Neues Leben für einen Weinberg

Yaacov Berg. Foto: Bethsabée Süssmann
Von Roland S. Süssmann
Auf unserer Reise durch die jüdischen Gebiete von Judäa und Samaria besuchten wir mehrmals Siedlungen und Dörfer, die erst seit sehr kurzer Zeit bestanden. Bei jedem Aufenthalt begegneten wir mutigen Männern und Frauen, die entschlossen waren, auf dem Land unserer Vorfahren eine solide Grundlage für jüdisches Leben zu schaffen. Heute möchten wir Ihnen nun einen anderen Aspekt dieses neuen Lebens in diesen Regionen präsentieren: den Weinbau.
Dazu sind wir nach Psagot gefahren - in dieser Gegend wurde nämlich bereits zur Epoche des Zweiten Tempels Wein angebaut. Gemäss einigen historischen Quellen wurde der aus Israel stammende Wein von den Römern besonders geschätzt, lange bevor Frankreich und Italien Massstäbe für guten Wein setzten.
Wir möchten Ihnen heute ermöglichen, diesen jung-alten Weinberg kennen zu lernen, und haben deswegen ein Gespräch mit YAACOV BERG geführt, dem Direktor der «Psagot Winery», des bedeutendsten Weinguts in dieser Region, das jährlich über 50'000 Flaschen verkauft.

Warum und auf welche Art haben Sie mit dem Weinbau begonnen?

Meine Familie ist in der Landwirtschaft tätig und wir bauten schon früher Trauben für den Verzehr an. Wegen ihrer guten Qualität wurden wir immer wieder angefragt, warum wir nicht Wein produzieren. Es ist aber allgemein bekannt, dass man aus Tafeltrauben keinen guten Wein macht. Deshalb haben wir umgesattelt und beschlossen, einen Versuch zu wagen und einen ersten Wein zu keltern, der ganz gut ankam.

Können Sie uns kurz erläutern, welche Ziele Sie mit der Herstellung von Wein in dieser Gegend anstreben?

Wir befinden uns hier, wie Sie wissen, in einer Region, in der seit Jahrhunderten Reben angebaut werden. Auch wenn man während einiger Zeit auf die Weinherstellung verzichtete, eignet sich der Boden immer noch ausgezeichnet für diese Art der Landwirtschaft. Unsere Reben liegen auf den Hügeln von Judäa, 25 km von Jerusalem entfernt, die meisten Rebstöcke stehen nur wenige Meter von unserem Weingut entfernt. Darüber hinaus wachsen die Reben auf einer idealen Höhe von 960 Metern ü. M. auf einem nährstoffreichen und gleichzeitig steinigen Boden. Da der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht rund 10 Grad beträgt (auch im Sommer), können die Trauben länger reifen und in der Beere selbst vielschichtigere Aromen entwickeln. Neben den Trauben, die wir in unserem eigenen Weinberg anbauen, verwenden wir auch den Ertrag der umliegenden Weingüter Dolev, Har Bracha und Matta (im Süden von Jerusalem). Wir möchten einen reichhaltigen und runden Wein für anspruchsvolle Gaumen produzieren. Dazu verbinden wir sehr alte sowie hochmoderne Techniken mit der Qualität des israelischen Terroirs. Auf diese Weise wollen wir ganz spezielle, qualitativ hochstehende Weine erzeugen, die überdies koscher sind. Dazu muss man wissen, dass unsere Weine in Fässern aus französischer Eiche (und zu einem geringen Anteil aus amerikanischer Eiche) in Kellern lagern, die bereits zur Zeit des Zweiten Tempels existierten und in denen wir eine Weinpresse aus dieser Epoche gefunden haben. Der Portwein reift in Fässern aus französischer Eiche, die jedoch draussen lagern.

Woran denken Sie genau, wenn Sie von speziellen Weinen und ausgezeichneter Qualität sprechen?

Ich glaube, unser Porto wird unseren Ansatz am besten veranschaulichen. Es handelt sich um einen sehr lieblichen Wein, dessen Süsse ausschliesslich auf dem natürlichen Zucker der Trauben beruht und keines zusätzlichen Zuckers bedarf. Für diesen Wein haben wir übrigens in Italien eine Goldmedaille gewonnen. Es liegt uns sehr am Herzen, einen Wein zu produzieren, der typisch für seine Herkunft und für die Besonderheit der Traube ist und aus einer weltweit einzigartigen Region stammt.

In welchem Jahr haben Sie Ihren ersten Wein auf den Markt gebracht?

Wir haben 2003 eine erste Auflage mit 4'500 Flaschen Cabernet Sauvignon und einer limitierten Menge von 700 Flaschen Porto lanciert. 2004 begannen wir unseren ersten Chardonnay zu kommerzialisieren, daneben auch einen Merlot. Und später, im Jahr 2005, präsentierten wir dann einen Wein namens , eine Assemblage aus 75% Cabernet und 25% Merlot, sowie einen Viognier, einen Rotwein von ganz eigenwilligem Charakter.

Wer kauft Ihren Wein?

Wir verkaufen grössere Mengen in Israel selbst, in Fachgeschäften und gastronomischen Restaurants. Man kauft unsere Weine übrigens nicht, um sie lange zu lagern oder reifen zu lassen, sondern wirklich zum sofortigen Genuss. Natürlich wären einige unserer Erzeugnisse in zwei Jahren noch besser, doch sie können schon heute getrunken werden. Wir exportieren viel in die USA, wo es eine orthodoxe Kundschaft gibt, die nur koscheren Wein trinkt.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Wir möchten uns nicht verzetteln, sondern lieber einige ausgewählte Traubensorten verwenden, um höchste Qualität zu gewährleisten. Unsere Auflagen sind daher sehr streng: Wir besitzen eine herrliche, gut ausgerüstete Produktionsanlage, hochklassige Rebsorten und ein ausgetüfteltes Vinifikationsverfahren. Wir bemühen uns natürlich nach Kräften, damit unser Wein durch seine Farbe, sein Bukett und seinen Geschmack so ansprechend wie möglich wird. Um dieses Ziel zu erreichen, verhandle ich gegenwärtig mit einem australischen Weinbauexperten, der sich bereit erklärt hat uns zu beraten.
Wir beabsichtigen, in unserer Region zusätzliche Reben zu erwerben und angesichts unseres gut geeigneten Bodens eventuell mit dem Anbau von Shiraz zu beginnen, obwohl diese Traube im Prinzip nur in Obergaliläa existiert.

Der Beruf des Winzers ist in Israel nicht sehr verbreitet. Gibt es eine Weinbauschule, haben Sie eine entsprechende Ausbildung genossen?

Früher tranken die Leute Wein, um sich zu betrinken und die Alltagsprobleme zu vergessen. Heute kann man dieses Ziel mit stärkerem Alkohol und allen möglichen Spirituosen erreichen. Das Weintrinken gehört heute einfach zu einem feinen Essen. Dies setzt sich in Israel allmählich durch, wo heute immer mehr Menschen ein wenig Wein trinken. Es besteht daher eine Nachfrage für Fachleute, im Land sind einige Ausbildungszentren entstanden. Ich persönlich habe einen Kurs absolviert, habe aber mein Fachwissen vor allem im Weinberg und durch Praktika auf Weingütern in aller Welt erworben.

Ihr Weingut liegt in Judäa, einem Gebiet, in dem die jüdische Präsenz durch die Politik regelmässig in Frage gestellt wird. Befürchten Sie nach der Ausweisung der Juden aus Gusch Katif nicht, eines Tages Ihr Lebenswerk auch aufgeben zu müssen?

So wie unsere Vorfahren nicht nach Israel gekommen sind, um wieder aus dem Land gejagt zu werden, haben wir all das, was Sie hier sehen, nicht aufgebaut und entwickelt, damit es irgendwann vernichtet wird. Ausserdem leben wir in einer sehr dicht besiedelten Region, deren Bevölkerung tagtäglich wächst. In diesem Punkt sind also sehr realistisch und optimistisch, ohne unser Misstrauen ganz abzulegen. Im Moment ist eine derartige Evakuierung aber nicht geplant.