen Mitglieder werden aus Tschechen, die sich als Juden bekennen wollen, aus Ausländern, die aus beruflichen Gründen für einige Jahre in Prag weilen, und aus Juden bestehen, die aus der ehemaligen UdSSR stammen und sich bereits hier niederlassen und mit uns Kontakt aufnehmen.

Contacts
Redaction: edition@shalom-magazine.com   |  Advertising: advert@shalom-magazine.com
Webmaster: webmaster@shalom-magazine.com

© S.A. 2004