Editorial
Von Roland S. Süssmann - Chefredakteur
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Israel hat kapituliert ! Das Zeichen der Erniedrigung wurde für alle Zeiten auf die Stirn des jüdischen Volkes gebrannt und die Folgen dieser vernichtenden Katastrophe treten allmählich zutage.

Indem er in Verhandlungen mit der PLO einwilligte, indem er in der entwürdigenden Maskerade des Weissen Hauses mitspielte und indem er die Hand Arafats ergriff, hat Itzhak Rabin nicht nur die Ermordung von jüdischen Zivilpersonen und Kindern gutgeheissen, sondern hat in der Öffentlichkeit eine Reihe von Grundsätzen verletzt, die seit Jahren den Stolz Israels und des jüdischen Volkes ausmachten. Israel war durch die Leistung eines schweren Tributs mit dem Beispiel vorangegangen und hatte sich Respekt verschafft, da man mit Terroristen nicht verhandelte, sondern sie bekämpfte und ihnen nie nachgab. Wenn Rabin nun Arafat und dem internationalen Terrorismus den Anschein von Achtbarkeit und Ehrwürdigkeit verleiht, belastet Rabin die Zukunft mit einer schweren Hypothek und gefährdet den Erfolg des Kampfes nicht nur gegen den Terrorismus, sondern auch gegen den Antisemitismus: die neonazistischen Bewegungen werden in sehr weitem Ausmass von der arabischen Welt finanziert und betreut.

Die Feindseligkeit der arabischen Staaten, die sich weiterhin bis zu den Zähnen bewaffnen, und ihre Verleugnung der Existenzberechtigung des jüdischen Staates bleiben weiterhin unverändert bestehen. Sowohl Arafat als auch die anderen "gemässigten" Araber verkünden Tag für Tag, dass "Israel der Feind ist", und dass der gegenwärtige Prozess nur eine erste Etappe auf dem Weg zur Wiedererlangung von ganz Palästina darstellt. Klare und ehrliche Worte... denen man glauben muss ! Die Verhandlungen mit Ägypten haben die Unversöhnlichkeit der Araber bewiesen, die nur ein einziges Ziel kennen: die Rückeroberung jedes Sandkorns, das sie in 1967 verloren hatten. Syrien möchte den gesamten Golan wiedererlangen, und die Araber der Gebiete ganz Judäa, Samaria, Gaza und Jerusalem, alles unter der Flagge des "judenreinen" palästinensischen Staates, der ihnen von Rabin une Peres auf dem Silbertablett serviert wurde. Die Annahme, Arafat würde sich mit dem Bürgermeisteramt in Jericho und im Gazastreifen zufriedengeben, stellt einen schwerwiegenden Irrtum dar.

Leider stammt das eigentliche Problem nicht von den Arabern, sondern aus unseren eigenen Reihen. Die Analyse erweist sich als einfach und schrecklich zugleich. Wir erleben den vollständigen Zusammenbruch des laizistischen Zionismus, seines Gedanken- und Erziehungssystems. Einer der wichtigsten Grundsätze dieser Form des Zionismus liegt in der Idee, einen "neuen Juden" zu schaffen, ähnlich wie den "neuen Menschen" im Sozialismus, den "homo israelianus", einen von seiner Religion befreiten Juden, dessen Leben durch die Nation, die Armee, die Akademie und den gesellschaftlichen Erfolg bestimmt wird. Dieselbe Überlegung war von den deutschen Juden, die "Deutsche - mosaïschen Glaubens" sein wollten, und von den Befürwortern des Kommunismus in der UdSSR angestellt worden. Zweimal haben in diesem Jahrhundert das Streben nach Assimilierung und die Aufgabe eines authentischen jüdischen Lebens und unserer eigenen Werte unser Volk ins Verderben geführt. Heute scheint uns das Versagen des laizistischen Zionismus in dieselbe Richtung zu führen. Die Abtretung von jüdischem Land und das Abkommen Rabin-PLO verkörpern nur logische und konkrete Konsequenzen dieser Ideologie.

Vor Ort gewinnt jedoch, trotz aller beschwichtigenden Erklärungen Rabins, eine äusserst beunruhigende Realität die Oberhand.

Die palästinensische Selbstbestimmung wird unvermeidlich zum Rückzug Israels aus den Grenzen des Waffenstillstands von 1949 führen, zur Wiederherstellung des von Abba Eban als "Grenzen von Auschwitz" beschriebenen Zustands. Rabin hat immer unterschieden zwischen "politischen Niederlassungen" - unnötige Belastung des Steuerzahlers - und "sicherheitsbedingten Siedlungen" - die unerlässlich sind. Die Gespräche mit der PLO haben diese Unterscheidung verwischt, und alle jüdischen Ortschaften in Judäa, Samaria und Gaza können nun Gegenstand der Verhandlungen werden. Die jüdischen Bewohner dieser Regionen werden demnach auf dem Altar des Friedens geopfert, zu den Klängen der Nationalhymne des neuen Terrorstaates. Hat Itzhak Rabin, der Held des Sechstagekriegs, plötzlich den Verstand verloren ? Kennt er Arafat nicht ? Weiss er nicht, dass ein Vertrag zwischen einer Demokratie und einem Diktator zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist ? Zu Beginn wollte er daran glauben... der Gedanke war verlockend... Israel besass die Mittel, zugunsten des Friedens Risiken auf sich zu nehmen ! Die Mehrheit der israelischen Bevölkerung, die anfänglich den Vertrag unterstützte und wie Rabin daran glauben wollte - ohne Begeisterung, aber mit einer grossen Portion Hoffnung -, beginnt heute das Ausmass der Tragödie wahrzunehmen. Die Freilassung von Tausenden von Terroristen, die zunehmenden Zugeständnisse und Schwächen der Regierung sind deutliche Zeichen. Rabin braucht einen Erfolg und sieht nur einen Ausweg, die Flucht nach vorn. Die arabische Welt hat einen überwältigenden Sieg erlangt, indem sie das jüdische Volk zur tiefsten Uneinigkeit veranlasst hat. Israel bleibt nichts anderes übrig, als seinen Verpflichtungen nachzukommen und an der vagen Illusion zu hängen, ein wirtschaftlicher Aufschwung oder ein neu gegliederter Mittlerer Osten könnten die "Dividenden des Friedens" einbringen. Natürlich wird die PLO nicht in der Lage sein, die militärische, politische und wirtschaftliche Situation zu handhaben. Sie hat nicht die Absicht, den antijüdischen Terrorismus aufzugeben, denn ihr Kampf ist erst dann erfolgreich gewesen, wenn ihre Flagge über ganz Jerusalem flattert. Die Intifada wurde erneut angefacht und die PLO arbeitet eng mit Hamas zusammen. Zwei der Mörder von Chaim Mizrahi, der mit blanker Waffe getötet wurde, sind Mitglieder des Fatah und sollten Angehörige der zukünftigen palästinensischen Polizei sein.

I. Rabin und die Diaspora sind erstaunt, dass die arabische Welt den berüchtigten Wirtschaftsboykott gegen Israel nicht eingeschränkt hat. Weshalb sollten sie denn, da ihnen die grossen jüdischen Organisationen als Beispiel dienen und seit jeher die jüdischen Einwohner von Judäa, Samaria und Gaza boykottieren, indem sie ihnen nicht einen Rappen überweisen, nicht einmal in Form von humanitärer Hilfe ! Schluss mit dem jüdischen Boykott gegen sie, dann erst können wir die Araber kritisieren ! Zahlreiche jüdische Investoren drängeln sich um die PLO, renovieren Friedhöfe in Deutschland oder legen ihre Guthaben in den antisemitischen osteuropäischen Ländern an. Wo war dieses Geld, als es darum ging, die jüdischen Städte und Dörfer in Judäa-Samaria und Gaza zu unterstützen, oder als dem jüdischen Staat nichts anderes übrigblieb, sich die amerikanischen Garantien zu erbetteln, die den israelischen Steuerzahler ein Vermögen kosten ?

In dieser Zeit vor Chanukkah, dem symbolischen Fest des jüdischen Heldenmuts, der Freiheit, der Hoffnung und der Erneuerung, sollten wir die tatsächlichen Helden unserer Epoche unterstützen, die Juden, die in Judäa, Samaria, Gaza, Ostjerusalem oder auf dem Golan leben. Sie behaupten sich nicht nur täglich gegen die Angriffe des arabischen Terrorismus, sondern werden ausserdem von einem bestimmten Teil der jüdischen und israelischen Gesellschaft verachtet. Auf ihnen ruhen all unsere Hoffnungen. Möge ihr Kampf um ihr und um unser Überleben uns, wie derjenige der Makkabäer zur Zeit von Chanukkah, als Beispiel dienen. Helfen wir Ihnen !

SHALOM feiert sein fünfjähriges Bestehen und wünscht Ihnen ein frohes Chanukkah-Fest !

Roland S. Süssmann
Chefredakteur – Dezember 1993