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Inhaltsangabe Kunst und Kultur Herbst 2005 - Tischri 5766

Editorial
    • Editorial - Oktober 2005 [pdf]

Rosch Haschanah 5766
    • Die Kraft des Gebets [pdf]
    • Solidarität und Erlösung [pdf]

Politique
    • Ein riskantes Vorhaben [pdf]

Interview
    • Quo Vadis Israel? [pdf]
    • Sensibilität und Entschlossenheit [pdf]
    • Neue Herausforderungen [pdf]

Kunst und Kultur
    • Das Palmach-Museum [pdf]

Analyse
    • Antisemitismus und Alternative Geschichte [pdf]
    • Alter Wein in neuen Schläuchen [pdf]

Reportage
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Profil
    • Präzision und Flexibilität [pdf]

Porträt
    • Der Wein der Liebe [pdf]

Slowakei
    • Jerusalem und Bratislava [pdf]
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    • Der «Plan Europa» [pdf]
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    • Der Jüdische Widerstand [pdf]

Forschung und Wissenschaft
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Ethik und Judentum
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Das gute Gedächtnis
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Das Palmach-Museum

Von Roland S. Süssmann
Israel quillt über von Museen, es gibt im ganzen Land 54 von ihnen und jedes einzelne ist es wert, dass man ihm ein oder mehrere Artikel widmet. Wir haben heute beschlossen, einen Ort aufzusuchen, der zwar die Bezeichnung «Museum» trägt, aber in erster Linie eine Gedenk- und Informationsstätte ist, das Palmach-Museum von Tel Aviv, das vom Verteidigungsministerium abhängt. Doch zur Vorbereitung auf den Museumsbesuch und ohne die gesamte Geschichte aufzurollen, möchten wir doch unbedingt kurz darüber informieren, was der Palmach war.
Yigal Allon, Mosche Dayan, Rechavam Ze'evi (Ghandi), Itzchak Rabin, Haim Bar Lev und Ezer Weizman symbolisieren jeder für sich das jüdische Heldentum in der Geschichte der Wiederauferstehung des Staates Israel. Sie alle waren leitende Persönlichkeiten in dieser Gruppe und sie alle haben in der Folge eine herausragende Rolle in der Gründung und Erweiterung der israelischen Verteidigungsarmee Tsahal gespielt, ganz zu schweigen von ihren Heldentaten im Rahmen der Aktivitäten der Haganah und während des Unabhängigkeitskriegs.
Doch was war der Palmach genau? Palmach ist die Abkürzung von «Pelugoth Makahaz» (Angriffstruppen) und er wurde am 19. Mai 1941 auf Anfrage Grossbritanniens von der Haganah ins Leben gerufen, als die Achsenmächte drauf und dran waren, gefährlich nahe an Palästina heranzukommen. Unter dem Kommando von Itzchak Sadeh und seinem Stellvertreter Yigal Allon bestand diese Einheit aus 12 Brigaden, die in der Artillerie (Kommandomissionen, Sabotagen, Infiltrationen usw.), in der Marine (Palyam) und in einem gewissen Ausmass sogar in der Luftwaffe aktiv waren. Unter dem Deckmantel eines zivilen Aeronautikklubs wurden diese Piloten nämlich dazu ausgebildet, an zahlreichen militärischen Operationen teilzunehmen. Angesichts der drohenden Gefahr einer deutschen Invasion genoss diese Sondereinheit zu Beginn ihrer Existenz die logistische und finanzielle Unterstützung Grossbritanniens, die damit eine Art innere Front zu errichten gedachte, falls es den Achsenmächten gelingen sollte, in Palästina einzudringen. In dieser Hinsicht ist es eine interessante Tatsache, dass die Palmach-Mitglieder in Kommandomissionen gegen die Streitkräfte Deutschlands, Italiens und Vichy-Frankreichs in Syrien, im Libanon und in Palästina selbst Einsätze geleistet haben.
Doch sobald die Gefahr vorbei war besass Grossbritannien, auch aufgrund seiner pro-arabischen Sympathie, keinerlei Interesse mehr daran, bewaffnete und gut ausgebildete Juden in einer Region zu wissen, in der unter ihrem Mandat die Beziehungen zwischen den lokalen Bevölkerungsgruppen extrem angespannt waren. Grossbritannien stellte folglich seine Unterstützung ein und verlangte die Auflösung des Palmach. Doch die Männer und Frauen, aus denen sich diese Eliteeinheit zusammensetzte, waren sich der Tatsache durchaus bewusst, dass die Juden unbedingt über eine Streitkraft für die Selbstverteidigung verfügen mussten, die mit den Techniken der Kommandos vertraut war. Sie haben sich also der Haganah angeschlossen, um am Kampf im Untergrund gegen die britischen Streitkräfte teilzunehmen. Wegen der fehlenden finanziellen Mittel hatten die Mitglieder des Palmach beschlossen, zwei Wochen pro Monat in Kibbuzim zu arbeiten, um ihre Ausbildung zu finanzieren und sich in der restlichen Zeit den anderen erforderlichen Tätigkeiten zu widmen. Die Angehörigen dieser Sondereinheit spielten bei der Befreiung des Landes im Allgemeinen und derjenigen von Jerusalem im Besonderen eine entscheidende Rolle.
Doch wenden wir uns wieder dem Palmach-Museum zu. Auf den ersten Blick droht jeder Besucher von diesem Museum zunächst ziemlich enttäuscht zu sein, denn es besitzt keine Ausstellungssäle, keine Vitrinen, keine Dokumente, kurz, keinen einzigen historischen Gegenstand. Er erhält jedoch die Gelegenheit, während 90 Minuten eine Erfahrung zu durchleben, in deren Verlauf er vollständig in eine dreidimensional vermittelte historische Handlung integriert wird, deren aktiver Bestandteil er wird.
Der erste Saal ist der Erinnerung an die 1'135 Widerstandskämpfer des Palmach gewidmet, die für die Gründung des Staates Israel ihr Leben gelassen haben. Dieser dunkle Saal, dessen Wände von Tafeln mit den Namen dieser Helden bedeckt sind, gibt den Grundton des Besuchs an. Dann beginnt «das Abenteuer». Der Besucher befindet sich plötzlich in einem Wald, in dem ein Kommandant die jungen Freiwilligen willkommen heisst, die mit der Zeit zu Soldaten ausgebildet werden sollen. Jeder stellt sich vor, berichtet aus seinem Leben, erzählt von seinen Zielen und Träumen und lauscht den Anweisungen ihres Kommandanten «Amon», der kaum älter ist als sie selbst. Von diesem Augenblick an begleiten wir diese kleine Einheit bei ihrem militärischen Training, bei ihrer ersten wichtigen Mission, einer Operation, die unter dem Namen «Nacht der Brücken» in die Geschichte eingegangen ist. Am 17. Juni 1946 sprengte der Palmach 11 Brücken, die Palästina mit den Nachbarländern verbanden. Es wurden keine Gefangenen gemacht, doch 14 Freiwillige verloren dabei ihr Leben. Der Besucher wird dann, zusammen mit einem Mitglied der im Wald gebildeten Gruppe, in eine Sondereinheit eingegliedert, welche die Lager in Europa durchforsten sollten, um Überlebende illegal nach Israel zu bringen. Auf einmal befindet er sich im Bauch eines Schiffes voller illegaler Einwanderer und wird von der britischen Flotte und Luftwaffe angegriffen. Der Besuch endet in einem runden Auditorium mit Drehstühlen, wo der Zuschauer mit Hilfe eines historischen Schwarzweissfilms vom Unabhängigkeitskrieg bis zur Staatsgründung geführt wird. Der eindrücklichste Moment der Vorführung dauert in Wirklichkeit nur einen kurzen Augenblick, wenn am Ende des Kriegs in Schwarzweiss zu einer farbigen Luftaufnahme von Tel Aviv und Jerusalem in der heutigen Zeit gewechselt wird, auf der die 1'135 Namen der im Kampf gefallenen Palmachnikim abgespielt werden. In einem Wimpernschlag ermisst der Besucher den Weg, den der jüdische Staat seit seiner Gründung bis heute zurückgelegt hat.
Die Geschichte des jüdischen Heldentums der Palmach-Mitglieder wird auf ausserordentlich bewegende Weise erzählt. Die modernsten Bild- und Tontechniken werden mit einer dreidimensionalen interaktiven und digitalisierten Inszenierung kombiniert.
Soviel zum technischen Aspekt des Besuchs. Doch wir wollten ein wenig mehr über die geistige, historische und sentimentale Dimension dieser Institution erfahren, die wirklich einen Besuch wert ist. Zu diesem Zweck haben wir den Direktor, ZEEV LACHISCH, getroffen, der uns mit grosser Herzlichkeit empfing.

Wie ist die Idee für ein solches Museum entstanden?

Es waren die Palmach-Veteranen, die vor sehr langer Zeit beschlossen, dass man eine Gedenkstätte schaffen müsste, die kein statisches Museum voller stummer, geschichtsträchtiger Gegenstände sein dürfe, sondern ein Ort, an dem die Identifikation mit der Vergangenheit auf interaktive Weise zustande kommen soll. Sie waren der Ansicht, dieses Vorgehen würde die nationale Identität unserer Jugend verstärken.

Kommen die noch lebenden Veteranen, um den Schülern im Museum von ihren Erfahrungen zu erzählen?

Sie haben sich dies zur Aufgabe gemacht. Dazu muss man wissen, dass wir Gruppen von höchstens 25 Personen aufs Mal empfangen können und dass das Museum für Besichtigungen durch Schulen ein Jahr im Voraus ausgebucht ist.

Einer der Beweggründe für die Schaffung dieses Museums ist die Verstärkung der nationalen und zionistischen Identität der Jugend. Sind Sie ganz allgemein der Ansicht, dass diese vom Bildungswesen nicht ausreichend gefördert wird?

Jeder Besuch durch eine Schule oder eine Gruppe Soldaten (und davon haben wir viele) endet mit einem Gespräch mit den jungen Leuten. Jedes Mal hören wir dieselben Kommentare: sie sind stolz darauf, was ihre Vorfahren erreicht haben, wie sie für ein Ideal gekämpft haben und fühlen sich nun in ihren Überzeugungen sehr bestärkt. Vor dem Besuch hielten zahlreiche junge Leute alles, was heute in Israel existiert, für eine Selbstverständlichkeit. Sie waren sich nicht bewusst, dass die Reise von Tel Aviv nach Jerusalem noch vor nicht allzu langer Zeit extrem schwierig war, da jede Durchfahrt eines Busses oder eines Konvois das Ergebnis enormer Anstrengungen war. Heute braucht man dank der neuen Autobahn nur noch 45 Minuten und das einzige Risiko besteht aus einem Verkehrsunfall!

Planen Sie eine Vergrösserung des Museums?

Wir haben nicht vor, eine museografische Abteilung im eigentlichen Sinne hinzuzufügen. Wir verfügen jedoch über ein sehr ausführliches Archiv sowie über einen Saal für wechselnde Ausstellungen, in dem wir regelmässig verschiedene Aspekte aus der Geschichte des Palmach vorstellen. Gegenwärtig bereiten wir eine Ausstellung über die Rolle der neuen Einwanderer im Unabhängigkeitskrieg und innerhalb des Palmach vor. In dieser Hinsicht ist es interessant zu sehen, dass in dieser Zeit fast alle Befehle auf Jiddisch, Deutsch, Russisch, Rumänisch oder Polnisch erteilt wurden, da die Immigranten kein Hebräisch verstanden. Gegen Ende des Krieges waren so zu sagen 50% der Kämpfenden Überlebende der Schoah.

Ihr Museum ist sehr stark auf die israelische Jugend und auf Besucher aus Israel ausgerichtet. Denken Sie nicht, dass ein Museum wie das Ihrige in einer Epoche, in der die Identifikation mit Israel in der Diaspora immer schwächer wird, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat und öfter von Juden aus aller Welt besichtigt werden sollte?

Wie Sie feststellen konnten, findet die Führung auf Hebräisch statt, kann aber dank einem Kopfhörersystem auch auf Englisch verfolgt werden. Wir werden das Sprachangebot auf das Französische, Spanische und Russische ausweiten. Während der Sommermonate stammen unsere Besucher zum grössten Teil aus dem Ausland, insbesondere die Gruppen von Jugendlichen. Die individuelle Besichtung nicht möglich. Es gibt nur Gruppenführungen, nach vorheriger Anmeldung.



Das Fotomuseum

Es ist bekannt, dass ein Mensch, wenn er aus seinem Land fliehen muss, immer etwas mitnimmt: seine Fotos. Diese zugleich stummen und so viel sagenden Erinnerungen enthüllen manchmal erstaunliche Geheimnisse. Die Abteilung für Fotografie des Palmach-Museums ist eine wahre Fundgrube in Bezug auf die Geschichte der Staatsgründung und des jahrelangen, oft im Untergrund geführten Kampfes, der ihr vorausging. Die Seele dieses Schatzes ist DITA PERACH, ehemalige Palmach-Kämpferin, die immerhin Piper-Pilotin war.
Auf welche Weise wurde nun dieser Schatz zusammengetragen? Anlässlich einer Versammlung ehemaliger Widerstandskämpfer, an der alle von der Idee sprachen, ein Museum zu gründen, sagte sie zufällig: «Und wer kümmert sich um die Fotos?». Da hat man natürlich sie mit dieser Aufgabe betraut, die sich sehr rasch als viel komplizierter herausstellte, als man gedacht hatte.
Zunächst mussten Fotos aufgetrieben werden. Im Jahr 1943 hatte aber die Haganah an alle ihre Angehörigen, insbesondere diejenigen des Palmach, den Befehl erlassen, alle Fotos zu zerstören, bevor sie eventuell in die Hände der Engländer gelangten. Obwohl zahlreiche Fotos daraufhin vernichtet wurden, hat man doch viele auch versteckt. Einen Tag vor der offiziellen Gründung des Palmach fuhr ein Schiff mit 23 Soldaten und einem englischen Verbindungsoffizier an Bord nach Tripolis im Libanon, um dort die Raffinerien zu sabotieren. Man hat nie erfahren, was ihnen zugestossen war, niemand hat je wieder von ihnen gehört. Eines Tages geriet jedoch Dita ein Foto ohne irgendeinen Vermerk in die Finger, auf dem eine Gruppe von Männern zu sehen war. Sie fragte einen ehemaligen Mitkämpfer, einen der Anführer des Palmach, ob er sie kenne. Beim Anblick des Bildes rief er aus: «Das sind die 23»! Durch diese aussergewöhnliche Entdeckung ermutigt, begann Dita das zusammenzustellen, was sie das lebendige Archiv nennt. Sie wollte um jeden Preis die Entstehung eines «Foto-Friedhofes» vermeiden, bei dem niemand mehr weiss, worum es eigentlich geht. Die auf den Fotos abgebildeten Personen mussten unbedingt einen Namen erhalten, die Ereignisse in allen Einzelheiten beschrieben werden. Da sie sich bewusst war, dass die Veteranen einer Generationen angehören, die allmählich ausstirbt oder deren Gedächtnis nachlässt, veröffentlichte sie einen Aufruf und bat darum, ihr Fotos zu bringen. Jedes Mal, wenn sie ein Bild erhält, bittet sie den Überbringer, ihr einen kleinen Bericht über die historischen Fakten zu schreiben: Datum, Ort, zeitgleiche Ereignisse usw. Danach legt sie Albums an, aufgeteilt nach Motiven, Regionen, Brigaden usw. Heute stellt die Fotoabteilung des Palmach-Museums eine wahre lebendige Enzyklopädie des Kampfes um die Wiederauferstehung Israels dar. Dort sind auch Fotos von geheimen Projekten und Trainings des Palmach zu finden. Eine Gruppe z.B. trainiert, um hinter die deutsche Front zu dringen. Die für diese Mission ausgewählten Männer waren in einer geheimen Basis im Negev zusammengekommen, sprachen Deutsch, trugen Naziuniformen und lernten, sich wie Nazis zu verhalten. Leider hat diese Einheit nie Gelegenheit erhalten, ihre Pläne umzusetzen.
Man kann sich fragen, an wen sich eine solche Abteilung wendet. Zunächst an die ehemaligen Widerstandskämpfer, die mit ihren Kindern und Enkeln kommen. Viele suchen auch nach den Fotos, auf denen ihre Eltern abgebildet sind.
Lassen wir zum Schluss Dita zu Wort kommen und die Zeit resümieren, die sie im Palmach verbracht hat: «Ich war ein Mädchen aus dem Kibbuz Danya, deren Eltern zu den ursprünglichen Gründern gehörten. Mein Vater war ein Pionier der zivilen und militärischen Luftfahrt in Israel. Daher habe ich einen Pilotenkurs besucht, sobald es mir möglich war. Doch da ich geheiratet hatte und Mutter geworden war, konnte ich nicht am Unabhängigkeitskrieg teilnehmen. Für uns, die damalige Jugend, entsprachen der Eintritt in den Palmach und das Mitkämpfen an vorderster Front der Verwirklichung eines Traums. In jener Zeit erfüllten die Mädchen dieselben Aufgaben wie die Männer, sie lenkten Lastwagen, trugen schwere Lasten, nahmen an Sabotage- und Aufklärungsaktionen teil, überschritten heimlich die Grenze oder infiltrierten Syrien oder den Libanon, wenn sie Arabisch sprachen. Dies war wirklich unser tägliches Brot, wir erfüllten nur unsere Pflicht. Heute bemühe ich mich nach Kräften, dass unser Einsatz nicht in Vergessenheit gerät und der jungen Generation als Vorbild dienen kann. Durch den Besuch unseres Fotoarchivs bereichern sich unsere Geschichte und unsere Berichte mit einer zusätzlichen Dimension: der Wirklichkeit.»


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