Israel und Europa
Von Roland S. Süssmann
In der Ausgabe der «Jerusalem Post» vom 3. November 2004 schrieb Zalman Shoval, ehemaliger israelischer Botschafter in den USA, insbesondere Folgendes: «Ein zur internen Verwendung im Aussenministerium bestimmter Geheimbericht warnt davor, dass Israel und Europa sich bald als Kontrahenten gegenüberstehen werden, was dem jüdischen Staat sowohl politisch wie auch wirtschaftlich schweren Schaden zufügen kann.» Falls sich nach Aussage dieser vom Zentrum für politische Forschung des Ministeriums durchgeführten Studie der politische Einfluss Europas weiterhin verstärkt, könnte Israel mit der Zeit so stark isoliert werden, dass seine Souveränität und seine Legitimität als unabhängiger jüdischer Staat gefährdet wäre. Auf der Grundlage dieses Berichts unternimmt Zalman Shoval anschliessend eine sehr scharfsinnige Analyse, die er mit diesen Worten abschliesst: «Anstatt die Palästinenser zur Einstellung der Gewalt aufzufordern, kritisieren die EU-Aussenminister Israel, wenn es sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nimmt und seine Staatsbürger gegen den Terror schützt.» Diese doch eher pessimistische Sicht der Dinge hat uns veranlasst, S.E. ODED ERAN, den israelischen Botschafter bei der EU, in Brüssel aufzusuchen und mit ihm den tatsächlichen Zustand der Beziehungen zwischen Europa und Israel zu diskutieren.

Wir gehen davon aus, dass Sie, wie wir alle, den Bericht gesehen und gelesen haben. Was halten Sie davon?

Im Gegensatz zu dem, was Sie denken, habe ich nicht nur keine Kopie dieser Untersuchung erhalten, sondern wurde bei ihrer Ausarbeitung auch keineswegs zu Rate gezogen. Meine tägliche Erfahrung zeigt mir aber, dass die Schlussfolgerungen reichlich übertrieben sind und gegenwärtig nichts darauf hindeutet, dass unsere Beziehungen zu Europa auf einen schweren Konflikt zusteuern, der die Legitimität Israels in Frage stellen könnte. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen Europa und Israel seit Jahren sowohl auf historischer als auch auf ethnischer und religiöser Ebene immer wiederkehrenden, schweren Tiefschlägen unterworfen sind. In der neueren Geschichte Israels haben wir mindestens zwei dramatische Ereignisse mit den Europäern durchgemacht: das erste im Jahr 1967, als Israel einer existenziellen Bedrohung gegenüberstand und Frankreich den jüdischen Staat seinem Schicksal überliess; das zweite im Jahr 1973, wiederum in einem entscheidenden Moment, als das Überleben des Landes auf dem Spiel stand und Grossbritannien sich vom hebräischen Staat abwandte. In beiden Fällen haben die zwei Länder in dem Augenblick, da Israel mit der höchsten Bedrohung konfrontiert war, beschlossen, ein Embargo auf die Waffenverkäufe an Israel durchzusetzen, obwohl diese für seine Verteidigung und sein Überleben so dringend notwendig gewesen wären. Diese beiden schwer wiegenden Vorfälle bilden aber nur die Spitze des Eisbergs in der langen Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen und haben die Handlungs- und Denkweise Israels gegenüber Europa nachhaltig geprägt. Parallel dazu verfügen wir über ein ausgedehntes Beziehungsnetz mit Europa, sowohl in der Wirtschaft, als auch in Wissenschaft und Politik. Israel darf die Bedeutung des neuen Europas keinesfalls ignorieren, das allen Schwierigkeiten zum Trotz dabei ist, zum wirtschaftlichen Giganten zu werden, der uns geografisch näher ist als alle anderen Gemeinschaften. Vergessen wir nicht, dass der Nahe Osten zum direkten strategischen und politischen Umfeld Europas gehört. Es ist daher für beide Seiten wichtig, einen Dialog zu etablieren, dank dem sich ihre Beziehungen entwickeln und vertiefen können, dank dem das gegenseitige Verständnis verbessert und die Probleme infolge der politischen Divergenzen überwunden werden können. Ich glaube nicht, dass diese Ziele erreicht werden, indem man Brücken niederreisst, die diplomatischen Beziehungen abbricht oder wirtschaftliche Sanktionen einführt. Man darf nicht vergessen, dass Israel 50% der beteiligten Parteien im Nahostkonflikt verkörpert. Wenn also Europa bei der Lösung des Konflikts wirklich eine Rolle spielen möchte, muss es das Gespräch mit beiden Seiten aufnehmen können. Unternimmt Europa den einen oder anderen Schritt, die im Bericht erwähnt werden, verliert es die notwendige politische Basis, die ihm irgendeinen Einfluss in dieser Sache erlaubt hätte.

Der politische Graben zwischen den israelischen und den europäischen Positionen ist trotz allem recht tief. Wie sieht die Wirklichkeit aus?

Wir müssen uns der unterschiedlichen Ansichten in Bezug auf wesentliche Fragen des Konflikts bewusst sein. Zurzeit haben beide Parteien beschlossen, sich auf die drängenden Probleme zu konzentrieren, die sich aus dem Tod Arafats ergeben haben, wie beispielsweise die Stabilisierung der Wirtschaft in den von der PLO kontrollierten Zonen, die erforderlichen Reformen innerhalb der Administration der Palästinenserbehörde, sowie die Frage des einseitigen Rückzugs von Israel aus dem Gazastreifen. Was die nächste Etappe betrifft, um das Vokabular der berühmten Roadmap zu benutzen, wird es Sache der beiden direkt betroffenen Parteien sein, die Verhandlungen erfolgreich zu Ende zu führen. Die Rolle der externen Elemente wie z.B. der USA und Europas sollte sich darauf beschränken, Hilfestellung zu leisten oder als Vermittler zu dienen, aber keinesfalls ihre Sicht der Dinge betreffend das Endergebnis allfälliger Abkommen aufzuzwingen, die zwischen Israel und seinen Nachbarn abgeschlossen werden könnten.

Sie sagen, dass es darum geht «die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich aus den politischen Divergenzen ergeben». Wie kann dies Ihrer Meinung nach in die Realität umgesetzt werden?

Wir stehen kurz davor, ein Abkommen mit der EU abzuschliessen, eigentlich eine direkte Folge der EU-Erweiterung. Wegen der neuen Grenzen des «grossen Europas» gelten wir als einer der wichtigsten Staaten unter den sieben so genannten Nachbarn, mit denen Europa in Kürze Sonderverträge unterzeichnen wird. Laut den Bestimmungen in unserem Abkommen verpflichten sich die Europäische Union und Israel formell, einen vertieften politischen Dialog aufzunehmen, was bisher nicht der Fall war. Dazu gehören Themen wie der Antisemitismus, die Terrorbekämpfung und der Friedensprozess. Ein zweites Kapitel umfasst die Ausweitung der wirtschaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen und gemeindespezifischen Beziehungen zwischen den EU-Ländern und Israel. Der Ausbau des politischen Dialogs könnte durch die Schaffung bilateraler Diskussionsforen erfolgen, die sich mit den verschiedenen Aspekten des Konflikts und den Lösungsmöglichkeiten auseinandersetzen; auch auf ministerieller Ebene und in Bezug auf die Politik der diversen EU-Institutionen könnte eine Intensivierung des Dialogs angestrebt werden: im Ministerrat der Aussenminister, im Ausschuss für Politik und Sicherheit, zu dem die Botschafter der vertretenen Länder gehören, in den technischen Gruppen der EU, die von den Nahostproblemen betroffen sind usw. Was die Frage angeht, wie sich die unterschiedlichen Positionen aneinander annähern könnten, werde ich Sie vielleicht mit der Aussage überraschen, dass ein derartiger Schritt in meinen Augen nicht unbedingt notwendig ist. Schliesslich wollen wir ja keinen Friedensvertrag zwischen Israel und der EU abschliessen. Daher glaube ich, dass ein besseres Verständnis zwischen Europa und uns den wesentlichen Punkt ausmacht. Dieses Verständnis ist eine Grundvoraussetzung und bedeutet nicht, dass eine der beiden Parteien den Standpunkt der anderen unwiderruflich zu übernehmen hat. Ich betone diesen Aspekt bezüglich das «bessere gegenseitige Verständnis», denn wenn Europa als Vermittler auftreten möchte oder muss, darf dies keinesfalls dem Prozess oder einer der beiden Parteien schaden. Wenn Europa oder die USA eine endgültige Position beziehen und uns diese aufzuzwingen versuchen, wird jede Verhandlung unmöglich, da die Palästinenserbehörde keinen Grund mehr hat, uns anzuhören und unseren Standpunkt zu berücksichtigen. Wir erleben heute in Europa den Beginn eines Wandels. Ich denke dabei an einen wesentlichen Punkt, bei dem die Europäer unsere Position besser zu verstehen scheinen: es geht um die Rückkehr der Flüchtlinge. Sie haben eingesehen, dass das eigentliche Wesen Israels, nämlich die jüdische Eigenheit des Staates, auf gefährliche Weise verwässert wird, wenn das Prinzip der Rückkehr von Millionen von arabischen Flüchtlingen akzeptiert wird. Ich muss zugeben, dass unsere Ansichten über territoriale Fragen auseinander gehen. Die EU möchte, dass wir zu den Grenzen von 1967 zurückkehren, wenn es die beteiligten Parteien nicht anders entscheiden. Diese Haltung entspricht übrigens derjenigen der USA. In Bezug auf das Problem von Jerusalem haben sowohl Amerika als auch Europa verstanden, dass der Gedanke einer erneuten Teilung der Stadt sich nur negativ auf die Stimmung der lokalen Bevölkerung auswirken kann. All diese Aspekte zeigen, dass im Dialog neuerdings ein anderer Ton angeschlagen wird, weil man Lösungen zu finden hofft und nicht die Punkte in den Vordergrund stellen möchte, die uns entzweien. Beide Parteien bemühen sich in diesem Sinne. Ich möchte den Graben, der in Bezug auf zahlreiche Themen immer noch zwischen uns liegt, nicht schönreden oder unterschätzen, doch das Umfeld im Hinblick auf ein besseres gegenseitiges Verständnis erweist sich heute als günstiger als noch vor zwei oder drei Jahren.

Sie sagen, dass die Europäer den Standpunkt Israels in Bezug auf die Rückkehr der Flüchtlinge besser verstehen. Glauben Sie, dass dies auf die immer zahlreichere Präsenz von Arabern und Muslims in den europäischen Ländern und vor allem auf die Gefahren zurückzuführen ist, welche diese Menschen für die Demokratien darstellen?

Die neue demografische Situation und die Ereignisse vom 11. September tragen zu einem besseren Verständnis der israelischen Position in diesem Punkt bei. In gewisser Weise stärkt dies wohl auch den europäischen Standpunkt betreffend unsere Rückkehr zu den Grenzen von 1967. Sie sagen uns nämlich: «Wenn ihr Israelis auf die jüdische Eigenheit eures Staates besteht, ist uns nicht klar, wie ihr drei Millionen Palästinenser eingliedern wollt». Daraus folgt, dass der demografische Aspekt und die damit verbundene territoriale Frage die Grundlage für die Denkweise der Europäer in Bezug auf das Nahostproblem darstellen. Es besteht also kein Zweifel darüber, dass das neue demografische Umfeld in Europa nicht nur zu positiveren Überlegungen uns betreffend führt, sondern auch zu einer Verstärkung des Kampfs gegen den Antisemitismus beiträgt. Ein Grund dafür ist in erster Linie die Tatsache, dass in Europa heute viele judenfeindliche Taten von Muslims verübt werden. Dies ist ein neues Element im europäischen Denken. Darüber hinaus haben die Terroranschläge in Spanien den Europäern in Erinnerung gerufen, dass wir gemeinsam gegen den Terrorismus kämpfen müssen, denn dieser richtet sich nicht nur gegen Israel und die USA.

Vor ihrem Beitritt zu EU verfolgten die neuen Mitgliedstaaten, insbesondere Polen, ziemlich konsequent die Linie der amerikanischen Nahostpolitik. Meinen Sie, dass sich da etwas ändern kann und dass diese Länder sich mit der Zeit nach der Politik Frankreichs oder anderer Ländern ausrichten, die für ihre pro-arabische Politik bekannt sind?

Man muss tatsächlich einräumen, dass viele neue EU-Mitglieder die israelischen Positionen viel besser verstehen als die europäischen Staaten vor der Erweiterung. Aus diesem Grund sind sie viel eher entschlossen und gewillt, den israelischen Standpunkt zu unterstützen. Diese Tatsache wird mir auch in Brüssel bewusst, wenn ich die Hauptstädte der neuen EU-Staaten besuche, wie beispielsweise Polen im November 2004. Diese Länder tragen nicht nur zu mehr Verständnis für die israelischen Positionen bei, sie übernehmen auch eine gewisse Funktion in Bezug auf die jüdischen Fragen im Allgemeinen, die sich oft überschneiden und die einzeln ebenso wichtig sind wie die Probleme, mit denen Israel direkt zu kämpfen hat.

Woran denken Sie genau, wenn Sie «jüdische Fragen im Allgemeinen» ansprechen?

In erster Linie an den Kampf gegen den Antisemitismus. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass wir in Bezug auf die Bewahrung des jüdischen Erbes in Europa eine enorme Verantwortung tragen. Es besteht nämlich die Gefahr, dass der unermessliche Beitrag der Juden zum Aufschwung Europas allmählich in Vergessenheit gerät. Die Erinnerung aufrechtzuerhalten und zu bewahren ist eine wichtige Aufgabe: wir können denjenigen, die während der Schoah in ganz Europa ermordet wurden, keine grössere Ehre erweisen und ihnen kein schöneres Denkmal errichten. Diese Botschaft scheint von den neuen EU-Mitgliedstaaten besonders gut verstanden worden zu sein. Die lebendige Bewahrung dieser Erinnerung stellt ebenfalls eine Form des Kampfes gegen den Antisemitismus dar. Daher muss eine Art konzertiertes Vorgehen geschaffen werden, das Israel, die jüdischen Gemeinden in Europa und die europäischen Länder umfasst.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel geben?

Die Tatsache, dass der jüdische Beitrag zum Aufschwung des einen oder anderen europäischen Landes mit der Zeit aus dem kollektiven Gedächtnis schwindet, kann überall in Europa beobachtet werden. Doch ich möchte auf Polen zurückkommen, wo während 800 Jahren dreieinhalb Millionen Juden gelebt haben und wo Tausende von ihnen zur wissenschaftlichen, kulturellen, medizinischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beigetragen haben. Heute wissen nur sehr wenige junge Europäer noch Bescheid über diese jüdische Beteiligung. Diese Fakten haben sich so zu sagen mit der Schoah in Luft aufgelöst. Wir sollten uns ernsthaft darum bemühen, dass dieser Teil der Erinnerung wiederhergestellt wird. Dazu gibt es natürlich herkömmliche Methoden, wie jüdische Museen oder Gedenkstätten, welche die Öffentlichkeit informieren, doch dies reicht bei weitem nicht aus. Dieses Wissen muss in ganz Europa in den Geschichtsunterricht an den Schulen integriert werden. Israel trägt die Verantwortung und muss sich vergewissern, dass solche Schritte wirklich unternommen werden. Im oben erwähnten Spezialabkommen, das wir mit der EU in Bezug auf die europäische Politik mit ihren Nachbarstaaten abgeschlossen haben, gibt es einen Absatz betreffend die Zusammenarbeit im Bildungsbereich. In diesem Rahmen haben nun wir Israelis die Möglichkeit, etwas zu unternehmen, damit der riesige jüdische Beitrag niemals vergessen wird. Ich meinerseits bin der Ansicht, dass wir damit den Opfern der Schoah ein Mindestmass an Ehre erweisen können.

Immer häufiger ist von der Möglichkeit die Rede, dass die EU Wirtschafts­sanktionen gegenüber Israel verhängt. Die aus den jüdischen Gebieten von Judäa-Samaria-Gaza stammenden Produkte sind bereits irgendwie als «infam» abgestempelt, denn sie werden speziell bezeichnet. Droht wirklich die Gefahr, dass israelische Erzeugnisse in Europa boykottiert werden?

Langfristig handelt es sich hierbei um ein schwer wiegendes Problem. Ich glaube nicht, dass eine offizielle Organisation in Europa eine Politik des wirtschaftlichen Boykotts gegenüber Israel beschliessen könnte. Eine derartige Entscheidung wird möglicherweise in Bezug auf den Iran gefällt, wo keine Transparenz herrscht und wo offen eine sehr aggressive und gefährliche Politik verfolgt wird. Israel hingegen, das sich nach Kräften um Friedensverhandlungen mit einem für alle Parteien befriedigenden Ergebnis bemüht, kann normalerweise nicht auf diese Weise bedroht werden. Dabei muss man sich allerdings in Erinnerung rufen, dass eine Reihe von Ländern, welche die Regeln des internationalen Rechts und der Menschenrechte unverfroren verletzen, nicht bedrängt wird. Ausserdem komme ich auf meinen ganz zu Beginn erwähnten Gedanken zurück, der besagte, dass Europa, wenn es im Nahen Osten als vollwertiger Gesprächspartner anerkannt werden möchte, es sich nicht erlauben kann, derartige Massnahmen gegen Israel zu verhängen. Dadurch würde es seine Glaubwürdigkeit verlieren und nicht mehr angehört werden. Und schliesslich ist Israel der grösste Importeur von europäischen Waren im Nahen Osten. Es gibt jedoch einige private Initiativen in diese Richtung und wir tun alles in unserer Macht Stehende, um eine Beeinträchtigung der israelischen Exporte zu vermeiden. Zum Glück ist ein offizieller Boykott durch die EU äusserst unwahrscheinlich.

Sie geben an, dass Israel der grösste Handelspartner der EU im Nahen Osten ist. Dies scheint erstaunlich angesichts der Kaufkraft der Erdölstaaten. Wie erklären Sie sich dies?

Wir sind eine moderne Wirtschaft mit einer hoch entwickelten Industrie, deren Bedarf an Maschinen, Werkzeugen und Rohstoffen aus Europa gross ist. Die Lebensqualität und der Lebensstandard in Israel sind sehr hoch, was uns zu einem nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftsfaktor macht. Ausserdem beteiligen wir uns an zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprogrammen in Europa, einschliesslich im Bereich der Finanzierung.

Sind Sie der Ansicht, dass Deutschland innerhalb Europas aufgrund der Verbrechen, die das Land dem jüdischen Volk zugefügt hat, besonders dazu verpflichtet ist, Israel zu unterstützen?

Ich pflege ausgezeichnete Beziehungen zu meinen deutschen Kollegen, die als Botschafter in Brüssel tätig sind. Ich war oft in Deutschland, wo ich Amtskollegen getroffen und intensive Gespräche mit ihnen geführt habe. Die Vergangenheit ist in ihrem Denken sowie in ihrem Ansatz betreffend Israel und jüdische Fragen ständig präsent. Es ist mir kein Bedürfnis, ihnen ihre jüngste Geschichte in Erinnerung zu rufen, die eigentlich auch unsere Geschichte ist, aber ich denke, dass diese schreckliche Tragödie Spuren hinterlassen hat, deren Auswirkungen noch lange in unseren bilateralen Beziehungen zu spüren sein werden.

Wie sehen Sie neben dem Ausbau des politischen Dialogs die Entwicklung der Beziehungen zur EU?

Ich glaube, dass wir unsere Bemühungen in erster Linie auf die Ausweitung der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen ausrichten müssen. Dazu möchte ich in Erinnerung rufen, dass Israel zu dem sehr exklusiven kleinen Klub der Staaten gehört, die einen Beitrag zur Weltraumforschung auf demselben Niveau wie die europäischen Länder leisten können.

Ist es Ihrer Ansicht nach notwendig, dass Israel der EU beitritt?

Das ist ein sehr komplexes Problem. Ein Beitritt mag zunächst höchst attraktiv und «richtig» wirken. Beim näheren Hinsehen wird einem allerdings bewusst, dass dies eine Reihe von grundlegenden Problemen nach sich ziehen würde. Ich bin nicht überzeugt, dass ein Beitritt optimal wäre und Israel etwas bringen würde, ebenso wenig wie dem restlichen Europa. Aber auch abgesehen von dieser Option gibt es viele weitere Bereiche, in denen beide Parteien zusammenarbeiten und zu einem Aufschwung beitragen können, der für alle Beteiligten nur Vorteile birgt.