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Inhaltsangabe Analyse Frühling 2007 - Pessach 5767

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Pessach 5767
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Analyse
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Vierzig Jahre danach

Professor Moshe Arens. Photo: Bethsabée Süssmann

Von Roland S. Süssmann
Mit dem Ende des Sechstagekriegs (5. - 11. Juni 1967) entstand im Nahen Osten sowohl militärisch als auch politisch eine ganz neue Situation. Israel nahm in der Welt ab sofort eine ganz neue Position ein und die Konsequenzen, die sich aus dem Ausgang dieses Konflikts ergaben, spielen noch heute eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des politischen Prozesses, der die Beziehungen zwischen Israel und der arabischen Welt prägt. Vierzig Jahre nach diesem Krieg wollten wir die politischen Auswirkungen in Vergangenheit und Gegenwart, insbesondere auf internationaler Ebene, besser verstehen, die sich aus dieser bedeutenden Episode unserer jüngeren Geschichte ergeben haben. Zu diesem Zweck haben wir uns an Professor MOSHE ARENS gewendet, der als israelischer Verteidigungsminister während des ersten Golfkriegs und ehemaliger israelischer Botschafter in Washington wirkte.

Das Pessach-Fest steht vor der Tür und am Sedertisch wird im Familienkreis traditionellerweise die Frage gestellt «Mah Nischtanah» - Was unterscheidet diese Nacht von den anderen Nächten? Und genau diese Frage richten wir nun an Sie, und zwar in Bezug auf den Status von Israel vor und nach dem Sechstagekrieg: Wodurch unterscheidet sich die neue Position Israels von der alten?

Der Sechstagekrieg hat einen grundlegenden Wandel in Bezug auf die Wahrnehmung Israels auf internationaler Ebene ausgelöst. Das Image des jüdischen Staates wandelte sich von demjenigen eines kleinen, unbedeutenden Landes zu jenem einer Macht, mit der man von nun an zu rechnen hat. Dies haben sowohl Washington als auch Moskau sofort begriffen. Plötzlich wurde klar, dass dieses kleine Land, jedenfalls aus militärischer Sicht, in Wirklichkeit eine sehr einflussreiche Macht darstellt. Dazu muss man sich erinnern, dass die USA unser Land seit seiner Gründung viel eher als lästige Bürde ansahen denn als eigentlichen Staat. Zum Zeitpunkt der Staatsgründung waren zahlreiche Analysten der CIA der Ansicht, er habe keinerlei Überlebenschancen. Darüber hinaus konnte diese «Belastung» nicht wirklich zur Verteidigung der amerikanischen und der westlichen Interessen beitragen, vor allem nicht im Kontext des Kalten Kriegs gegenüber der Sowjetunion. Dazu kam der Gedanke, dass die Unterstützung Israels ein ernsthaftes Hindernis bei der positiven Entwicklung der Beziehungen zur arabischen Welt darstellte, die aufgrund ihrer zahlreichen Bevölkerung einen aussergewöhnlich lukrativen Markt bietet, sowie über Erdöl und unglaubliche Ressourcen verfügt.
Nach dem Sechstagekrieg begann Washington Israel als einen Trumpf anzusehen, während Moskau es eher als eventuelles feindliches Element im Nahen Osten betrachtete. Vergessen wir nicht, dass beide Hauptstädte damals die Welt durch die Brille des Kalten Kriegs betrachteten. Seiher gilt Israel weltweit als eine Macht, die in der ersten Liga spielt.
Doch denken wir daran, dass die USA damals - unabhängig von ihrer Regierung - das Ausmass ihrer Unterstützung zugunsten Israels im Hinblick darauf berechneten, welche Schwierigkeiten dies ihnen in der arabischen Welt eintragen würde. Mit dem bekannten Ausgang des Sechstagekriegs 1967 hat sich das von Grund auf verändert, auch wenn diese Einstellung die amerikanische Position gegenüber Israel immer noch, wenn auch in weit geringerer Weise, beeinflusst. Diese Entwicklung kam in der Realität sehr deutlich zum Ausdruck. Dazu muss man nur die Einstellung der USA im Jahr 1967 mit derjenigen zum Zeitpunkt des Jomkippurkriegs 1973 vergleichen. Kurz vor dem Sechstagekrieg zögerten die USA, hatten gar grosse Vorbehalte. Ich denke an Abba Eban, der nach Washington reiste, um Präsident Johnson daran zu erinnern, dass die USA sich 1956 verpflichtet hatten, die freie Durchfahrt durch den Golf von Akaba zu garantieren, den Nasser gesperrt hatte. Eigenartigerweise antwortete der Präsident, die Verwaltung könne das Dokument nicht finden, auf dem diese amerikanische Garantie festgehalten worden war? 1973 liessen die USA bei Ausbruch der Feindseligkeiten Israel sofort ihre unbedingte Unterstützung zukommen, denn aus der Sicht Washingtons stellte Israel einen wichtigen Trumpf im Kalten Krieg dar. Wenn Israel diesen Krieg verloren oder ihn unter ungünstigen Bedingungen beendet hätte, wäre dies für Amerika einem Rückschlag gleichgekommen, den es um jeden Preis verhindern wollte.

Bei Kriegsende 1967 kontrollierte Israel den gesamten Sinai, Judäa, Samaria, Gaza und die Golanhöhen. Doch genau die Befreiung der jüdischen Gebiete von Judäa, Samaria und Gaza führte dazu, dass Israel von der internationalen Gesellschaft sozusagen geächtet wurde, gebrandmarkt als dominierender Staat mit einer Art Apartheid-System. Weshalb und wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?

Das Image von Israel in der Welt hat sich radikal verändert. Dieser kleine schwache Staat, der zugleich Sympathie und Mitleid hervorrief, hat sich in eine eigentliche Macht, ja in einen Unterdrücker verwandelt. Die arabische Welt, von Israel mehrfach geschlagen, ergriff die Gelegenheit und verwandelte die Bevölkerung der palästinensischen Araber in ein geknechtetes Volk. Zusammen mit dem Sieg "erbte" Israel in Judäa, Samaria und Gaza auch zahlreiche arabische Bürger, was weder im praktisch unbesiedelten Sinai noch auf den Golanhöhen der Fall gewesen war, wo ca. 10'000 Drusen lebten; letztere sind im Allgemeinen Israel gegenüber positiv eingestellt, wie dies auch auf die israelischen Drusen zutrifft, die uns gegenüber loyal sind. Israel besass also plötzlich eine bedeutende Bevölkerung, bestehend aus Leuten, die keine Staatsbürger waren und für die es eine Lösung zu finden galt, um die gegenseitigen Beziehungen zu normalisieren. Ich denke, dieses Problem wurde jahrelang ziemlich vernachlässigt.

Was hätte man unternehmen sollen?

Zunächst stellt sich die Frage, weshalb fast nichts unternommen wurde. Die Antwort darauf ist in knapper Form irgendwie in den Worten von Mosche Dayan enthalten: "Wir warten auf ein Telefongespräch aus Amman, um dieses Problem zu lösen". Doch dieser Anruf traf nie ein. Man beschränkte sich auf die Einstellung, die arabische Welt sei nach ihrer Niederlage bereit, mit Israel Frieden zu schliessen, und das Problem der palästinensischen Araber werde im Laufe der letzten Verhandlungen ebenfalls geregelt. Schliesslich gab König Hussein Judäa und Samaria einfach auf und liess dieses Problem links liegen. Doch die Illusion Israels, dass «unser grosser Sieg automatisch zum Frieden führt», erwies sich als völlig falsch, da die arabische Welt seit der Konferenz von Khartum zwei Slogans in Umlauf brachte: keine Verhandlungen - kein Frieden mit Israel. Die Botschaft war also eindeutig. Nun möchte man wissen, wieso Israel sich nicht ernsthaft mit dem Problem auseinandersetzte. In der Politik besagt eine alte Theorie, dass man sich zunächst um die dringenden Angelegenheiten kümmert und dann erst um die wichtigen. Die Zeit drängte ja nicht: die Bevölkerung machte keinerlei Schwierigkeiten, es gab noch keine Intifada und auch keinen anderen objektiven Grund, die Dinge in die Hand zu nehmen, was sich nachträglich natürlich als Irrtum herausstellte. Darüber hinaus waren Menachem Begin und einige Mitglieder seiner Regierung der Meinung, Judäa, Samaria und Gaza seien ein fester Bestandteil Israels und würden irgendwann ins Land integriert.

Aber warum wurden diese Regionen nie annektiert?

Begin schreckte wohl davor zurück, weil er befürchtete, der lokalen Bevölkerung die israelische Staatsbürgerschaft gewähren zu müssen, was die demografischen Gegebenheiten drastisch verändert hätte. Ausserdem kam anlässlich der Friedensverhandlungen mit Ägypten die Frage der palästinensischen Araber natürlich wieder aufs Tapet, und ab diesem Zeitpunkt war Begin in gewisser Weise gezwungen, eine Lösung zu finden. Da entstand die berühmte Idee der «legitimen Rechte der Palästinenser», parallel zu den Autonomievorschlägen. Nach den Abkommen von Camp David gab es daher keine legale Möglichkeit mehr, Judäa-Samaria und Gaza zu annektieren.

Weshalb hat er nicht darauf bestanden, dass Ägypten Gaza übernimmt?

Ich glaube nicht, dass Sadat dies akzeptiert hätte, denn er gedachte auch im Namen der palästinensischen arabischen Bevölkerung zu verhandeln, und er hat die Vorschläge betreffend die Autonomie in gewisser Weise in ihrem Namen akzeptiert. Darüber hinaus war Begin ein Mann mit Prinzipien und sehr doktrinär. In seinen Augen verkörperte die Region - das Palästina des britischen Mandats, d.h. die gesamte Westbank und Gaza - das Land Israel, und es war ihm einfach unmöglich, einen Verzicht auf diese Gebiete in Betracht zu ziehen. Er hätte nie in eine Abtretung eines Teils oder der Gesamtheit von Gaza eingewilligt. Als sich die Verhandlungen mit Ägypten ihrem Ende näherten, wären sie übrigens fast gescheitert, weil Begin die Präsenz der Uno-Blauhelme ablehnte.

Sie sagen, dass die Frage der palästinensischen arabischen Bevölkerung lange Zeit vernachlässigt wurde. Glauben Sie denn, dass man das Problem insgesamt richtig angegangen hat?

Keinesfalls. Als die erste Intifada ausbrach, war Itzchak Rabin Verteidigungsminister und verhielt sich in dieser Krise sehr ungeschickt. Dadurch geriet die Angelegenheit natürlich weltweit in die Schlagzeilen und Israel stand plötzlich unter sehr starkem internationalem Druck, mit der PLO zu verhandeln. Damals war aber die Regierung der nationalen Einheit unter Itzchak Schamir, der auch Itzchak Rabin angehörte, entschlossen, nicht mit der PLO zu verhandeln. Der Hauptgrund für die Weigerung Israels, mit der PLO Gespräche zu führen, war nicht die Tatsache, dass es sich um eine Terrororganisation handelt, was als Begründung an sich schon ausgereicht hätte, sondern der Fakt, dass die PLO angeblich die «palästinensische Diaspora» vertrat, d.h. alle in Jordanien, Syrien und Libanon lebenden palästinensischen Araber, insgesamt 4 Millionen Menschen, für welche die PLO das Recht auf Rückkehr einforderte. Wir waren durchaus bereit, mit den Vertretern der in Judäa, Samaria und Gaza lebenden arabischen Einwohner zu reden, jedoch nicht mit jenen aus den Nachbarländern. Doch Itzchak Rabin änderte seine Meinung in genau diesem Punkt, und nach seinem Wahlsieg beschloss er, zunächst widerwillig, danach mit vollem Einverständnis, die PLO als Gesprächspartner zu akzeptieren. Man weiss bis heute nicht, aus welchen Gründen er so gehandelt hat. Möglicherweise stand er zu einem gewissen Zeitpunkt vor einer vollendeten Tatsache oder kam aus irgendeinem Grund zum Schluss, die PLO sei der richtige Verhandlungspartner. Erinnern wir uns daran, dass die Osloer Gespräche von Schimon Peres und seinem Team im Geheimen geführt wurden, während die offiziellen Verhandlungen zwischen den israelischen Vertretern und einer jordanisch-palästinensischen Abordnung in Washington stattfanden. Diese Diskussionen stellten eigentlich die Fortsetzung der Madrider Konferenz dar. Die Osloer Abkommen haben letztendlich in keiner Weise zur Verbesserung des Images von Israel als "Unterdrückerstaat" beigetragen. Heute sind immer mehr Menschen der Ansicht, diese Abkommen seien ein schwerer Fehler gewesen und man habe Arafat niemals aus Tunis zurückkommen lassen dürfen.

Vergleicht man die Karte der Region, wie sie kurz nach dem Sechstagekrieg aussah, mit derjenigen von heute, stellt man fest, dass Israel eigentlich die meisten Gebiete abgetreten hat, die es während des arabischen Angriffs von 1967 erobert hatte: den Sinai, Gaza und die am dichtesten besiedelten Regionen von Judäa und Samaria. Trotz allem zeigt sich die Gegenseite keinesfalls gewillt, mit Israel zu koexistieren, ganz zu schweigen von einem friedlichen Zusammenleben. Waren diese territorialen Zugeständnisse Ihrer Ansicht nach gerechtfertigt?

Nach dem einseitigen Rückzug aus Gaza haben alle endlich begriffen, dass der Konflikt mit den palästinensischen Arabern nicht territorialer Natur ist, sondern dass es das Existenzrecht des Staates Israel ist, das einfach nicht akzeptiert wird. Die Fakten sprechen übrigens für sich. Nach den ersten Zugeständnissen, die den Verzicht auf sieben Städte in Judäa und Samaria umfassten, brach die zweite Intifada aus. Nach dem Rückzug aus Gusch Katif und der Zerstörung von 24 jüdischen Dörfern wurde mit überwältigender Mehrheit die Hamas gewählt. Viele Menschen in Israel wollten an die Zauberformel "Gebiete gegen Frieden" glauben, meinetwegen glauben auch einige palästinensische Araber daran. Laut einigen Quellen soll auch Abu Mazen dazugehören, obwohl er sich nie eindeutig geäussert hat, an welche Gebiete er dabei genau denkt.

Vierzig Jahre nach dem Krieg von 1967 wird Jerusalem, die Hauptstadt Israels und des jüdischen Volkes, von der internationalen Gemeinschaft immer noch nicht als solche anerkannt, keine einzige Botschaft hat sich hier niedergelassen. Wie erklären Sie sich dies?

Ich schätze, dass hier die israelische Diplomatie versagt hat. Das eigentliche Problem ist in Amerika zu suchen. Solange die USA keine Botschaft in Jerusalem besitzen, wird sich kein anderes Land dazu entschliessen. Die USA betonen aber offiziell, dass sie sich durch die Resolutionen der Uno von 1947 gebunden fühlen, kraft denen Jerusalem als internationale Region gilt: folglich anerkennen sie Jerusalem nicht als Teil des Staates Israel. Meines Erachtens wird diese Position heute von den USA nicht mehr offiziell vertreten, obwohl eigentlich genau das der Fall ist. Irgendwann hat der amerikanische Kongress ein Gesetz verabschiedet, das besagt, dass die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegt werden sollte, wobei die endgültige Entscheidung über den geeigneten Zeitpunkt vom Präsidenten gefällt werden muss. Jedes Jahr wird dieser erneut gefragt, ob er eine derartige Entwicklung als günstig für die amerikanischen Interessen ansehe. Doch bis heute haben alle Präsidenten, einschliesslich G.W. Bush, der ein grosser Freund von Israel ist, erklärt, eine solche Geste würde eine Beleidigung gegenüber den arabischen Staaten darstellen und würde daher den Friedensprozess beeinträchtigen. Die ganze Angelegenheit ist im Grunde ziemlich merkwürdig, denn alle hohen amerikanischen Politiker reisen nach Jerusalem, um den Premierminister zu treffen. Als ich noch Botschafter in Washington war, bemühte ich mich darum, den Transfer der amerikanischen Botschaft zu bewirken, die Gespräche verliefen sehr positiv. Leider haben einige unserer Premierminister später dem jeweiligen amerikanischen Präsidenten gesagt, die ganze Sache sei eigentlich ziemlich unwichtig. Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, schuld an der noch ausstehenden Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt seien letztendlich die Israelis.

Wie wird Ihrer Meinung nach die weitere Entwicklung der Situation Israels gegenüber der arabischen Welt verlaufen?

Es ist unmöglich, auf diese Frage zu antworten, ohne dabei den letzten Krieg gegen Libanon zu erwähnen, der in meinen Augen mit einer Niederlage für Israel endete. Man muss sich klar machen, dass durch die Beendigung eines Krieges ohne die Unterzeichnung der totalen Kapitulation durch eine der Parteien das Konzept von Sieg und Niederlage ausschliesslich von der Wahrnehmung abhängt. Doch Israel war weder 1967, noch 1973 oder 2006 in der Lage, die arabische Welt zur bedingungslosen Kapitulation zu zwingen. Nach drei Wochen des harten Kampfes standen die israelischen Streitkräfte übrigens 1973 mit solider Basis 100 km vor Kairo und 40 km vor Damaskus. Damals baten Ägypten und Syrien um den Waffenstillstand, weigerten sich aber zu kapitulieren. Heute wird dieser Krieg in den betroffenen Ländern wie ein Sieg angesehen. In Bezug auf den letzten Libanonkrieg herrscht die Ansicht vor, der Hisbollah habe den Krieg gewonnen, weil er am letzten Tag der Kampfhandlungen noch 250 Raketen auf Israel abfeuerte, während sich 1,25 Millionen Israelis in ihren Schutzräumen versteckten und ihre Häuser verlassen mussten. Die arabische Welt geht also davon aus, dass Nassrallah den Krieg gewonnen hat. Doch der Hisbollah ist nur deswegen nicht vollständig vernichtet worden, weil Israel diesen Krieg jenseits des gesunden Menschenverstands geführt hat. Die Regierung weigerte sich das zu tun, was sich als einzig mögliche Reaktion aufdrängte, nämlich eine umfassende Landoffensive zu starten. Für uns entspricht dies heute einem grossen Rückschritt, weil die arabischen Staaten, die seit dem Kippurkrieg vor einem Angriff gegen uns zurückschrecken, nun der Ansicht sind, es sei nicht mehr völlig unmöglich, Israel und seine Armee zu schlagen. Seit kurzem lässt übrigens Präsident Assad verlauten, dass er, wenn wir den Golan nicht zurückgeben, andere Optionen ins Auge fassen könnte, und zwar in direkter Zusammenarbeit mit Iran. Solche Töne hatten wir schon lange nicht mehr aus dem Mund eines arabischen Staatschefs gehört. Darüber hinaus hat der Ausgang des Libanonkriegs von 2006 die Hamas und die terroristischen Gruppierungen dazu ermutigt, ihre Tätigkeit fortzusetzen.

Wie schätzen Sie abschliessend die Position Israels vierzig Jahre nach dem Sechstagekrieg ein?

Israel verfügt trotz allem über militärische und wirtschaftliche Stärke. Wir gelten heute als kleine Wirtschaftsmacht, wovon wir 1967 meilenweit entfernt waren. Die Position Israels auf internationaler Ebene ist recht gut, denn die amtierende Regierung hat sich zu territorialen Zugeständnissen bereit erklärt, was Israel sofort beliebter macht. Auch die Beziehungen zu den USA sind solide und stabil, was uns für die Zukunft ermutigt, selbst wenn die US-Regierung bei den nächsten Wahlen das Lager wechseln sollte.


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