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Inhaltsangabe Holland Herbst 2008 - Tischri 5769

Editorial
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Rosch Haschanah 5769
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Politik
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Interview
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Analyse
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Reportage
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Wirtschaft
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Holland
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Gerechtigkeit
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Das Sinai Centrum

Von Roland S. Süssmann
Eine der Besonderheiten der jüdischen Gemeinschaft der Niederlande besteht darin, dass sie über eine eigene, streng koschere psychiatrische Klinik verfügt. Das SINAI CENTRUM befindet sich in Amstelveen, einem Vorort von Amsterdam, und ist das einzige jüdische Zentrum Europas für die Behandlung psychischer Krankheiten aller Art, das sich überdies auf Traumata bei Überlebenden der Schoah und der zweiten Generation spezialisiert hat. Das Sinai Centrum ist eine Klinik, ein Tagesspital und ein Ambulatorium in einem.
In Amstelveen gibt es ausserdem ein weiteres psychiatrisches Zentrum für interne Patienten. Das Sinai Centrum hat vor kurzem ein neues, ultramodernes Gebäude bezogen, das am 15. Juni 2008 von einem Mitglied des Königshauses eingeweiht wurde. Etwas mehr als 50 % der Patienten sind holländische Juden, einige Personen stammen aus Grossbritannien, die übrigen sind Nichtjuden oder aber holländische Soldaten, die traumatisiert aus einem Einsatz in Irak oder Afghanistan zurückgekommen sind.
Man kann sich fragen, weshalb es ein jüdisches psychiatrisches Spital braucht. Seit etwas über hundert Jahren besteht ein jüdisches medizinisches Zentrum für Geisteskranke aus der Gemeinschaft. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Krankenhäuser in Holland, wie in vielen anderen europäischen Ländern, von den verschiedenen religiösen Gemeinschaften gegründet und betrieben wurden. Da die jüdische Gemeinschaft bis zur Schoah sehr bedeutend war, gab es in Holland zahlreiche jüdische Spitäler. Früher war es allerdings üblich, psychisch Kranke nicht in der Stadt, sondern in Einrichtungen auf dem Land zu betreuen. Vor dem Krieg befand sich daher die jüdische psychiatrische Klinik ca. 100 Kilometer von Amsterdam entfernt in Apeldoorn in der Provinz Geldern und umfasste mit sämtlichen Patienten und dem Pflegepersonal 1’400 Menschen. Innerhalb einer Nacht wurden alle Bewohner des Krankenhauses deportiert, zunächst in das holländische Sammel- und Konzentrationslager Westerbork, später nach Auschwitz, wo sie sofort nach ihrer Ankunft ermordet wurden.
Nach der Schoah kehrten einige wenige Juden nach Holland zurück, doch es gab kein einziges jüdisches Krankenhaus mehr, das sie betreuen konnte. 1960 schenkte die Stadt Amersfoort der jüdischen Gemeinde ein Grundstück, damit sie ein neues Spital errichten konnte. Zu Beginn konnten hier Juden medizinisch versorgt werden, später vertieften die Verantwortlichen ihre Erfahrungen mit der Behandlung von Psychotraumata der Schoah. Interessanterweise liegt der Grund für die meisten Erkrankungen der jüdischen Patienten im Sinai Centrum in der Schoah, und davon sind nicht nur die erste und die zweite Generation betroffen, sondern in gewissem Masse auch die dritte. Eine Besonderheit dieser Institution ist die Heterogenität der Patienten: neben den Überlebenden der Schoah, den Opfern, gibt es hier auch Militärangehörige, die aus den Balkanstaaten, Irak oder Afghanistan zurückkehren, wo sie oft zu den „Tätern“ gehörten. Im Rahmen von Gruppentherapien kommt es beim Zusammentreffen dieser zwei Patientenkategorien, deren Traumata völlig entgegengesetzte Ursachen haben, oft zu Spannungen, doch sie bieten jedem Teilnehmer auch die Chance, die Welt der Gegenseite kennen zu lernen, was in bestimmten Fällen den Heilungsprozess beschleunigen kann. So erfährt beispielsweise ein Opfer, was bedeutet, zu den Tätern zu gehören, und umgekehrt. Dazu muss man auch wissen, dass viele traumatisierte Armeeangehörige ein Problem mit Drogen oder Alkohol haben, was nicht auf die Opfer der Schoah zutrifft, die ganz andere Symptome aufweisen.
In diesem Zusammenhang ist es wissenswert, dass dieser besondere Aspekt der Psychiatrie an keiner Universität gelehrt wird, dass aber die Ärzte am Sinai Centrum von ihren Vorgängern innerhalb der Klinik entsprechend informiert werden. Im selben Sinne erfolgt auch die „jüdische“ Ausbildung des Personals. Jeder neue Mitarbeiter erhält eine kurze Einführung zu den jüdischen Sitten und Gebräuchen, die Ärzte besuchen einen Grundkurs über jüdische medizinische Ethik. Darüber hinaus werden die Mitarbeiter das ganze Jahr durch ständig mit Informationen versorgt.
Heute beherbergt die Klinik 200 Patienten, die vorübergehend hier wohnen, und betreut rund 3’000 Menschen, die während eines Tages oder ambulant behandelt werden.
Der Besucher des Sinai Centrum ist zweifellos beeindruckt von dieser Einrichtung, die einzigartig und ganz speziell ist. Neben der Modernität und dem Komfort der Räume wurde darauf geachtet, diese in ausgeklügelten Farben auszustatten, um so eine ruhige und gelassene Atmosphäre zu schaffen.
Was jedoch am meisten auffällt ist die Tatsache, dass alles getan wird, um die hier betreuten psychisch Kranken zu respektieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich als vollwertige Mitglieder der so genannten „normalen“ Gesellschaft zu fühlen .

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