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Inhaltsangabe Judäa - Samaria - Gaza Frühling 1995 - Pessach 5755

Editorial - April 1995
    • Editorial

Pessach 5755
    • So einfach wie die Teilung des Roten Meeres

Interview
    • Die Abkommen von Oslo - Nichts als leere Worte
    • Den Hass bekämpfen

Politik
    • Die Kunst des Nullfortschritts

Analyse
    • Schürung des Judenhasses durch die arabische Presse
    • Wem gehört das Land ?

Judäa - Samaria - Gaza
    • Weder Frieden noch Sicherheit !

Kunst und Kultur
    • Prag - Eine lange jüdische Vergangenheit
    • Alice Halicka (1894-1975)
    • Wiederentdeckung des jüdischen Lvov
    • Ribak - Spiritualität und Künstlertum

Reportage
    • Beit Haschoah - Museum of Tolerance

Erziehung
    • Sich selbst sein

Ethik und Judentum
    • Das Schicksal der befruchteten Eizelle ?

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Weder Frieden noch Sicherheit !

Von Roland S. Süssmann
Vor etwas weniger als einem Jahr wurden anlässlich einer für Israel zutiefst erniedrigenden Zeremonie am 4. Mai 1994 die Abkommen von Kairo unterzeichnet, welche die Herrschaft der Terroristenorganisation PLO über die jüdischen Gebiete Gaza und Jericho offiziell und in aller Form einsetzten. Man muss sich darüber im klaren sein, dass dieses Abkommen eine absolut sinnlose Zerstückelung des Jordantals bewirkt. Betrachtet man nämlich die neue Topographie der Region genauer, fallen einige Ungereimtheiten auf.
Die kleine Stadt Jericho befindet sich ganz in den Händen der PLO-Terroristen. Die Juden besitzen das Zugangsrecht zur Synagoge Shalom al Israel und zu ihrer Jeschiwa, die beide von Stacheldraht umzäunt sind und von der Polizei der PLO bewacht werden. An der Nordausfahrt von Jericho und seiner unmittelbaren Umgebung (ein Flüchtlingslager im Norden, ein weiteres im Süden der Stadt) befindet sich ca. 2 km vor dem kleinen jüdischen Dorf Na'ama, das von 29 Familien bewohnt wird, der erste israelische Militärposten; weiter im Norden liegt in 2 km Entfernung der arabische Ort Auja, der von der PLO kontrolliert wird. Das ganze, autonom genannte Gebiet zählt folglich zwei arabische Enklaven, das Dorf Auja im Norden und die Stadt Jericho im Süden, wobei Na' ama vollständig zwischen diesen beiden Orten eingeklemmt ist. Heute leben 5000 Juden und ungefähr 30 000 Araber im Tal. Die meisten Araber stammen nicht aus dieser Gegend, sondern haben sich hier niedergelassen, um für grosse arabische Landbesitzer zu arbeiten, die vor allem in Sichem (Nablus) wohnen. Zum besseren Verständnis der Konsequenzen, Risiken, Gefahren und praktischen Auswirkungen bei der Verwirklichung der Abkommen vor Ort, sind wir zunächst nach Gaza gereist (siehe SHALOM Vol. XXI) und haben danach das Jordantal aufgesucht, wo wir mit DAVID ELHAYANI zusammengetroffen sind, dem Verantwortlichen des politischen Ausschusses des Regionalrates des Jordantals, der sich aus den Vertretern der 23 jüdischen Ortschaften der Gegend zusammensetzt.


Das Jordantal wurde unabhängig von der jeweils amtierenden Regierung immer als sehr wichtig angesehen, vor allem in strategischer Hinsicht. Analog zum Gazastreifen wurde Ihre Region in den Abkommen von Oslo und Kairo aufgeteilt und zerstückelt. Wie hat die lokale Bevölkerung auf diese Ereignisse reagiert ?

Ich möchte die Tatsache betonen, dass der grösste Teil der im Tal lebenden Menschen mit Ausnahme zweier Dörfer keine praktizierenden Juden sind und sich daher nicht aus ideologischen Überlegungen hier niedergelassen haben. Heute fühlen sie sich jedoch verraten! Niemand hatte nämlich zuvor daran gezweifelt, dass das Tal voll und ganz zu Israel gehört. Auf politischer Ebene herrschen hier geteilte Meinungen, da ca. 50% der Bevölkerung eher links stehen. Im Hinblick auf die Zukunft des Tales ist man sich jedoch einig, denn nur ganz wenige befürworten die Abkommen. Unser Ausschuss hat sich demnach offiziell weder für noch gegen die Abkommen von Oslo und Kairo ausgesprochen, da dies gar keinen Sinn macht, sondern setzt sich vielmehr für alles ein, was die Förderung und Verbesserung des Lebensstandards der Einwohner im Tal ermöglichen kann.


Die neue Topographie der Region erweist sich bei näherer Betrachtung als absolut absurd. Das jüdische Dorf Na'ama wird buchstäblich von zwei arabischen Ortschaften eingeklemmt und der Weiler Auja ist vollständig von Jericho abgeschnitten. Wie erklären Sie sich diese Situation ?

Der Schaden wurde so weit wie möglich in Grenzen gehalten. Zu Beginn machte Arafat enorme territoriale Ansprüche auf die Region geltend. Dank unserer Tätigkeit, dem Druck, den wir auf die Regierung ausüben konnten und dank Informationskampagnen usw. ist es uns gelungen, den grössten Teil des Tals und vor allem die Quellen zu retten, die unseren Wasserbedarf decken und unter die Kontrolle der PLO zu fallen drohten. Vergessen wir nicht, dass die Personen, welche die Verträge ausgehandelt haben, unsere Region nicht im geringsten kennen, sich nie an Ort und Stelle begeben haben und absichtlich die Tatsache ignorieren, dass hier Menschen leben. Alle haben völlig vergessen, dass das Jordantal den Sicherheitsgurt des jüdischen Staates darstellt ! Darüber hinaus besitzen die Verhandlungsspezialisten keinerlei realistische Vorstellung von den tiefgreifenden eigentlichen Zielen der arabischen Bevölkerung. Diese wurden in einem Interview am israelischen Fernsehen mit einem Einwohner von Jericho sehr deutlich ausgesprochen: Der Frieden ist an sich etwas Positives. Wenn es uns gelungen ist, Jericho zurückzuerlangen, werde ich bestimmt auch mein Land in Jaffa wieder erhalten. Sollte dies nicht der Fall sein, sind all diese Verträge wertlos und es wird keinen Frieden geben. Im Klartext: wir Araber müssen Grosspalästina schaffen, das vom Mittelmeer bis zum Iran reichen wird.


Haben Sie seit der Unterzeichnung der Abkommen eine veränderte Einstellung bei der arabischen Bevölkerung dieser Region bemerkt ?

Da es sich hauptsächlich um eine Agrarregion handelt, gehören die meisten Felder Juden, die arabische Arbeiter anstellen. Die Araber sind völlig "aus dem Häuschen". Sie sind der Meinung, unser endgültiger Abzug sei nur eine Frage der Zeit. Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die palästinensische Polizei im Gegensatz zu den öffentlichen Bekanntmachungen eine echte Streitkraft verkörpert, die mit Kalaschnikows bewaffnet ist, Kampfanzüge trägt und, vor allem, für die Sicherheit verantwortlich ist. Mit allen möglichen Mitteln wird die Stärke dieser Armee bewiesen, die somit für eine demonstrative Festigung der Macht der PLO sorgt, auch wenn in Wirklichkeit der Hamas sehr viel bedeutender ist. Tsahal wird der Zugang zu Jericho verboten. Diese Tatsachen führen dazu, dass wir bereits heute mit einem inoffiziellen palästinensischen Staat konfrontiert sind, was Israel keinesfalls akzeptieren kann, noch dazu, weil sich die PLO kaum auf die winzigen Gebiete von Gaza und Jericho beschränken wird.
Noch nie zählte man so viele Diebstähle von Autos, Material und Agrarprodukten. Sofort nach der Unterzeichnung der Abkommen von Kairo waren alle Telefonmasten im Jordantal umgestürzt worden, so dass die Region mehrere Tage ohne Telefon war.
Die Abkommen von Oslo und Kairo hatten zum Ziel, der Region zwei Dinge zu garantieren: Frieden und Sicherheit. Heute haben wir weder das eine noch das andere, ganz im Gegenteil ! Jericho war eine Touristenstadt, doch heute reist fast niemand mehr hierher. Der tägliche Kontakt, den wir zu den Einwohnern der Stadt pflegten, ist völlig abgebrochen. Wenn wir uns nach Jerusalem begeben müssen, stehen uns genau zwei Möglichkeiten zur Verfügung: die Strasse durch Jericho oder die Umfahrungsstrasse, eine schlechte, kaum oder gar nicht geteerte und nur unzulänglich beleuchtete Militärstrasse, auf welcher die Reise 45 Minuten länger dauert. Sie können sich vorstellen, was das für diejenigen unter uns bedeutet, die in Jerusalem arbeiten. Sie haben die Wahl zwischen den Gefahren, die beim Durchqueren der autonomen Zone unter der Kontrolle der PLO auf sie lauern, und der Verlängerung ihres Wegs (hin und zurück) um mindestens anderthalb Stunden.


Glauben Sie, dass sich die Situation der in dieser Region lebenden Araber seit der Unterzeichnung der Abkommen verbessert hat ?

Ich weiss, dass dies nicht der Fall ist. In Jericho selbst sieht die Lage ziemlich schlecht aus. Die Stadt zählt 13 000 Einwohner, zu denen später die von Israel befreiten Gefangenen kamen, in der Regel Mörder, Terroristen und sonstige Verbrecher. Für sie gibt es keine Arbeit, viele betteln und das Leben in Jericho ist sehr viel schwieriger geworden. Die Geheimpolizei der PLO hat ihre Finger überall im Spiel und nützt ihre Vormachtstellung schamlos aus. Mehrere hundert Araber arbeiten täglich bei uns auf dem Feld. Ihren Berichten zufolge haben die Abkommen der lokalen Bevölkerung mehr geschadet als genützt. Dazu kommt die Tatsache, dass die israelische Armee hier keine Terroristen mehr verfolgen darf, die sich daher in Jericho in Sicherheit fühlen. Die Stadt hat sich verändert... aber nicht zu ihren Gunsten.


Die konkreten Ergebnisse der Abkommen sind also alles andere als erfreulich. Hat dies zu einer Abwanderungsbewegung der jüdischen Bevölkerung des Jordantals an andere Orte im Innern Israels geführt ?

Interessanterweise konnten wir in den vergangenen Monaten eine Erhöhung der jüdischen Bevölkerung dieser Region um 9% beobachten. So sind beispielsweise 52 Familien, darunter 45 junge, aus dieser Region stammende Leute, die ihren Militärdienst abgeschlossen haben, hierher gezogen. Wir haben ihnen jede erforderliche Unterstützung angeboten und Arbeitsplätze für sie gefunden. Andererseits beschäftigen wir fast hundert Personen an den Grenzposten zu Jordanien, wobei die meisten an der Allenby-Brücke stationiert sind. Das Tal gilt in Israel immer mehr als ein sicherer Ort. Vor kurzem haben wir bei der Regierung um die Genehmigung ersucht, 50 neue Wohnungen für die Unterbringung von Neuankömmlingen zu bauen. Wir haben von der Regierung nicht nur die Genehmigung erhalten, sondern sogar die Finanzierung des gesamten Projekts. Seit der Machtergreifung der Regierung Rabin, welche das Jordantal für einen strategisch wichtigen Ort und äusserst wichtigen Sicherheitsstützpunkt hält, kommt dies zum allerersten Mal vor.


Vor einigen Monaten wurde mit Jordanien ein Friedensvertrag unterzeichnet. Welche konkreten Veränderungen hat dies für die Bewohner des Tals zur Folge ? Mussten Sie bereits Land abtreten oder Menschen evakuieren ?

In Bezug auf unsere Region, die zwischen dem Toten Meer und der Südspitze Galiläas liegt, überlässt Israel Jordanien überhaupt kein Territorium, da der Jordan die Grenze bildet. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die interessante Tatsache hinweisen, dass der Fluss in den Augen der Jordanier die Grenzlinie zwischen unseren beiden Ländern darstellt und sie kein drittes Land an dieser Grenze dulden würden. Wenn also Israel einen "Partner" herbeiziehen möchte, um diese Grenze gemeinsam zu verwalten, so ist dies SEIN Problem, da dies im Rahmen der Abkommen von Oslo geschähe, an denen Jordanien nicht beteiligt ist. Die Jordanier lehnen jeden Kontakt mit den Palästinensern ab, so dass beim Auftreten praktischer Probleme Israel als Vermittler zwischen Jordanien und den Palästinensern wirken muss. Die Abkommen von Kairo sahen vor, dass auch die Brückenübergänge von den Palästinensern kontrolliert würden. Bis heute existieren wegen der ablehnenden Haltung der Jordanier aber noch keine palästinensischen Wachhäuschen auf den Brücken. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Jordanier an einer Zusammenarbeit mit den jüdischen Einwohnern des Jordantals interessiert sind. Die Dinge müssen sich allmählich entwickeln, und gegenwärtig erleben wir keine bedeutenden konkreten Änderungen, es ist alles ziemlich beim alten geblieben. Vor Ort sind jedoch trotz allem kleine Entwicklungen wahrnehmbar. Vor der Eröffnung der Übergangsbrücken nach Jordanien (Allenby und Damia) war eine ganze, unmittelbar an den israelischen Ufern des Jordans gelegene landwirtschaftliche Zone nur schwierig zu bebauen, da die israelische Armee uns den Zugang ohne Militärbegleitung verwehrte. Heute können wir uns sofort nach Tagesanbruch, ohne jegliche Einschränkung dorthin begeben. Wir machen uns aber nichts vor. Die Zahl der israelischen Streitkräfte wurde an der jordanischen Grenze leicht reduziert, doch ungeachtet des unterzeichneten Friedensvertrags bleibt der Jordan doch ein Übergangspunkt für die arabischen Terroristen, die von Jordanien her eindringen.


Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Region, insbesondere im Rahmen des fortschreitenden "Friedensprozesses" ?

Obwohl das Tal als eine strategisch wichtige Gegend angesehen wird und sich einige kleinere Vorteile und eine Verbesserung unserer Situation daraus ergeben, sind unser Schicksal und unsere Zukunft eng mit der Entwicklung in Judäa und Samaria verbunden. Vergessen wir nicht, dass wir Samaria durchqueren müssen, wenn wir uns nach Tel Aviv oder ins Zentrum des Landes begeben. Wird die zweite Phase der Abkommen tatsächlich verwirklicht, wird Samaria in neun kleine autonome Zonen analog zu derjenigen von Jericho aufgeteilt. Wir wissen aber aus Erfahrung sehr wohl, was dies bedeutet. Diese Zonen mit einer dichten arabischen Bevölkerung werden für die israelische Armee nicht mehr zugänglich sein, so dass Diebe, Mörder oder arabische Terroristen nach Belieben ihrem verbrecherischem Tun in den jüdischen Städten und Dörfern nachgehen und sich ungestraft in die autonome Zone zurückziehen können. Israel selbst wird ihnen sozusagen ganz legal und offiziell Städte zum Untertauchen anbieten, wo sie in keiner Weise behelligt werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass man von der palästinensischen Polizei nichts erwarten darf. Zur Veranschaulichung der Situation ein typisches Beispiel: im vergangenen Januar wurde in Jerusalem ein Polizeiauto gestohlen. Zwei Wochen später hat man es wiedergefunden, mit einem palästinensischen Polizisten am Steuer... So sieht also die bedenkliche Zukunft aus, auf die wir gegenwärtig ohne grossen Optimismus zugehen. In diesem Moment sollte der gesamte Prozess eigentlich gestoppt werden. Israel müsste alle unterzeichneten Verträge unter Einbeziehung der Erfahrungen, die in den autonomen Zonen von Gaza und Jericho gemacht wurden, neu verhandeln. Im Rahmen der neuen Vereinbarungen müsste die Armee freie Hand und vor allem das Recht auf präventive Massnahmen und strafrechtliche Verfolgung in diesen Zonen erhalten. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass Israel nur über einen einzigen wirklichen Verhandlungspartner verfügt: es handelt sich dabei weder um die PLO noch den Hamas, sondern um die lokalen Honoratioren, die Vorsteher der arabischen Städte und Dörfer der Region, die das Zusammenleben und die Kooperation mit uns akzeptieren, die wir kennen und denen auch wir vertraut sind. Auch wenn die Zukunft nicht allzu rosig aussieht, hat uns doch die Erfahrung gezeigt, dass das Leben immer die Überhand gewinnt und sich jeweils als stärker erweist als fadenscheinige politische Abkommen.


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