Arthur Szyk
Von Jennifer Breger*
Arthur Szyk ist allgemein für seine wunderbare Haggadah bekannt, deren erste Ausgabe 1940 erschien und die seither vielfach neu aufgelegt wurde. Doch Szyk war ein äusserst begabter Künstler, der auch zahlreiche Illustrationen und politische Karikaturen herstellte. Eine Ausstellung von Szyks illuminierten Manuskripten und Kartoons kann gegenwärtig im Spertus Museum in Chicago besichtigt werden. Geleitet wird die Ausstellung über das Leben und Werk von Arthur Szyk vom Kurator Rabbiner Irvin Ungar aus Kalifornien ; sie erinnert den Besucher an die Bedeutung von Szyk sowie an sein bemerkenswertes und vielseitiges künstlerisches Talent. Es wird geplant, die Ausstellung diesen Herbst in der Kongressbibliothek in Washington, aber auch in anderen Städten der Vereinigten Staaten zu zeigen.
Szyk wurde 1894 in Lodz, der Textilhauptstadt Polens, geboren. Seinem Vater gehörte eine Stoffabrik. Da Arthur ein sehr begabter Zeichner war, wurde sein Vater dazu überredet, ihn im Alter von 15 Jahren zum Kunststudium nach Paris zu schicken. Während diesen vier Jahren kam er zum ersten Mal mit der historischen Kunst der Illumination in Berührung, die später einen so bedeutenden Teil seines Lebenswerks ausmachen sollte. Er kehrte daraufhin nach Polen zurück und setzte sein Studium in Krakau fort. Seine enge Beziehung zu Israel entstand 1914 während einer Reise mit befreundeten Künstlern in dieses Land.
Aus Verbundenheit zu seiner Heimat kämpfte er als Offizier in den polnischen Streitkräften unter Pilsudski gegen die Bolschewiken und wurde später zum Verantwortlichen für die polnische Kunstpropaganda. Zu diesem Zeitpunkt änderte er seinen Namen von Schick zur polnischen phonetischen Schreibweise Szyk ab. Er verliess Polen im Jahr 1921 infolge des wachsenden Antisemitismus und weil er in Paris mit anderen Künstlern verkehren wollte. Er verbrachte dort zweieinhalb Jahre damit, eine 45 Seiten umfassende Illumination der „Statuten von Kalitz“ , der zusätzlichen Grundrechte der polnischen Juden, zu schaffen. Dieses Werk ähnelt stark einem mittelalterlichen Manuskript mit illuminierten Buchstaben, kräftigen leuchtenden Farben, Miniaturporträts und dekorativen Mustern und beinhaltet zahlreiche Hinweise auf die Beiträge, die polnische Juden im Verlauf der Jahrhunderte als Seeleute, Soldaten, Händler, Bäcker und Ärzte für Polen leisteten. Szyk schuf einzelne Blätter mit illuminiertem Text in sieben Sprachen (Polnisch, Englisch, Hebräisch, Jiddisch, Spanisch, Deutsch und Italienisch) sowie die lateinische und französische Version des Textes der Statuten. Szyk widmete das Werk Joseph Pilsudski, und eine limitierte Ausgabe dieses bemerkenswerten Manuskripts wurde 1931 in Paris herausgegeben.
Während seines Aufenthaltes in Paris arbeitete Szyk an mehreren Buchillustrationen, darunter auch an einem Buch Esther mit wunderschönen üppigen Illuminationen und einem französischen und hebräischen Text, der 1925 veröffentlicht wurde. Ein anderes Werk kam zwei Jahre später in einer limitierten Auflage heraus ; es handelt sich um „Le Puits de Jacob“ von Pierre Benoit, die Geschichte einer jüdischen Familie aus Konstantinopel, die sich in Israel niederlässt. Szyk arbeitet jahrelang als ausserordentlicher Buchillustrator und stellt Illustrationen für diverse Ausgaben von biblischen Texten, wie die Bücher Hiob und Ruth, und eine weitere Version des Buches Esther her, das nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Dazu kommen andere Bücher, wie Andersens Märchen, das Rubaiyat von Omar Khayyam und die Canterbury Tales von Chaucer.
Szyk begann in Paris an seiner illuminierten Haggadah zu arbeiten, und seine Illustrationen wurden stark von den zeitgenössischen Ereignissen Europas in den Jahren vor dem Holocaust und von den Parallelen zwischen den Ägyptern der biblischen Geschichte und den Nazis geprägt, obwohl er dazu überredet wurde, das Hakenkreuz von seinen Abbildungen der Ägypter und derjenigen des schlechten Sohnes zu entfernen, da die polnischen und tschechischen Verlage zu grosse Bedenken hatten. Das Werk behält dennoch seine ganze Kraft. Eine auf 250 Exemplare limitierte Luxusausgabe mit goldgeprägtem Ledereinband und Vorsatzblättern aus Seide wurde 1940 in London herausgegeben ; sie umfasste einen hebräischen und einen englischen Text sowie farbige Illustrationen auf doppelseitigem Pergament. Ein Rezensent in der Londoner „Times“ bezeichnete sie als „eines der schönsten Bücher, die von Menschenhand hergestellt worden sind“. Die erste Ausgabe wurde König George IV. von England übergeben, dem das Buch gewidmet ist. Für all jene, die diese Haggadah gewöhnlich in der Offsetdruckausgabe von Massada Press kennen, ist es eine aussergewöhnliche Erfahrung, die luxuriöse Originalausgabe mit ihrem vereinheitlichten Text und den Abbildungen zu sehen.
Szyk zog 1937 nach London, um die Herausgabe der Haggadah abzuschliessen und zu beaufsichtigen. Als die Deutschen 1939 Polen überfielen, führten das Zusammenspiel von Szyks politischen und künstlerischen Gefühlen und Fertigkeiten dazu, sein Talent mit Hilfe von Karikaturen, Satiren und Kartoons für den Krieg einzusetzen. Seine Karikaturen von Hitler, Mussolini, Hirohito und anderer Verantwortlicher der Nazi- und Achsenmächte waren äusserst kritisch. Szyks Zeichnungen waren dermassen effizient, dass Hitler einen Preis auf seinen Kopf aussetzte !
1940 wurde Szyk von der britischen Regierung und der polnischen Exilregierung angefragt, seine Kartoons nach Kanada und in die USA zu bringen, um für die Unterstützung der Alliierten zu werben. Nachdem er und seine Frau fünf Monate in Kanada geweilt hatten, zogen sie nach New York, und die Vereinigten Staaten wurden zu ihrer neuen Heimat. Da er seine Zeichnungen mit Feder und Tinte herstellte, wurde sein antifaschistisches Wirken durch täglich erscheinende Kartoons als auch auf Postern und Titelseiten weit verbreitet. Eleanor Roosevelt, die Frau des Präsidenten, nannte ihn eine „Ein-Mann-Armee“. Szyk verlor im Krieg ihm liebe Menschen. Seine Mutter wurde 1943 vom Ghetto in Lodz nach Maidanek überführt, wo sie zusammen mit ihrer treuen christlichen Dienerin, einer polnischen Bauersfrau, ermordet wurde.
Der grösste Teil der während des Krieges entstandenen Werke sind in zwei Büchern zusammengetragen und gedruckt worden. Das eine mit dem Titel „The New Order“ wurde im Sommer 1941 herausgegeben und in sehr grosser Auflage gedruckt. Es war das erste Buch in den USA, in dem Karikaturen zum 2. Weltkrieg gezeigt wurden. Das zweite, „Ink and Blood“ , war eine aufwendige Publikation in limitierter Auflage, die 1946 erschien und in Subskription verkauft wurde. Die Bilder haben ihre ganze Ausdruckskraft behalten.
Szyk empfindet sehr viel für das Land Israel und für seine neue Heimat Amerika ; diese Gefühle kommen in seinem künstlerischen Werk zum Ausdruck. Seine Beziehung zu Israel wurde 1914 durch seine Reise mit einer Gruppe von Künstlern nach Palästina vertieft. Sogar in seiner Haggadah widerspiegelt die Widmung seine starke Ablehnung gegenüber der Immigrationseinschränkungen nach Palästina und dem britischen Weissbuch.
Als im Mai 1948 der Staat Israel gegründet wurde, befasste sich Arthur Szyk sechs Monate lang mit seiner Unabhängigkeitserklärung. Die Verwendung des Tehillim-Verses „wer unter Tränen sät wird in Freude ernten“ gibt seinem Bild des jüdischen Volkes Ausdruck, das nach dem Holocaust im Land Israel wiedergeboren wird. Mit Darstellungen der „Chalutz“-Pioniere, der israelischen Soldaten, der biblischen Gestalten Moses, Aaron und Chur und der Einflechtung des Verses von Pirkei Avot „Wenn ich nicht für mich bin, wer wird für mich sein“ wird deutlich, dass Szyk von der Stärke und der Tatkraft der Juden überzeugt war. Das Werk beginnt mit dem „Schechiyanu“ und beinhaltet den Text der Unabhängigkeitserklärung in wunderschöner, mehrfarbiger hebräischer Schrift ; es ist durchdrungen von einem tiefen Wissen um die jüdische Geschichte und einem überzeugten „Ahavat Yisrael“.
Szyks empfand bereits grosse Bewunderung für Amerika als Nation der Freiheit, bevor er 1940 in diesem Land eintraf. Noch während seines Aufenthalts ins Paris schuf er eine Serie von 38 Miniaturen mit dem Titel „Washington und seine Epoche“ zur Erinnerung an den 200. Geburtstag dieses Mannes. Zu dieser Sammlung gehören Porträts von Washington als Soldat und Staatsmann, aber auch andere Persönlichkeiten, Jefferson und Paul Revere und europäische Befürworter der amerikanischen Revolution, wie beispielsweise Lafayette. Eingeschlossen waren ebenfalls Darstellungen berühmter Schlachtszenen und anderer historischer Ereignisse im Unabhängigkeitskampf Amerikas. Die Serie wurde 1931 in der französischen Ausstellung in Paris gezeigt.
Szyk erhielt 1948 die amerikanische Staatsbürgerschaft und machte New Canaan, Connecticut, zu seiner neuen Heimat. 1950 schuf er eine illuminierte amerikanische Unabhängigkeitserklärung, die als sein grösstes Werk gilt. Um den Text der Erklärung herum befindet sich ein Rand aus Flaggen aller Staaten und Territorien der Vereinigten Staaten ; jede ursprüngliche Kolonie wird mit ihrem Siegel aufgeführt und es gibt unzählige Abbildungen von Washington, dem Revolutionskrieg, eine Darstellung der Freiheitsglocke und anderer Schlüsselereignisse und Bilder der amerikanischen Geschichte.
Für die Shalom-Leser kann auf zwei besondere Beziehungen Szyks zur Schweiz hingewiesen werden. 1931 wurde er als Gast des Völkerbunds dazu eingeladen, den Abrüstungsverhandlungen als Beobachter beizuwohnen. Zusammen mit seiner Frau verbrachte er mehrere Monate in Genf. In dieser Zeit arbeitete er an einer Illumination des Völkerbundabkommens. Seine Werke wurden anlässlich einer Ausstellung im Musée d’Art et d’Histoire gezeigt.
Ausserdem schuf Szyk später eine wunderbare Illumination der Schweiz. Sie war Teil eines Projekts, das er nach dem 2. Weltkrieg in Angriff nahm, nämlich die Darstellung verschiedener Länder in der ganzen Welt. Das Werk heisst Serie der Vereinten Nationen und kam 1949 heraus, wobei die Illustrationen als Titelseiten für Briefmarkenalben dienen und durch die Einbeziehung von bedeutenden Szenen, Porträts und nationalen Symbolen die Geschichte jeder Nation visuell darstellen sollten.
Die Darstellung der Schweiz besteht aus einem Bild von Wilhelm Tell und seinem Sohn und zeigt die Wappen der 22 Kantone. Der Name des Landes wird in Französisch, Deutsch und Italienisch (sowie in Englisch) aufgeführt, als Zeichen für die nationale Vielfalt der Schweiz. Das Jahr 1291, in dem sich Uri, Schwyz und Unterwalden zusammenschlossen, wird hervorgehoben. Am unteren Rand stehen ein Handwerker und ein Bauer in traditioneller Tracht Seite an Seite neben der Schweizer Fahne.
Arthur Szyk starb 1951 an einem Herzanfall im Alter von erst 57 Jahren. Diese Ausstellung und ihr Katalog betonen, dass er ein bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts war und in einzigartiger Weise die mittelalterlichen Techniken der Illumination mit einer aussergewöhnlichen zeichnerischen Begabung verband, was in einer beeindruckenden Vilefalt von sozialen, politischen und vor allem jüdischen Themen zum Ausdruck kam.
Das Spertus Museum wurde 1968 im Stadtzentrum von Chicago gegründet und beherbergt die umfassendste Judaika-Sammlung des Mittleren Westens. Es gehört zum Spertus Institute of Jewish Studies, einem Institut für jüdische Studien, das Master- und Doktortitel verleiht, aber auch zur Asher Library, der einzigen umfassenden Bibliothek für jüdische Studien im Mittleren Westen. Seit 1994 vergibt das Museum im Zweijahresrhythmus einen prestigereichen und von den Medien stark beachteten Preis für zeitgenössische jüdische Kultgegenstände.

*Jennifer Breger ist von Oxford und der Hebräischen Universität in Jerusalem diplomiert. Sie ist Spezialistin für jüdische Bücher und Manuskripte. Sie lebt heute in Washington.