Optimismus und Realismus
Von Roland S. Süssmann
Die Regierung von Benjamin Netanyahu ist seit ca. zwei Jahren an der Macht. Der starke Mann in dieser Administration ist nebem dem Premierminister ganz ohne Zweifel General ARIEL SHARON, heute Minister für Infrastruktur. Diese epochemachende Figur, die mit ihren Taten die Geschichte und die Entwicklung der ersten fünfzig Jahre des hebräischen Staates nachhaltig geprägt hat, empfing uns mit grosser Herzlichkeit zu einem ganz exklusiven Gespräch, da Ariel Sharon sonst Journalisten keine Interviews gewährt.

Können Sie uns heute, da Israel sich anschickt sein fünfzigjähriges Bestehen zu feiern, in wenigen Worten die allgemeine Lage des Landes schildern?

Zu diesem Zweck möchte ich zwei vielsagende Zahlen miteinander vergleichen: Vor dreissig Jahren umfasste die jüdische Bevölkerung Israels 2,4 Millionen Einwohner; der hebräische Staat zählt heute ungefähr 6 Millionen, darunter fast 5 Millionen Juden. Vor dreissig Jahren erreichte der Export US$ 5 Milliarden, Ende 1997 beträgt er US$ 20 Milliarden. Diese Entwicklung ergibt sich hauptsächlich aus der massiven Einwanderung, die wir erlebt haben (eine Million Menschen trafen aus der ehemaligen UdSSR ein), und ich denke, dass das allererste Ziel des Staates Israel die Förderung der Alijah sein sollte. Um dieses Ziel zu erreichen und in einem Teil der europäischen und amerikanischen Juden den Wunsch zu wecken, sich in Israel niederzulassen, ist es von höchster Bedeutung, den Kindern eine jüdische Erziehung zu geben. Wenn ich über die Verteilung der Mittel entscheiden könnte, die heute überall in der Welt von Juden zusammengetragen werden, würde ich sie in ein einziges Anliegen investieren: die jüdische Erziehung, d.h. den jungen Juden der Diaspora sollte man die Möglichkeit geben, neben ihrem Allgemeinwissen auch grundlegende jüdische Kenntnisse zu erwerben, indem ihnen Hebräisch, die Bibel, die Geschichte des jüdischen Volkes und Israels usw. beigebracht würde. Daraus besteht die Garantie für das jüdische Volk, dass seine Bevölkerung auch in Zukunft jüdisch bleibt. Es ist sehr schwierig zu glauben, dass die Einwanderung nach Israel sich fortsetzen und entwickeln wird, wenn die jüdische Ausbildung nicht ernsthaft vorangetrieben wird. Anlässlich eines Besuchs in Russland konnte ich vor kurzem feststellen, dass die besten jüdischen Schulen ihren Schülern parallel zum sehr anspruchsvollen allgemeinen Unterricht eine tadellose jüdische Ausbildung verleiht. Das wichtigste Anliegen der Diaspora besteht vor allem in der Tatsache, dass die Juden wirklich Juden bleiben. Ich fühle mich meinerseits in erster Linie als Jude und bin als solcher der Ansicht, dass die Bewahrung unserer Identität mit Hilfe unseres Wissens über unser Kulturgut äusserst wichtig ist, und dies überall dort, wo unsere Glaubensbrüder leben. Was Israel anbetrifft, müssen wir die jüdische Erziehung ernsthaft abändern. Ein Grund für den Mangel an Glaube und Patriotismus eines Teils der jüdischen Bevölkerung Israels liegt in der Tatsache, dass ihre jüdischen Wurzeln nicht stark genug sind oder gar fehlen, was in den meisten Fällen durch das völlige Fehlen von Kenntnissen der Bibel, der Geschichte des jüdischen Volkes und des Landes Israel zum Ausdruck kommt. Diese Menschen fühlen sich dadurch in ihren nationalen Überzeugungen sehr verunsichert. Objektiv gesehen gibt es natürlich überhaupt keinen Grund, dass sich irgendwer in Israel unsicher fühlt. Es ist natürlich nicht möglich, das gesamte Ausbildungsprogramm auf einen Schlag umzukrempeln, es wird jedoch absolut notwendig sein, Schritt für Schritt mehr jüdische und zionistische Fächer in das System einzuführen.
Ich habe an den wichtigsten Ereignissen teilgenommen, welche die ersten fünfzig Jahre Israels prägten. Ich habe 28 Jahre lang in der Armee gedient, ich war während 20 Jahren Parlamentarier und in 17 Jahren Mitglied verschiedener Regierungen. Wenn ich so zurückblicke, kann ich bestätigen, dass wir der Zukunft trotz zahlreicher Probleme optimistisch entgegengehen können. Die Zukunft liegt in unseren Händen, alles hängt von uns, den Juden, ab.


In bezug auf die politische Situation drängt sich eine erste Frage auf. In den Interviews, die Sie uns im Verlauf der vergangenen acht Jahre gwährt haben, haben Sie immer betont, dass Sie Arafat für einen Kriegsverbrecher halten. Heute gehören Sie jedoch einer Regierung an, die mit ihm verhandelt. Welche Position nehmen Sie dabei ein?

Meine Meinung über Arafat hat sich nicht geändert. Man darf nicht vergessen, dass er persönlich den Befehl erteilte, Zivilpersonen, Frauen, Kinder und Greise zu ermorden. Es stimmt, dass ich dem gegenwärtigen politischen Prozess angehöre und Gespräche mit palästinensischen Verantwortlichen führe, ich bin aber Arafat nie begegnet und werde auch nie mit ihm zusammentreffen.


Benjamin Netanyahu spricht regelmässig von einer endgültigen Regelung. Glauben Sie, dass ein Ende des arabisch-israelischen Konflikts absehbar ist und dass die israelischen Positionen und diejenigen der in Judäa-Samaria-Gaza lebenden Araber in Kürze definitiv festgelegt werden können?

Es wäre natürlich phantastisch gewesen, wenn wir sofort eine endgültige und permanente Vereinbarung hätten erreichen können. So wie ich die Situation heute sehe, denke ich nicht, dass dies eintreffen wird, denn das Projekt ist viel zu kompliziert dazu. Für die Palästinenser sind die Osloer Abkommen von grosser Bedeutung, denn es ist das einzige Dokument, über das sie verfügen. Wir, die Juden, brauchen diese Art von Dokumenten nicht, wir haben die Bibel. Meiner Ansicht nach sind die Osloer Abkommen extrem gefährlich, sie wurden jedoch von einer israelischen Regierung unterzeichnet und sind von der gegenwärtigen Regierung gewissermassen "übernommen" worden. Es darf kein Zweifel darüber bestehen, dass die Osloer Abkommen durch ihre Terminologie Israel in die Grenzen zurückdrängen, die vor dem Sechstagekrieg bestanden und unmöglich zu verteidigen sind. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Abkommen benebelte die Illusion eines "Neuen Mittleren Ostens" die Geister, man träumte von einem Ort des Verständnisses und der Zusammenarbeit. Heute stehen wir tatsächlich in einem "Neuen Mittleren Osten", der sich zusammensetzt aus Syrien mit seinen tausend Cruise Missiles, aus Ägypten, wo diese Raketen gebaut werden, aus dem Iran, der Missiles mit einer Reichweite von 1200 km zu entwickeln versucht, und Irak, wo sofort nach der Beendigung der Inspektionen wieder Flugkörper konstruiert werden. Ja, wir befinden uns im "Neuen Mittleren Osten", demjenigen der ballistischen Raketen und der chemischen und biologischen Waffen. Aus all diesen Gründen können die Grenzen von vor 1967 unmöglich verteidigt werden. Für die Palästinenser mögen vielleicht die Osloer Abkommen wichtig sein, für uns besitzt die Zeit mehr Bedeutung. Wir brauchen Zeit um auszuprobieren, ob es möglich ist, unsere Beziehungen mit den Palästinensern aufzubauen und zu festigen. Aus dieser Perspektive heraus sollten wir nicht versuchen, das endgültige Ziel, d.h. den Frieden, anzustreben, sondern uns zunächst damit begnügen, eine Situation zu schaffen, die eine allmähliche Entwicklung unserer Beziehungen ermöglicht. Nach mehreren Begegnungen mit palästinensischen Verantwortlichen bin ich zum Schluss gekommen, dass wir im Moment das Endstadium nicht erreichen werden. Wir sollten demnach damit beginnen, einen Zustand ohne Krieg herbeizuführen, was bereits ein guter Anfang wäre.


Wie gedenken Sie Ihre Idee konkret zu verwirklichen?

In einer ersten Phase könnten wir den Zonen A (auf der Karte braun eingezeichnet) gestatten, untereinander so verbunden zu sein, dass die in diesen Regionen lebenden Menschen sich frei bewegen können, ohne jedesmal die israelischen Sicherheitsposten passieren zu müssen. Dieser Punkt ist für die palästinensischen Araber sehr wichtig. Dies bedeutet in der Tat, dass wir ihnen etwas mehr Gebiet abtreten müssen, das aber keinesfalls 40% des Territoriums von Westjordanien übersteigen dürfte. Wir würden auf diese Weise eine Art Kontinuität zwischen den verschiedenen Zonen herstellen, die sie in Judäa-Samaria bereits kontrollieren. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass Israel das Jordantal und die erste Hügelkette von Judäa-Samaria behält, die sogenannte östliche Sicherheitszone (West-Ost), die sich auf einer Breite von ca. 20 km vom Jordan ins Landesinnere erstreckt. In der Länge (Nord-Süd) folgt diese Zone der Strasse namens "Allon", die bereits existiert und vom Tal von Beth Schean bis nach Maale Adumim führt, sowie der neuen Strasse, die wir gegenwärtig bauen und die von Maale Adumim nach Arad in die Negev-Wüste führt. Die westliche Sicherheitszone besitzt eine durchschnittliche Breite von 7 km, wobei diese zwischen 3 und 10 km schwankt, sie folgt der Linie, die früher Grüne Linie genannt wurde. Auf diese Weise können wir die Hügel kontrollieren, welche die gesamte Mittelmeerküste und alle unterirdischen Wasserquellen dominieren, die in Wirklichkeit das Grundwasser der Berge darstellen. Dies würde die Palästinenser daran hindern, dieses Wasser umzuleiten. Die von mir beschriebenen Zonen müssen unter allen Umständen unter israelischer Kontrolle bleiben. Die wenigen arabischen Dörfer, die sich in den israelischen Sicherheitszonen befänden, wären der Verwaltung der palästinensischen Zonen angeschlossen, selbst wenn sie geografisch in einer von uns kontrollierten Region liegen.
Ich bin der Meinung, dass der Friedensprozess sich parallel auf zwei Ebenen, einer politischen und einer menschlichen, weiterentwickeln sollte. Die "politische" Ebene sollte sich mit Rückzugsphasen, Karten, Zonen usw. befassen, während der "menschliche" Weg der Entwicklung wirtschaftlicher, kultureller, humanitärer usw. Beziehungen gewidmet wäre. Dieser Zustand sollte einige Jahre lang beibehalten werden, bevor man die Situation beurteilen und feststellen könnte, ob die Beziehungen sich verändert haben. Diese Lösung macht den Arabern weniger Zugeständnisse, als sie es wünschen, doch in der jetzigen Phase des Prozesses ist es das Vernünftigste, was Israel machen könnte. Es handelt sich darum, die Zonen B (auf der Karte gelb eingezeichnet) in Zonen A umzuwandeln und eine Annäherung zwischen den autonomen Zonen zuzulassen, soweit dies unsere Sicherheitsanforderungen erlauben, so dass die Palästinenser frei leben könnten. Jede übereilte Herbeiführung einer endgültigen Regelung wird unvermeidlicherweise einige Monate nach ihrer Einführung einen heftigen Konflikt auslösen.


Befürchten Sie nicht, dass die PLO von der territorialen Kontinuität, die Sie ihr gäben, profitieren würde, um einen palästinensischen Staat auszurufen?

Ich fürchte leider, dass sie dies tun würde, ganz egal, ob wir ihr die Vorteile zugestehen oder nicht, von denen ich weiter oben sprach. Diese Frage ist äusserst komplex, denn ein solcher Staat könnte mit den Feinden Israels Allianzen eingehen oder auch eine beachtliche Streitkraft aufstellen. Wir sollten aber realistisch bleiben und davon ausgehen, dass dieser unabhängige Staat sich schrittweise entwickeln würde. Heute wird "Palästina" von über hundert Ländern anerkannt, und wenn sie der UNO ein Projekt für die Schaffung dieses Staates vorlegen würden, besässen sie eine grosse Mehrheit.


Ist diese Situation also unvermeidlich?

Israel dürfte es nicht akzeptieren, aber der palästinensische Staat ist dabei sich zu entwickeln, das sehen wir jeden Tag aufs Neue. Arafat nennt sich "Präsident", die Mitglieder seiner "Regierung" tragen die Bezeichnung "Minister" und die Geschäftsstellen der PLO heissen "Botschaften". Obwohl dies keinesfalls unseren Vereinbarungen entspricht, nimmt die Welt die Situation auf diese Weise wahr. Es ist unbedingt nötig, dass Israel die Palästinenser davor warnt, diesen Staat einseitig auszurufen, und der PLO eindeutig zu verstehen gibt, dass Israel in diesem Fall die Sicherheitszonen, die ich erwähnte, sofort annektieren würde. Doch selbst wenn Israel sich einverstanden erklärte, ein Abkommen zu unterzeichnen, in dessen Rahmen dieser Staat gegründet werden könnte, müsste die Tatsache betont werden, dass dieser neue Staat nicht berechtigt ist, Allianzen abzuschliessen und mit den Feinden Israels militärisch zusammenzuarbeiten. Was würde geschehen, wenn eines Tages iranische Helikopter in Judäa-Samaria landeten? Israel müsste sich, unter anderem, das Recht vorbehalten, diese Zonen zu überfliegen. Auch ohne von einem hypothetischen Abkommen auszugehen, kraft dessen Israel letztendlich gezwungen wäre, die Schaffung eines palästinensischen Staates zu akzeptieren, muss Israel ab heute sehr viel strenger auf die Einhaltung der Osloer Abkommen achten. In diesen wurde beispielsweise festgehalten, dass die palästinensische Behörde berechtigt ist, über eine Polizei zu verfügen ; heute sind diese Streitkräfte zu eigentlichen Militäreinheiten geworden, deren Zahl nahezu doppelt so hoch ist im Vergleich zu derjenigen, die ursprünglich vor den Abkommen bewilligt wurde, und die verbotene Waffen besitzen. Diese Situation ist einzig auf die Tatsache zurückzuführen, dass unsere Regierungen bei diesen Fragen nicht genug Entschlossenheit an den Tag legen. Darüber hinaus findet regelmässig ein illegaler Waffenhandel statt, so dass die Palästinenser insbesondere Zugang zu Panzerbekämpfungswaffen besitzen, die sie eigentlich nicht haben dürften. Wir wissen, dass ihre Armee in militärischen Kommandozonen organisiert ist und dass sie über unterirdische Kommandoposten verfügt. Diese Operationen haben zur Zeit der vorangehenden israelischen Regierungen begonnen und werden heute weitergeführt; falls diese Entwicklung sich fortsetzt, fürchte ich jedoch, dass Israel gegen seinen Willen gezwungen wäre unangenehme Massnahmen zu ergreifen. Falls schliesslich ein Staat entstünde, der von der ganzen Welt anerkannt würde, müsste Israel sich in einer Position befinden, wo es - ohne militärische Gewalt - durchsetzen kann, dass die Bewaffnung der PLO die in den Abkommen vorgesehenen Einschränkungen nicht überschreiten darf. Vor kurzem standen die Palästinenser nahe davor, Katyusha-Raketen zu erwerben und illegal einzuführen. Es ist ihnen nicht gelungen, doch sie unternehmen grosse Anstrengungen, um in die von ihnen kontrollierten Zonen in Judäa-Samaria und Gaza die tragbaren Raketenwerfer Stinger und Strela einzuführen, die mit denjenigen, die der Hisbollah und andere Terroristenorganisationen im Südlibanon verwendet, identisch sind.


Gehen wir davon aus, dass Ihr Plan angenommen und schliesslich verwirklicht wird; würden die Strassen, die Stromleitungen und die Wasserläufe vollständig unter israelischer Kontrolle verbleiben?

Selbstverständlich. Ausserdem werden sich an den Verbindungsstrassen zwischen den westlichen und östlichen Sicherheitszonen regelmässig von Israel kontrollierte Sicherheitsbereiche befinden. Ihre Breite schwankt je nach Beschaffenheit des Terrains, doch sie sollten ausreichend gross sein, damit eine Antipanzer-Rakete die Strasse nicht erreicht, d.h. sie müssten eine durchschnittliche Tiefe von drei bis vier Kilometern aufweisen. Was zählt ist die Tatsache, dass der Strassenverkehr keiner Gefahr ausgesetzt ist und weder von Antipanzer- noch von Antifahrzeug-Raketen bedroht werden kann. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die jüdischen Städte und Dörfer in Judäa-Samaria, die zu den 230 Ortschaften gehören, die ich in ganz Israel erbauen liess, gemäss dem Plan entworfen und erbaut wurden, den ich 1977 der israelischen Regierung vorlegte habe. Bereits damals sprach ich von Sicherheitszonen, Grundwasser usw.


Was sieht Ihr Plan für die Zone von Gaza vor?

Die jüdischen Städte und Dörfer, die auf drei Regionen verteilt sind, müssen natürlich bestehen bleiben und sich weiterentwickeln. Die erste, im Norden liegende Ortschaft ist von grundlegender Bedeutung, da sie hoch über Aschkelon, seinem Hafen, bedeutenden Stromwerken usw. liegt. Im Süden des Streifens stellt die Region von Katif (siehe Shalom Vol.XXI) die Pufferzone zwischen der Stadt Gaza und dem Sinai dar; sie darf keinesfalls aufgegeben werden. Und zuletzt spielt Netzarim gemäss den Osloer Abkommen eine besondere Rolle, denn Israel ist für die äussere Sicherheit der Zonen verantwortlich, die der palästinensischen Behörde unterstellt sind. Dies bedeutet im Klartext, dass wir für alles die Verantwortung tragen, was die Häfen, Flughäfen, Grenzen und Grenzübergänge betrifft, und Netzarim stellt unsere einzige Kontrollmöglichkeit über den künftigen Hafen von Gaza dar. In den unterzeichneten Abkommen wird als Standort für den Hafen von Gaza ein Ort westlich von Netzarim vorgesehen, der leicht und ohne Durchqueren von Ortschaften zugänglich ist. Die Palästinenser versuchen jedoch die Abkommen zu verletzen und einen Hafen in Gaza selbst zu bauen, was den Zugang für uns sehr schwer wenn nicht gar unmöglich machen würde. In Gaza sowie in Judäa-Samaria werden sämtliche jüdischen Siedlungen wegen ihrer strategischen Bedeutung beibehalten.


Werden Sie die Palästinenser daran hindern, ihren Hafen in Gaza selbst zu errichten?

Dieser Verhandlungspunkt ist sehr heikel und Israel muss sehr vorsichtig vorgehen. Folgendes Beispiel kann das Ausmass dieser Frage veranschaulichen: nehmen wir an, der Hafen exisitiere in Gaza gemäss den Vorstellungen der Palästinenser und ein französisches oder russisches Schiff liefere ihnen Panzer. Werden wir auf ein ausländisches Schiff schiessen können? Für uns geht es um Leben und Tod. Deshalb müssen wir darauf bestehen, dass dieser Hafen an der Stelle gebaut wird, wo Israel gemäss den Osloer Abkommen handeln kann. Die Inspektion des Hafens gehört zu unseren Rechten und Pflichten, und ich hoffe, dass unsere Regierung in dieser Frage nicht nachgeben wird. Ich setze mich nach Kräften ein, um sie von meiner Meinung zu überzeugen.


Haben Sie anlässlich Ihrer Kontakte mit den verantwortlichen palästinensischen Arabern festgehalten, dass um Jerusalem nicht verhandelt wird?

Natürlich! Sie müssen verstehen, dass die Palästinenser deswegen mit mir verhandeln wollen, weil sie immer genau wissen, woran sie sind. Sie bitten mich oft um ein Gespräch und treffen sich mit mir. Ich erkläre ihnen ausführlich, aufmerksam und genau, was Israel tun oder nicht tun kann, sowie die Gründe für diese Entscheidungen. Sie wissen auch, dass alles, was wir akzeptieren und aushandeln, so und nicht anders durchgeführt wird. Deswegen gehöre ich wohl zu den wenigen Israelis, die eine Vereinbarung mit ihnen aushandeln können. Der Frieden ist schon wieder eine ganz andere Frage. Aus diesem Grund erkläre ich ihnen, dass es sinnlos ist, eine endgültige Regelung zu überstürzen, die allzu rasch wieder zu Konflikten führen würde. Ich sage ihnen, dass sie ihre Regionen und wir unsere Sicherheitszonen besitzen werden. Warten wir ab, wie diese Beziehungen sich weiterentwickeln, und schrauben wir unsere Erwartungen nicht zu hoch, weil diese Entscheidungen nicht eingehalten würden oder unvermeidlicherweise zu schwerwiegenden Problemen führen. Letztendlich werden sie weniger erhalten, als sie sich erhofften, und wir kriegen auch nicht, was wir uns erträumten. Für uns handelt es sich jedoch nicht um einige km2 mehr oder weniger, sondern um das Land, wo sich unsere historischen Wurzeln befinden, die Wiege des jüdischen Volkes.


Wird nicht von beiden Seiten grosser Druck ausgeübt, um das Erreichen einer endgültigen Regelung voranzutreiben, und nicht einen abwartenden Beobachtungsstatus einzunehmen, wie Sie ihn vorschlagen?

Es ist sehr wichtig, dass auf Israel keinerlei Druck ausgeübt wird. Wenn es sich um Fragen der Sicherheit oder gar des Überlebens des jüdischen Staates handelt, bleibt Druckausübung, vor allem auf die gegenwärtige Regierung, wirkungslos. Es ist von grosser Bedeutung, dass die Europäer und Amerikaner dies verstehen. Ich glaube, dass es Israel gelungen ist, der amtierenden amerikanischen Regierung dies begreiflich zu machen.


Vor kurzem hat Ihre Regierung angeboten, sich unter bestimmten Bedingungen aus dem Libanon zurückzuziehen, doch dieses Angebot wurde abgelehnt. Wie beurteilen Sie die Situation im Libanon und mit Syrien?

Zunächst bin ich der Ansicht, dass jede künftige Verhandlung mit Syrien von der libanesischen Frage getrennt werden muss. Es handelt sich um zwei verschiedene Probleme, obwohl Syrien den Libanon kontrolliert. Eigentlich ist genau dies der Grund, weshalb wir diese Problemkreise auseinanderhalten müssen. Nehmen wir nämlich an, wir hätten mit Syrien Verhandlungen aufgenommen, wobei ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Sie würden den Terrorismus vom Libanon aus sofort verstärken und es gäbe erneut Tote und Verletzte in Israel. Daraus entstünde gezwungenermassen Druck von innen in Israel, mit der Forderung an die Regierung, um einen einseitigen Rückzug aus dem Libanon zu bitten. Darüber hinaus würden unsere im Libanon stationierten Soldaten und unsere Siedlungen im Norden des Landes zu Geiseln Syriens. Syrien ist ein Staat des Schreckens, der den Terrorismus zu politischen Zwecken einsetzt, und deswegen müssen die Fragen um Syrien und Libanon streng separat behandelt werden. Wir müssen deutlich zu verstehen geben, dass die einzigen, die für die Vorgänge im Libanon verantwortlich sind, die Libanesen und niemand anderes sind. Wir haben vor kurzem ein eindrückliches Beispiel dafür erlebt, dass diese Auffassung durchaus der Realität entspricht. Die Libanesen standen in der Bekaa vor einem Problem. Mit dem Einverständnis der Syrier haben sie eine Splittergruppe des Hisbollah auf brutalste Art vernichtet. Da die libanesische Armee besser bewaffnet und organisiert ist als früher, müssen wir mit diesem für seine eigenen Angelegenheiten verantwortlichen Land Abkommen treffen, die mit der Zeit zum Abzug der israelischen Truppen führen. Dies kann natürlich nur dann geschehen, wenn ernsthafte Garantien zugunsten der Christen im Südlibanon geleistet werden, insbesondere für die Mitglieder der Armee des Südlibanons (ALS), die seit Jahren unsere Alliierten sind und mit denen mit zahlreiche Momente der gegenseitigen Unterstützung erlebt haben. Der Libanon muss jedoch begreifen, dass er im Falle eines Vertragsbruchs die Konsequenzen zu tragen hätte.


Wie steht es mit den Verhandlungen mit Syrien?

Gegenwärtig wird mit Syrien nicht verhandelt, es gibt nur einige Kontakte, weiter nichts. Die Syrier verlangen, dass Israel die Gespräche an dem Punkt wieder aufnimmt, an dem sie der verstorbene Itzchak Rabin angeblich abgeschlossen hat, der besagt, sie seien berechtigt, zu den Grenzen von vor 1997 zurückzukehren, als sie israelisches Gebiet besassen. Dieser Punkt ist für die amtierende Regierung inakzeptabel. Über bestimmte Fragen könnte diskutiert werden, doch es ist undenkbar eine Situation zu schaffen, in der Israel die Golanhöhen aufgeben würde. Übrigens entwickeln sich die jüdischen Siedlungen auf dem Golan normal weiter.


Wie analysieren Sie die letzte Irak-Krise?

Es steht ausser Zweifel, dass Saddam Hussein aus dieser Kriese gestärkt herausgegangen ist. Er hat eine Reihe von Erfolgen verzeichnen können, was seine Position in der arabischen Welt konsolidiert, die ihm bedingungslos zur Seite steht. Ich befürchte sehr, dass die Inspektionen immer seltener stattfinden werden, was sehr beunruhigend ist. Der Irak wird finanziell stärker sein, da seine Erdölproduktion verdoppelt wurde; er besitzt das Know-how für die Herstellung äusserst gefährlicher Waffen und braucht daher atomare, biologische oder chemische Waffen nicht zu kaufen. Einzig die Anwesenheit der Inspektoren verhindert die Massenproduktion. Die Position des Iraks hat sich verbessert, was viele Gefahren beinhaltet, deren wir uns bewusst sein müssen. Darüber hinaus greifen auch die Russen wieder in den Mittleren Osten ein.


Was bedeutet dies für Israel ?

Es handelt sich zunächst um ein Phänomen, das sich unserer Kontrolle entzieht. Uns stehen allerdings zwei Möglichkeiten offen. Erstens können wir wieder die Art der Beziehungen aufleben lassen, wie sie in den 60er und 70er Jahren bestanden, als die UdSSR die arabische Welt poitisch, militärisch und finanziell ermutigte, die sich ohne Zögern in ein militärisches Abenteuer nach dem anderen gegen Israel stürzte. Die andere Alternative bestand aus der Idee, mehr von der Tatsache zu profitieren, dass sich die Situation verändert hat. In Russland gibt es kein jüdisches Problem mehr, und wir haben völlig normale zwischenstaatliche Beziehungen aufgenommen. WIr sollten uns dies zunutze machen, um die Zusammenarbeit mit Russland auszubauen. Obwohl Israel zur westlichen Welt gehört, müssten wir ausgeglichenere Beziehungen mit Russland pflegen und dabei die Gefahren im Auge behalten, die seine militärische Zusammenarbeit mit dem Iran bedeutet. Unser Verhältnis zu Russland wird nicht das Niveau derjenigen zu Amerika oder zur westlichen Welt im allgemeinen erreichen. Ich denke nicht, dass Israel zur Galionsfigur des Kampfes gegen Russland werden sollte. Vor kurzem habe ich ein langes Gespräch mit dem russischen Premierminister Chernomyerdin geführt. Thema unserer Diskussion waren der Stand unserer bilateralen Beziehungen sowie die russische Zusammenarbeit mit dem Iran, was seine Unterstützung im Bereich der Raketenkonstruktion und den Erhalt von biologischen und chemischen Waffen für dieses Land betrifft. Im atomaren Bereich waren die Russen schon immer viel diskreter als die westliche Welt. Israel sollte seine Bezieungen zu Russland neu überdenken, denn es steht ausser Frage, dass Russland im Mittleren Osten strategische Interessen besitzt. Vergessen wir nicht, dass Russland eine Supermacht ist, die zwar einige Probleme kennt, aber von seinem enormen Nationalstolz motiviert wird und wieder seine bedeutende internationale Rolle spielen möchte. Die Tatsache, dass eine Million Russen in Israel Leben, stellt eine gewisse Basis für eine Verbesserung unserer Beziehungen dar. Wenn wir unsere Kontakte mit Russland entwickeln, könnten wir es darum bitten, für den Erhalt der Ausgeglichenheit zwischen der arabischen Welt und Israel zu sorgen. Zum Schluss möchte ich sagen, dass ein gründliches Überdenken dieser Problematik notwendig wird, bereits im Gange ist und zur neuen Beurteilung unserer Beziehung zu Russland beitragen wird.
Ich möchte dieses Interview mit dem Hinweis beenden, dass wir seit 50 Jahren trotz der lauernden Gefahren Grosses geleistet haben. Ich wiederhole es noch einmal, alles liegt in den Händen der Juden. Vergessen wir nicht, dass die Juden als Individuen einzigartige Menschen sind ... Unsere Zukunft hängt von uns ab, und wir haben kein Recht, uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen. Wir müssen agieren und reagieren, dabei aber den Schwerpunkt auf die jüdische Erziehung und folglich auf die Förderung der Immigration legen. Wären wir acht anstelle von fünf Millionen, wären wir eine andere Nation. Ich denke, dass wir die kommenden fünfzig Jahre mit Zuversicht, Vorsicht und Realitätssinn in Angriff nehmen müssen.