Ton- und Richtungswechsel
Von Zvi H. Hurwitz
Etwas mehr als drei Monate sind seit der Wahl von Benjamin Netanyahu in das Amt des israelischen Premierministers verflossen. In dieser kurzen Zeitspanne hat die neue Regierung ganz deutlich eine neue Richtung eingeschlagen, ja sogar die Grundlage der israelischen Politik verändert. Interessanterweise kann man feststellen, dass weder die israelische noch die internationale Presse von den neuen Entscheidungsträgern sprechen, ohne im besten Fall die Bezeichnung "rechtsstehend" hinzuzufügen.

Ich erinnere mich nicht, in den Medien je einmal die systematische Verwendung einer Terminologie gesehen zu haben, welche die abtretende Regierung als "linksstehend" bezeichnet, was in jeder Hinsicht zutreffend war. Es handelte sich nämlich um die am stärksten linksgerichtete politische Führung, die Israel seit der Staatsgründung 1948 erlebt hatte. Sie bestand aus der Arbeitspartei, deren Mitglieder sich zur Hälfte offen zu den Thesen der extremen und überzeugten Linken bekannten, und aus der Partei Meretz, die offiziell der extremen Linken angehört. Erinnern wir uns daran, dass die Arbeitspartei unmittelbar vor den Wahlen von 1992 versucht hatte, ihre wahre Ausrichtung zu vertuschen, indem sie die rote in eine blaue Flagge verwandelte und die sozialistische Hymne und Parolen aufgab. Führen wir uns auch vor Augen, dass die Mehrheit, über welche die Regierungen Rabin/Peres in der Knesset verfügten, immer ausschliesslich von den Stimmen der arabischen und kommunistischen Parteien abhängig war !

Glücklicherweise wurde diese Regierung in ihrem Vormarsch aufgehalten. Der neue Staatschef Israels wurde mit einer beruhigenden Mehrheit gewählt und sein Kabinett setzt sich aus dem Likud, religiösen Parteien, einer Partei neuer Einwanderer und dem "Dritten Weg" zusammen, verkörpert demnach eine "nationale und traditionelle" Koalition.

Nach seinem ersten erfolgreichen Besuch in den USA fasste Benjamin Netanyahu die Situation in diesen Worten zusammen: "Sie haben sehr wohl begriffen, dass Israel eine neue Regierung gewählt hat, die zur Erreichung des Friedens ohne Verzicht auf Sicherheit eine eigene Politik verfolgt." Dieser Besuch erinnert in vielen Aspekten an die erste offizielle Reise Menachem Begins 1977 in die Vereinigten Staaten. Auch er hatte die nationalen Prioritäten Israels klar definiert. Nach seinem Besuch erklärte B. Netanyahu ausserdem, dass im Gegensatz zu den Behauptungen seiner Gegner (und denjenigen der Medien im allgemeinen, möchte ich hinzufügen) keinerlei Druck auf ihn ausgeübt wurde, was seine sogenannte "harte" Linie im Verhandlungsverfahren mit den Arabern betrifft.

Anlässlich der Bekanntmachung der neuen Haltung Israels hat B. Netanyahu das Konzept des "Austauschs von Land gegen den Frieden" als einzig mögliche Formel bei den Verhandlungen ohne zu zögern von sich gewiesen. Er hat ebenfalls das unumstössliche Recht Israels auf sein Staatsgebiet unterstrichen. Der Premierminister liess keine Zweifel betreffend das Recht der Juden auf Jerusalem und Hebron aufkommen und lehnte die Idee eines palästinensischen Staates rundweg ab. Unabhängig von den Vereinbarungen mit den auf israelischem Staatsgebiet lebenden Arabern sehen Netanyahu und seine Regierung keinen Raum für einen zweiten souveränen Staat auf diesem Gebiet vor. Die Palästinenser beginnen zu verstehen, dass ihr Ziel, d.h. ein eigener Staat, vorläufig in weite Ferne gerückt ist...

Einige Länder haben auf die Wahl Benjamin Netanyahus ungehalten, manchmal sogar sehr heftig reagiert, was den Premierminister nicht berührte. Anlässlich seines vor kurzem anberaumten Besuchs in Jerusalem hat Hervé de Charette, französischer Aussenminister, schweren Herzens zwar, darauf verzichtet, das Orient House aufzusuchen, das einem palästinensischen "Aussenministerium" in Jerusalem gleichkommt, auch wenn es offiziell nicht so heisst.

Als Arafat einmal mehr versuchte, seine alte Taktik zu "verkaufen", der palästinensische Nationalrat habe die PLO-Charta, welche die "Eliminierung des zionistischen Staates" verlangt, endgültig annulliert, verlangte Benjamin Netanyahu schriftliche Erläuterungen darüber. Er erhielt daraufhin die Kopie eines Briefes, der in diesem Zusammenhang an Schimon Peres gesandt worden war, der seine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht hatte. Diesmal war der israelische Premierminister jedoch "sehr enttäuscht", da der Wortlaut des Briefes überhaupt nicht mit dem übereinstimmt, was die israelische Regierung verlangt hatte, als sie die Annullierung der berüchtigten Charta forderte. Trotz allen politischen Veränderungen setzen die USA ihre Zusammenarbeit mit Israel in den meisten Bereichen fort, insbesondere im Kampf gegen den Terrorismus. In einer gemeinsamen Konferenz Clinton-Mubarak erklärte der amerikanische Präsident: "Die Staaten, die den Terrorismus unterstützen, müssen ihre Haltung radikal verändern. Sie können nicht tagsüber mit uns Geschäfte abschliessen und nachts Terroranschläge verüben." Diese Worte widerspiegeln sehr deutlich die Einstellung, die Benjamin Netanyahu anlässlich seines ersten offiziellen Besuchs in Washington vertreten hatte.

Die Palästinenser setzen inzwischen ihre Gespräche mit Israel fort und möchten nun die Kommunikation mit den neuen Behörden in Jerusalem verbessern. Selbst Syrien wurde in klaren, deutlichen Worten darüber informiert, die neue Regierung sei absolut nicht gewillt, sich vom Golan zurückzuziehen, und es müsse eine andere Lösung gefunden werden, um endlich Frieden zu schliessen. Die Syrer kennen Benjamin Netanyahu sehr gut, er war an der Madrider Konferenz von Oktober 1991 sehr aktiv gewesen; die Syrer hatten an der Konferenz im Wissen teilgenommen, dass der damalige Premierminister Itzchak Shamir nicht im geringste die Absicht hatte, auf das Thema, d.h. einen eventuellen Rückzug vom Golan, einzugehen. In dieser Hinsicht tut die linksstehende Opposition lautstark kund: "Wie können wir auf einen Frieden mit Syrien hoffen, wenn wir den Golan nicht abtreten wollen ? Wie könnten wir denn sonst mit ihnen verhandeln ?" Diese Art von Schuldgefühl ist vollständig verschwunden, die Regierung Netanyahu hat eine neue Politik vorgestellt, in der die Golanfrage nicht mehr erwähnt wird und die folgendermassen zusammengefasst werden kann: "Man muss über die Zukunft des Libanons verhandeln". Falls der Libanon jemals wieder seine Unabhängigkeit erlangen sollte und die syrischen Truppen das Land der Zedern verlassen, besitzt Israel überhaupt keinen Grund mehr für eine dortige Truppenstationierung. Selbst die Vereinigten Staaten können die Logik dieser Politik nicht abstreiten.

Zum Abschluss soll noch betont werden, dass der Premierminister und seine Regierung mit dem Thema der jüdischen Siedlungen in Judäa, Samaria und Gaza keine Probleme zu haben scheinen: sie gehören voll und ganz zu Eretz Israel. Ihr Aufschwung und ihr Wachstum sind ebenso natürlich und normal wie diejenigen jeder anderen Region in Israel. Niemand ist mehr der Ansicht, sich für die jüdische Präsenz in diesen Gebieten entschuldigen zu müssen. Die Bewohner der Dörfer und Städte von Judäa, Samaria und Gaza fühlen sich durch diese Haltung der Regierung natürlich ermutigt. Ihr Anführer, Pinchas Wallerstein (siehe SHALOM Nr.XX), hat überdies nach seiner Begegnung mit dem Premierminister vor kurzem erklärt: "Wir stehen am Beginn einer neuen Epoche, die der Diskriminierung, deren Opfer wir waren, ein Ende bereiten wird. Unsere Regionen werden eine bedeutende Expansion erleben".

Heute gilt es als allgemein verstanden und akzeptiert, dass man sich nicht nach dem zweifelhaften Vorbild von Peres, Beilin und Sarid blindlings auf den "Friedensprozess" stürzen muss. Benjamin Netanyahu ist dabei, seinen eigenen Prozess ins Leben zu rufen, der höchstwahrscheinlich sehr positiv überraschende Ergebnisse zeitigen wird. Die neue israelische Regierung setzt das Streben nach Frieden fort, hat sich jedoch zu einem Richtungswechsel entschlossen und steuert ein neues Ziel an, bei dem die Kapitulation, die Kompromisse und Zugeständnisse, welche die nationalen und lebenswichtigen Interessen Israels gefährden, keinen Platz mehr haben !