Arthur Segal (1875-1944)
Von Oscar Ghez, Präsident und Gründer des Museums
Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen einiges über einen grossen Künstler, ARTHUR SEGAL, zu berichten, der eine Technik namens "Pismatismus" geschaffen hat und darin von keinem anderen Maler nachgeahmt wurde. Der Prismatismus hat mit dem Pointillismus eigentlich nichts gemein: Arthur Segal malte die verschiedenen Spektrafarben in abgestufter Weise, während der Pointillismus aus der Zerlegung der Farbe bestand. Dieser Künstler erfuhr in den Museen von Köln, Berlin, Regensburg, Ascona und Tel-Aviv - in den Städten, in denen er gelebt und gearbeitet hatte - eine bedeutende Würdigung, und bei dieser Gelegenheit wurde ein sehr schöner Katalog seiner Werke zusammengestellt. Das Museum "Petit Palais" besitzt mehrere Gemälde aus verschiedenen Perioden diese Künstlers und führte in seinen Räumen eine Ausstellung durch, deren Erfolg alle Erwartungen übertraf.
Arthur Segal wurde am 13. Juni 1875 in Jassy in Rumänien geboren und starb am 23. Juni 1944 in London. Sein Vater, Israel Segal, besass zusammen mit seinem älteren Bruder eine kleine Bank und ein Geschäft im Stadtzentrum. Als praktizierender und traditionalistischer Jude lag ihm die Erziehung seiner drei Kinder zu den geistigen Werten und jüdischen Überlieferungen sehr am Herzen. Als sein ältester Sohn hätte Arthur die Bank übernehmen sollen. Da er aber die Schule und seine Lehrer verabscheut, kümmert er sich nicht um die religiösen Traditionen seiner Vorfahren. Wegen seines schulischen Versagens befindet er sich in ständigem Konflikt mit seinen Eltern. Er fühlt sich einsam und als ein Opfer fortwährender Ungerechtigkeit. Seine einzigen Freunde sind die Tiere und ein Lehrling, der in der Bank seines Vaters arbeitet. Im Alter von 12 Jahren wird er in ein Internat nach Deutschland geschickt, um Deutsch und Wirtschaft zu lernen. Dort entdeckt er dank der Unterstützung eines Freundes seine Begabung für das Zeichnen und Malen. Nach seiner Rückkehr zu seinen Eltern setzt er jeden freien Augenblick ein, um sich der Malerei zu widmen. Der Konflikt mit den Seinen nimmt jedoch immer grössere Ausmasse an, er wird zum schwarzen Schaf der Familie, die sich über ihn lustig macht und ihn ablehnt. Allmählich kommen seine Eltern zum Schluss, dass Arthur ihnen keine Schande macht, sondern eine eigentliche Gefahr für die Familie darstellt. Man gestattet ihm folglich, nach Berlin zu reisen, um dort seine Kunst auszuüben.
Ab dem 2. August 1892 lebt Arthur Segal in Berlin und studiert an den Akademien der Schönen Künste in Berlin und München. Er verwirklicht den "Studienkopf" (1893), sein Selbstporträt (1894), das "Porträt der Eltern" (1894) usw. Fasziniert vom Impressionismus lässt er sich 1895 für einige Zeit in Paris nieder, wo er an der Académie Julienne studiert. 1896 zieht er nach München, danach 1899 nach Dachau. Im Jahr 1904 stirbt seine Mutter und hinterlässt ihm ein kleines Vermögen, das er zum Leidwesen seiner Familie nicht anlegt, sondern mit dem er eine kleine Wohnung kauft und sie in ein Atelier verwandelt. Am 12. August 1904 heiratet er Ernestine Charas.
1920 wird Arthur Segal Gründungsmitglied der "Neuen Sezession", und schliesst sich ab 1912 der Bewegung "Sturm" an, wobei er an den verschiedenen Ausstellungen der Gruppe teilnimmt. Während des Ersten Weltkriegs flieht er in die Schweiz, wo er in Zürich diverse Künstler der "Dada"-Bewegung kennenlernt. In Ascona, im Jahr 1916, entdeckt er, dass in der Natur alles dieselbe Bedeutung und dasselbe Gewicht besitzt. Er entwickelt daraus die sogenannte "Gleichwertigkeit", ein in zwölf Vierecke aufgeteiltes Gemälde, in denen jeweils ein unterschiedliches Motiv dargestellt wird. Wie in der Natur besitzen alle Unterteilungen dieselbe Bedeutung, das Bild weist keinen Schwerpunkt, kein Zentrum mehr auf. Im selben Jahr nimmt Segal an der Ausstellung des "Cabaret Voltaire", Entstehungsort des Dadaismus, teil und arbeitet an der Zeitschrift desselben Namens. Nach seiner Rückkehr nach Berlin 1919 führt er Nachforschungen auf der Grundlage der Farbentheorie Goethes durch und schafft den "Prismatismus", in dem das Licht aufgespalten wird: die gemalten Objekte werden mit roten, grünen, gelben oder blauen Streifen dargestellt. Seine Versuche, eine Wirklichkeit umzusetzen, die sich von unseren Wahrnehmungen unterscheidet, münden schliesslich in die Serie "Blickpunkt", in die Feststellung der Machtlosigkeit angesichts der Grenzen, die dem Menschen durch die Natur auferlegt werden. Segal malt nur einen Teil des Objektes mit scharfen Konturen, der Rest des Bildes bleibt verschwommen. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der physiologischen Tatsache, dass das Auge sich nur auf einen bestimmten Punkt des Gesichtsfeldes akkomodieren kann. Im Gegensatz zu den "Gleichwertigkeits"-Bildern konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den stark dominierenden Teil des Gemäldes mit scharfen Umrissen, während der ganze Rest als verschwommener Hintergrund behandelt wird. Diese Technik führt ihn ab 1928 zu einer naturalistischen ästhetischen Vision, die als Vorbotin der hyperrealistischen Richtung angesehen werden kann.
Am 31. Januar 1933 wird Hitler in Deutschland zum Reichskanzler gewählt, und ab sofort treten die Rassengesetze in Kraft. Am 29. Mai 1933 verlassen Arthur Segal und seine Familie Deutschland, reisen nach Spanien und lassen sich auf der Insel Mallorca nieder. Bis zu seiner Abreise nach England 1936 verdient er seinen Lebensunterhalt mit Privatunterricht in Malerei. Am 18. Juni 1936 bricht der spanische Bürgerkrieg aus, und am 30. September übernimmt General Franco die Macht. Arthur Segal beschliesst, mit seiner ganzen Familie nach England abzureisen, wo er sich am 22. Oktober 1936 niederlässt. In London gründet er eine Schule für Malerei. Zu den zahlreichen, in jener Zeit gemalten Bilder gehört das "Porträt einer Jüdin aus Jemen".
Ab 1939 werden in Grossbritannien Gerichtshöfe eingeführt, die sich eingehend mit den Ausländern befassen und darüber urteilen, ob sie zum weiteren Aufenthalt im Vereinten Königreich berechtigt sind. Es werden drei Kategorien unterschieden: A für gefährliche Personen, B für zweifelhafte Fälle und C für Feinde des Hitler-Regimes. Die meisten Ausländer entsprechen der dritten Kategorie (64'200 Menschen von insgesamt 73'000). Am 9. November 1939 wird die Familie Segal vor eines dieser Gerichte in Oxford geladen und sofort in die Kategorie C eingeteilt.
Aufgrund der Bombenangriffe auf London zieht die Familie zusammen mit der Schule für Malerei, die immer bekannter wird, nach Oxford um. Tochter Marianne Segal beginnt ebenfalls mit der Malerei und wird Arthurs Assistentin. Während der deutschen Besetzung Frankreichs im Mai 1940 beschliessen die britischen Behörden, alle Männer der Kategorien A, B und C zu internieren. Arthur Segal wird zur Insel Man transferiert, dann nach Warth Mill, wo er bis zum 13. August bleibt. Hier trifft er Kollegen aus Berlin, die Maler Schwitters und Meidner, an, für die er jedoch weder Verbundenheit noch Solidarität empfindet. Dank den zahlreichen Bemühungen seiner Frau und aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes wird Arthur Segal recht bald wieder freigelassen.
In dieser Zeit wird seine Schule für Malerei weiterhin mit bescheidenem Erfolg betrieben. 1941 ruft das Kriegsministerium ein Fortbildungsprogramm für die Soldaten ins Leben. Segal bietet seine Dienste an und wird nach einer dreimonatigen Versuchszeit zu einem festen Gehalt eingestellt, um den Einberufenen aller Dienstgrade Malunterricht zu erteilen. Im November 1942 organisiert er im "Army Education Center" in Oxford eine Ausstellung mit den Werken von 70 Armeeangehörigen.
1943 ziehen Arthur, Ernestine und Marianne Segal wieder nach London in ein Haus, das dem Eton College gehört. Das College wird die "Arthur Segal's Painting School" unter der Leitung von Marianne Segal bis 1970 beherbergen.
Am 23. Juni 1944 stirbt Arthur Segal während eines Bombenangriffs der deutschen Luftwaffe auf London an einem Herzstillstand. Durch seine Forschungsarbeiten gilt er als einer der interessantesten Maler der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Eine grosse Retrospektive seines Werks fand 1987/88 in verschiedenen Museen Europas statt.