Judentum - Zionismus - Demokratie
Von Roland S. Süssmann
Die israelische Regierungskoalition setzt sich unter anderem aus neun Knessetabgeordneten der nationalreligiösen Partei "MAFDAL" zusammen. Nachdem der langjährige Parteichef und Erziehungsminister S.E. Zevulun Hammer szl. Anfang des Jahres verschieden ist, ist heute S.E. ITZCHAK LEVY infolge einer internen Wahl am 22. Februar 1998, die er mit 67% der Stimmen gewann, Parteichef geworden. Zur gleichen Zeit übernahm Levy anstelle des von ihm geführten Transportministeriums die Verantwortung für eines der wichtigsten Portefeuilles des Landes, das nationale Schulwesen.
Im Rahmen seiner neuen Funktionen hat Itzchak Levy sein erstes Interview mit dem Ausland den Lesern von SHALOM zugestanden.

Bevor wir das Thema Ihrer religiösen Ausbildung und Ihrer Partei anschneiden, möchten wir Ihnen einige Fragen zu Ihren Aktivitäten im Transportministerium stellen. Eines der grössten nationalen Probleme ist die hohe Zahl der Verkehrsunfälle. Was haben Sie konkret unternommen, um dieser Katastrophe Einhalt zu gebieten?

Wir haben verschiedene Programme mit dem Ziel ausgearbeitet, die Anzahl der Unfälle zu reduzieren. Wir haben bereits eine leichte Verbesserung feststellen können, da die tödlichen Unfälle in leichtem Rückgang begriffen sind. Ich hoffe, dass wir sie mit der Zeit um weitere 50% senken können. Es handelt sich um ein Problem, das nicht nur das Transportministerium beschäftigt, sondern die gesamte Regierung. Die Zahl der Verkehrsopfer liegt deutlich über der Anzahl Opfer, die wir in der Armee oder bei Terroranschlägen beklagen. Wir haben Programme zur Unfallverhütung für Erwachsene sowie Verkehrserziehungsprojekte für Kinder erstellt, die ich im Rahmen meiner neuen Funktionen gern weiterführen möchte. In meinen Augen ist es eine Frage der Erziehung, die man schon den ganz Kleinen beibringen muss, damit wir in einigen Jahren die Früchte unserer Arbeit ernten können.


Wenn man über die Strassen von Judäa-Samaria fährt, trifft man nicht selten auf rot-weisse Nummernschilder, die für die arabischen Persönlichkeiten (VIP) und PLO-Mitglieder reserviert sind. Glauben Sie, dass die Tatsache, dass PLO-Vertreter frei in Israel herumreisen können, eine Gefahrenquelle darstellt?

Die Vereinbarung betreffend diese Form des "uneingeschränkten" Verkehrs gehört zu den Abkommen, welche frühere Regierungen abgeschlossen haben und die wir respektieren wollen. Ich hoffe, es entsteht daraus keine zusätzliche Gefahrenquelle. Zur Zeit ist die Situation recht ruhig, es gibt demnach keinen Grund, diesen Teil der Abkommen abzuändern, und wir hegen auch gar nicht die Absicht dazu. Wir wissen jedoch nicht, was uns die Zukunft noch bescheren wird...


Welche Situation haben Sie vorgefunden, als Sie Ihren Ministerposten antraten und wie sehen Ihre Pläne für die kommenden zwei Jahre bis zu den nächsten Wahlen aus?

Zevulun Hammer szl. war während sehr langer Zeit Erziehungsminister gewesen, er war zu einem Spezialisten auf diesem Gebiet geworden und hat dem Schulwesen in Israel bedeutende Impulse verliehen. Leider hat seine krankheitsbedingte Abwesenheit im Rahmen des Ministeriums negative Auswirkungen gehabt, so dass sich einige Anpassungen als notwendig erwiesen. Ich treffe diesbezüglich ja nicht mit leeren Händen ein, ich plane verschiedene Projekte, die nicht nur im Schulwesen, sondern im ganzen Land grosse Fortschritte bewirken werden.


Welches sind Ihre wichtigsten Anliegen?

Die wichtigste und dringendste Frage betrifft die Schaffung eines Ausbildungsprogramms, das die verschiedenen, das Land zerreissenden Tendenzen einander annähern soll. Ich denke dabei insbesondere an die Streitpunkte zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen, Sephardim und Aschkenasim usw.Im Moment bin ich nicht der Ansicht, dass von einem rein erzieherischen Standpunkt aus alles unternommen wurde, um die Gemüter versöhnlich zu stimmen, die Annäherung der Herzen zu fördern, was wir auf Hebräisch "keruv lewawot" nennen.


Was können Sie konkret unternehmen?

Wir müssen zunächst mit einer Gruppe von Experten das Problem beleuchten, um ein Basisprogramm für alle Schulen zu erarbeiten, das auf drei Stützpfeilern beruhen soll: Judentum, Zionismus und Demokratie. In allen drei Bereichen werden an allen Schulen Einführungskurse vorgesehen, die später, wenn der Stoff bekannt ist, gelernt und begriffen wurde, nicht nur einen vereinenden Faktor zwischen den verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft bilden werden, sondern auch eine Vorgehensweise darstellen, die auf die Dauer die Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen uns reduzieren wird. Es ist daher von höchster Bedeutung, dass die Grundlagen des Judentums, des Zionismus und der Demokratie unseren Kindern schon sehr früh beigebracht werden.


Wann werden Sie mit diesen Programmen beginnen können?

Dies hängt davon ab, wie diese Ideen von den Lehrpersonen aufgenommen werden und ob die Eltern uns ihre Unterstützung geben. Es ist eigentlich eine Frage der allgemeinen Stimmung, doch wir setzen uns nach Kräften für das Gelingen dieses Projekts ein.


Eine der grossen Debatten betrifft gegenwärtig die Konvertierungen, welche die reformierten Bewegungen durchführen. Anerkennt Ihr Ministerium offiziell die reformierten Schulen in Israel?

Es gibt nur sehr wenige von diesen Instituten und sie stellen für uns kein Problem dar. Interessanterweise kann man feststellen, dass die Israelis von diesen Bewegungen und ihren Ideologien kaum angezogen werden. Sollte sich die Bewegung der reformierten Schulen in Israel ausdehnen, werden wir uns damit befassen, doch heute deutet nichts darauf hin, dass eine derartige Entwicklung stattfindet.


Sie wurden vor kurzem mit grossem Erfolg an die Spitze der religiösen Nationalpartei gewählt. Können Sie uns einige Worte über die Natur dieser Partei sagen?

Wir sind eine stark mit den jüdischen Werten, mit Eretz Israel und den Grundsätzen des zionistischen Ideals verbundene ideologische Partei. Unsere Anhänger sind auf der öffentlichen Bühne Israels sehr aktiv, da wir ihnen auf höchster Ebene begegnen, sei es in akademischen, militärischen und politischen Kreisen. Durch unser dynamisches Vorgehen sind wir eine Partei, die sich vielversprechend weiterentwickelt, sich auf die Zukunft ausrichtet und vor allem eine begeisterte und wertvolle Jugend anzieht. Dazu kommt die Tatsache, dass ein grosser Teil der israelischen Juden sich mit der leicht rechts ausgerichteten Ideologie unserer Partei identifiziert oder ihr zumindest nahesteht.


Welche Position nimmt sie im sogenannten "Friedensprozess" ein?

Wir gehen davon aus, dass man das Stadium der endgültigen Verhandlungen so rasch wie möglich erreichen muss, um eine umfassende Lösung, einen endgültigen Frieden zu finden. Vergessen wir nicht, dass es in den palästinensischen Autonomiezonen de facto bereits eine arabische Körperschaft gibt, welche die laufenden Angelegenheiten der Bevölkerung in diesen Gebieten verwaltet und eine sehr weitreichende Unabhängigkeit geniesst. Wir werden aber die Schaffung eines neuen arabischen Staates so dicht an unseren Grenzen nicht akzeptieren. Man muss sich im klaren sein, dass ein derartiger Staat eine enorme Gefahr darstellen würde, schon bereits durch die Tatsache, dass er über eine Armee verfügen und eine Reihe von Sicherheitsmassnahmen treffen würde, die Israel stark bedrohen.


Hat Ihre Partei eine obere Grenze festgelegt, nach deren Überschreitung sie den Premierminister nicht mehr unterstützen würde, falls dieser in bedeutende territoriale Abtretungen einwilligte?

Ja, aber ich möchte an dieser Stelle diese Grenzen nicht näher umreissen. Heute arbeiten wir Hand in Hand mit Benjamin Netanjahu zusammen und versuchen, in Zusammenarbeit mit ihm Fortschritte zu erzielen.


Israel wird seinen fünfzigsten Jahrestag feiern. Welches sind Ihrer Ansicht nach die grossen Herausforderungen der kommenden Jahre?

Die Alijah zu fördern (Immigration), Frieden zu schliessen und zu einem Staat zu werden, in dem die jüdischen, zionistischen Werte von einem echten Sinn beseelt sind. Ich bin der Meinung, dass diese drei Grundpfeiler die Basis der aktuellen und künftigen israelischen Kultur bilden müssen.