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Inhaltsangabe Interview Herbst 2004 - Tischri 5765

Editorial - September 2004
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Rosch Haschanah 5765
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Antisemitismus in 3-D

Natan Sharansky. Foto: Bethsabée Süssmann

Von Roland S. Süssmann
Wir leben in einer paradoxen Epoche, in der es immer mehr Veranstaltungen, Museen und Mahnmale zur Erinnerung an die sechs Millionen Juden gibt, die in Europa ermordet wurden, und in der gleichzeitig täglich die gemeinsten Angriffe gegen Israel in der internationalen Presse Schlagzeilen machen. Letztere dienen als Vorwand, um sowohl in Europa als auch in Neuseeland antisemitische Taten zu rechtfertigen. Angesichts dieser sehr komplexen Realität haben wir einen Experten in diesem Bereich um Erläuterungen gebeten. Wir sprachen also mit S.E. NATAN SHARANKSY, Minister der Jerusalem Affairs, der Diaspora und Mitglied des Inneren Kabinetts für Sicherheit der israelischen Regierung.

Würden Sie in Anbetracht der Tatsache, dass heute der Antisemitismus rasant zunimmt, kurz die Situation der jüdischen Gemeinschaft weltweit analysieren?

Wir stecken mitten im Krieg gegen den Terrorismus und es ist allen klar, dass es sich nicht um eine Stammesfehde zwischen Arabern und Juden handelt, sondern um den Kampf von Freiheit und Demokratie gegen die Welt des Terrors. Wir Juden in Israel könnten also eigentlich mit einem Minimum an Sympathie und Verständnis rund um den Globus rechnen. Doch neben diesem Krieg, den wir Seite an Seite mit den anderen demokratischen Ländern austragen, befinden wir uns in einem anderen Konflikt und kämpfen gegen eine neue Welle des Antisemitismus, wie wir sie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie erlebt haben. Wir stehen folglich vor einer doppelten Herausforderung: einerseits nehmen wir an erster Front an der weltweiten Bekämpfung des Terrors teil, während wir immer noch für unsere Daseinsberechtigung und unser Überleben kämpfen, andererseits müssen wir auch auf Angriffe reagieren können, die den Juden ihre demokratischen Freiheiten und Rechte wegnehmen wollen. Seit rund vier Jahren erleben wir die umfassende und systematische Verzerrung einer wesentlichen moralischen Errungenschaft, nämlich der Menschenrechte. Dies resultiert daraus, dass die freie Welt – und leider auch Israel – die Verdrehung der Regeln zugelassen haben, welche die Werte der Menschenrechte bestimmen. Sie werden nicht nur als Vorwand angeführt, um Diktaturen zu unterstützen, sondern dienen auch als Rechtfertigung für Terroranschläge. Diese Realität entstand nicht von heute auf morgen, sondern stammt aus dem Beginn des Osloer Prozesses. Als sich nämlich die Illusion eines Friedensabkommens auf dem Höhepunkt befand, lancierte die junge palästinensische Behörde mit der Unterstützung Ägyptens eine weltweite antisemitische Propagandakampagne. Diese Giftmischung wurde damals von allen Ländern «geschluckt», die davon ausgingen, dass die arabische Welt auf diese Weise dem so genannten «Friedensprozess» wohlwollender gegenüber stünde. Alle Welt wollte glauben, dass diese neue Form des Antisemitismus, den die Araber verbreiteten, nur eine Etappe auf dem Weg zum Frieden darstellen würde. In Wirklichkeit hat sich aber das, was ursprünglich nur eine «Episode» sein sollte, in eine hartnäckige Antisemitismus-Kampagne verwandelt, wie es sie seit 60 Jahren nicht gegeben hatte. Die wesentlichen Elemente dieses «neuen Antisemitismus» beziehen ihre Neuigkeit nur aus dem Unfang des verbreiteten Materials, denn die Themen sind dieselben wie schon im herkömmlichen Antisemitismus, die von Ägypten, Syrien, Saudi Arabien und der Palästinenserbehörde aufgenommen und verstärkt werden. Zur Veranschaulichung meiner Worte möchte ich das Beispiel des Fernsehsenders Al Manara zitieren, der in Abschnitten einen in Syrien produzierten 15-stündigen Film zeigte, der sich mit dem berühmten Thema des Mythos vom Ritualmord befasste, mit der Ermordung christlicher Kinder für die Herstellung von Mazzoth (ungesäuertes Brot). Eine der Filmszenen zeigt, wie zwei Juden mit Schläfenlocken einen Jugendlichen in einen Keller zerren, ihm dort die Kehle durchschneiden, dann sein Blut auffangen und es triumphierend einer jüdischen Mutter überreichen, die dem Herrn dankt, dass sie auf diese Weise wirklich koschere Mazzoth herstellen kann. Man muss sich vor Augen führen, dass dieser Film nicht nur in der arabischen Welt von Millionen von Fernsehzuschauern gesehen wurde, sondern auch von mehreren Millionen Menschen in Europa. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen. Nachdem ich den politischen Verantwortlichen in Deutschland, Spanien und Grossbritannien einen sechsminütigen Ausschnitt gezeigt hatte, gelang es mir, den Satellitenempfang dieses Fernsehsenders blockieren zu lassen. Frankreich zögerte zuerst, doch dank der Intervention des CRIF (Conseil Représentatif des Institutions Juives de France) haben der Premierminister und vier Minister den Filmausschnitt schliesslich gesehen. Anschliessend lösten sie ein Verfahren im Parlament und im Senat zur Ausarbeitung eines besonderen Gesetzes aus, das die Sperrung des Satellitenempfangs für ausländische Fernsehstationen gestattet. Am 30. Juli 2004 ist dieses Gesetz in Kraft getreten und Al Manara kann weder in Frankreich noch im restlichen Europa noch empfangen werden. Ich sehe dies als einen Sieg - wenn auch nur einen winzigen - in einem gigantischen Krieg an. Dazu muss man wissen, dass diese Art von antisemitischer Propaganda mit den Filmen vergleichbar ist, die zur Zeit Nazideutschlands in den Schulen gezeigt wurden. Heute sind diese Filme jedoch noch viel einflussreicher, da sie in Farbe gedreht werden und täglich Millionen von Haushalten erreichen. Es muss einem klar sein, dass diese Art von Propaganda in Europa auf extrem fruchtbaren Boden fällt, denn die heftigste und härteste Kritik gegenüber Israel schafft eine günstige Atmosphäre für die Verbreitung scheusslichster judenfeindlicher Thesen. Wenn wir unseren Gesprächspartnern die Hintergründe dieser «neuen» Form des Antisemitismus zu erklären versuchen, erhalten wir immer wieder dieselbe Antwort: «Versucht nicht, die legitime Kritik an Israel zu unterbinden». Dies wirkt umso lächerlicher, als es nur wenige Länder auf der Welt gibt, in denen die Selbstkritik so fest in den Gewohnheiten verankert ist wie in Israel. Wenn man diese neue Welle des Antisemitismus bekämpfen will, muss man zunächst begreifen, dass sie aus drei Dimensionen besteht, ja, es ist eigentlich ein 3D-Film. Das erste «D» steht für die Diabolisierung Israels, das zweite für Doppelbödige Normen und das dritte für seine Delegitimierung. Heute wird Israel mit denselben Waffen angegriffen, deren sich die Antisemiten während Jahrhunderten bedient haben, um ihre Attacken gegen die Juden zu rechtfertigen. Die Diabolisierung Israels findet sozusagen täglich in der so genannten liberalen Presse statt. So vergleicht man den jüdischen Staat beispielsweise mit Nazideutschland, Ariel Sharon mit Hitler und die Flüchtlingslager mit Auschwitz. Insbesondere der letztgenannte Punkt veranschaulicht, wie geschickt die bewusste Diabolisierung betrieben wird. Man versucht zu beweisen, dass die Juden und Israel die Vertreter des Satans und des Bösen auf Erden sind und dass sie deswegen erbittert bekämpft werden müssen. Beim zweiten «D» hingegen, den doppelbödigen Normen, handelt es sich um das legale (oder vielmehr illegale) Werkzeug, das von den Antisemiten am häufigsten verwendet wird: während Jahrhunderten besassen zahlreiche Länder nämlich unterschiedliche Gesetze für Juden und Christen. Heute wäre es undenkbar, eine derartige Gesetzgebung in einem demokratischen Land einzuführen, doch es ist durchaus möglich, auf internationaler Ebene die Regel von den zwei verschiedenen Ellen auf Israel anzuwenden. Einige Beispiele unter Tausenden mögen diese Methode veranschaulichen. In der Menschenrechtskommission der UNO wurde Israel öfter verurteilt als sämtliche Diktaturen zusammen. Auf der anderen Seite ist Israel das einzige Land auf der Welt, das von 150 Nationen verurteilt wurde, was die Anwendung der Genfer Konvention betreffend die Behandlung von Kriegsgefangenen angeht. Dabei braucht man nur zu sehen, wie sie in Israel behandelt werden und wie man einige Kilometer von uns entfernt in Syrien mit ihnen umspringt… Es ist absolut offensichtlich, dass die Verwendung solcher doppelbödiger Normen nichts anderes ist als ein antisemitisches Vorgehen. Auch das letzte «D», dasjenige der Delegitimierung, entspricht einer sehr alten judenfeindlichen Tradition. Die Geschichte, das Schicksal und die Nation der Juden wurden im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder delegitimiert. Heute setzt sich in Europa, vor allem in Frankreich und Grossbritannien und in amerikanischen Universitäten, immer stärker die These durch, dass die Existenz des Staates Israel an sich nicht legitim sei. Diese derart verbreitete Idee besagt, dass Israel in Wirklichkeit die letzte überlebende Schöpfung der Kolonialzeit sei. Schliesslich, so meinen die Kritiker, wurden alle Kolonien aufgegeben, die Kolonialherren sind nach Hause zurückgekehrt. Warum, so fordern sie, gehen die aus Europa, aus verschiedenen arabischen Ländern und den USA stammenden Juden nicht einfach wieder in ihre Ursprungsländer zurück? Warum und mit welchem Recht sollten die Juden im Nahen Osten bleiben, wo sie den Ländern in dieser Region ihren Staat aufdrängen? Ich denke, dass wir in diesem einen Punkt der Delegitimierung erst am Anfang eines Prozesses stehen, dessen Auswüchse sich rasch fortpflanzen und die es im Keim zu ersticken gilt.

Was schlagen Sie vor, um der so aktiven Förderung des Antisemitismus in der ganzen Welt Einhalt zu gebieten?

Wie bei einem 3D-Film muss man eine entsprechende Brille tragen, um alle seine Aspekte wahrzunehmen. In unserem Fall geht es darum, das Ausmass der Gefahren zu erfassen, die jedes dieser Elemente in sich trägt. Meines Erachtens sollte jeder von uns jedes Mal, wenn ihm eine «legitime Kritik an Israel» zu Ohren kommt, diese «Kritik» im Lichte der oben erwähnten drei «D» analysieren. Dadurch könnte das Ausmass des Antisemitismus erfasst werden, insbesondere in Europa, wo diese Methode von der so genannten «liberalen» Presse aktiv unterstützt wird, indem sie täglich die angeblich verfochtenen Grundprinzipien der Menschenrechte verzerrt. Dazu möchte ich meinen Denkmeister Andrei Sakharov zitieren: «Die Menschenrechte haben nur in einer wirklich freien Gesellschaft ihren Platz und können nur dort verteidigt werden». Heute stecken wir mitten in einem Krieg, in dem sich die freie Gesellschaft und die Diktaturen gegenüber stehen, und es ist einfach unzulässig, dass die Diktaturen mit ihrer Ablehnung der freien Welt internationale Unterstützung erhalten, und zwar unter dem Vorwand, dass dadurch die besagten Menschenrechte gefördert und angewendet werden. Genau dies ist heute zu beobachten, und dadurch wird unser Kampf so erschwert.
Im Hinblick darauf, was wir unternehmen können, müssen wir wohl zunächst ein wenig in uns gehen und uns fragen, ob wir wirklich an die Berechtigung unseres Anliegens glauben. Wir müssen davon überzeugt sein, dass unsere Wahrheit die richtige ist, dass wir kämpfen müssen, um ihr zum Triumph zu verhelfen, und uns ausserdem der Tatsache bewusst sein, dass das, was für uns gut ist, auch für den Rest der freien Welt gut ist. Hier liegt übrigens das Geheimnis unseres Erfolgs in der UdSSR: wir wussten, dass die Wahrheit auf unserer Seite stand und dass die Unterstützung des jüdischen Volkes stark und unerschütterlich war. Das hatten die Sowjetrussen damals verstanden und hatten vor allem gemerkt, dass der Antisemitismus ihnen nur schadete. Dies gilt auch heute noch, zahlreiche Menschen werden sich des Schadens bewusst, den ihnen der Antisemitismus zufügt, und verstehen auch, dass das Ertragen von totalitären Regimes letztendlich nichts Gutes bewirkt. Doch die Beziehung zwischen dem herkömmlichen Antisemitismus und seiner neuen Ausprägung, wie ich sie beschrieben habe, wird nicht immer sofort erkannt. Sie muss insbesondere zunächst von den Juden selbst erkannt werden. Ein Beispiel dazu: ich habe vor kurzem den Campus der 21 wichtigsten amerikanischen Universitäten besucht. In einigen von ihnen erwies sich die Situation als sehr schwierig, denn in den letzten zwanzig Jahren haben die arabischen Länder grosse Anstrengungen unternommen, um «Nahost-Studienzentren» zu schaffen und zu fördern. Folglich lehrt an diesen Universitäten fast kein Professor die Geschichte des Nahen Ostens, ohne sie mit antizionistischer und propalästinensischer Propaganda zu spicken. Auch da wird das angebliche Banner der Menschenrechte in extrem demagogischer Art zur Stigmatisierung Israels eingesetzt. Ich habe aber festgestellt, dass sich das Klima auf einem Campus sehr schnell verändert, wenn ein solider Kern jüdischer Aktivisten vorhanden ist, die sich nicht scheuen, etwaige Vorfälle zu melden, die sich nicht fürchten zu ihrer Identität zu stehen, die sich in der historischen Wahrheit und den Tatsachen vor Ort auskennen und auf die gemeinsten und hinterhältigsten Angriffe zu reagieren wissen. So ist z.B. eines der meistdiskutierten Themen an den amerikanischen Universitäten das Frauenrecht. Nun ist es ein Leichtes zu beweisen, dass dieses in den Regionen, die der Kontrolle der palästinensischen Behörde unterstehen, fast täglich verletzt wird, und zwar nicht insgeheim oder illegal, sondern mit der Zustimmung und Unterstützung der lokalen Behörden. Die einzige Möglichkeit für eine Frau, ihrem Leid zu entkommen und einer möglichen Ermordung zu entgehen, besteht aus der Flucht nach Israel. Ein weiteres berühmtes und populäres Anliegen ist dasjenige der Homosexuellen. Wenn ein Schwuler seine Identität in Ramallah frei ausleben will, steht ihm nur ein Weg offen: er muss in Jerusalem Asyl verlangen. Daher ist es immens wichtig, dass die Juden keine Angst haben, dass sie sich nicht entmutigen lassen und vor allem dass sie nicht fürchten, dass sie, wenn sie Israel und die Sache der Juden offen unterstützen, in irgendeiner Weise benachteiligt werden, sei es im Hinblick auf ihre akademische oder berufliche Karriere. Man muss sich klar machen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt – ich bin zahlreichen Studenten und jungen Juden begegnet, die ins Berufsleben einstiegen und mir im Klartext sagten: «Wenn wir offen zu unserer Unterstützung für Israel stehen, laufen wir Gefahr in unserer Arbeit nachhaltig diskriminiert zu werden». Ich antwortete ihnen: «Ihr befindet euch in einer sehr gefährlichen Lage. Das amerikanische Judentum verfügt nicht über die Mittel, zu «Juden des Schweigens» zu werden. Heute ziehen es aber 70% der jungen Juden an den Universitäten aus Angst vor, Stillschweigen zu bewahren. Wir, die Juden der UdSSR, waren Juden des Schweigens, doch es ist uns gelungen, diese lähmende, bleierne Wand zu durchbrechen.» Dies beunruhigt umso mehr, als die jüdische Gemeinschaft in den USA die reichste und mächtigste der Welt ist, ausserdem ist sie fest etabliert im Land der Freiheiten. Wir stehen demnach vor einer riesigen Herausforderung, nämlich zu wissen, wie wir unsere Jugend stärken sollen. Auch wenn Israel also bei der Meisterung dieser Herausforderung eine wichtige Rolle zukommt, teilen doch die jüdischen Gemeinschaften in aller Welt diese Verantwortung mit uns. Insbesondere in den USA sind die Gemeinschaften sehr reich, sehr mächtig und verfügen über sehr viel Einfluss, doch sie setzen keinen einzigen dieser Vorzüge zur Unterstützung unserer gemeinsamen Sache ein: für Israel und den Kampf gegen den Antisemitismus. Auch hier wieder veranschaulicht ein überraschendes Beispiel meine Worte. Kürzlich besuchte ich eine sehr grosse amerikanische Universität. Im Verlauf eines Gesprächs mit den Studenten wurde ich von ihnen gefragt, ob ich ihnen dabei helfen könne, den Präsidenten der Universität zu treffen, damit sie ihm einige Tatsachen betreffend antisemitische Handlungen berichten könnten, die sich an dieser Uni zugetragen hatten. Seit einem Jahr (!) baten sie bereits um einen Termin, ohne Erfolg. Am Abend traf ich die Verantwortlichen der Gemeinde und sagte ihnen: «Die Juden dieser Stadt haben mehr Geld in die Universität investiert als sonst irgendjemand und vor allem mehr als die Araber, die heute ungehindert ihr Gift verbreiten. Ihr braucht nur zum Telefon zu greifen, um mit dem Präsidenten zu sprechen. Wie kommt es, dass die Studenten auf meinen Besuch warten mussten, um ihn sehen zu können? Ihr beklagt euch immer, dass Israel in Bezug auf Information und Propaganda, die berühmte Hasbarah, nicht genug unternimmt, doch ihr, ihr tut nicht einmal die einfachsten Schritte. Dies muss sich ändern, und zwar rasch.»

Trägt Israel Ihrer Meinung nach einen Teil der Verantwortung für diese negative Entwicklung?

Leider haben wir in grossem Ausmass dazu beigetragen, diese moralische Konfusion zu schüren, wo die Menschenrechte zur Bekämpfung der Freiheit eingesetzt werden und wo es fast nicht mehr möglich ist, das Böse vom Guten zu unterscheiden. Unser Beitrag zu dieser Verwirrung begann 1993, als wir einen korrupten Despoten in einigen Teilen der Gebiete einsetzten und beschlossen, wir müssten die arabische Bevölkerung dieser Regionen einer blutigen Diktatur unterwerfen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Der damals übliche Slogan lautete: «Ohne Menschenrechtsorganisationen, ohne Obersten Gerichtshof und ohne freie Presse wird Arafat den Hamas besser und ebenso effizient bekämpfen als wir». Wir haben nicht nur bewusst die Augen verschlossen angesichts der Ausschreitungen, sondern haben diesen Despoten auch unterstützt, mit Waffen beliefert und finanziert, dies alles im Namen eines völlig illusorischen Friedens. Wie alle Diktatoren braucht Arafat einen Feind, und wir waren die ideale Zielscheibe. Er verwendete folglich jeden Rappen, um uns mit Hilfe des Terrorismus zu bekämpfen, aber auch um den Hass gegen uns zu schüren. Auf diese Weise, indem wir ihn einsetzten und unterstützten, trugen wir gleichzeitig zur oben erwähnten moralischen Verwirrung bei und verstärkten die Illusion, dass man durch die Unterstützung eines korrupten Diktators die weltweite Situation verbessern kann.

Vor kurzem gab Premierminister Ariel Sharon eine sehr bedeutsame Erklärung ab und warnte die Juden in Frankreich vor den Gefahren, die auf sie lauern, lud sie ein, sofort oder so bald als möglich nach Israel zu ziehen. Welches ist Ihrer Ansicht nach das Land, in dem die Juden heute am meisten gefährdet sind?

Ich glaube eigentlich nicht, dass die Alijah (die Immigration nach Israel) aus Furcht oder aufgrund der Tätigkeit von Antisemiten erfolgen sollte. Ich wünsche mir, dass die Juden aus Überzeugung und aus allen anderen möglichen guten Gründen nach Israel ziehen. Alle Statistiken zeigen jedoch, dass die Zukunft des jüdischen Volkes einzig und allein in Israel liegt. Überall auf der Welt sind die Gemeinschaften im Niedergang begriffen, ausser in Frankreich, wo ein Zustrom von Juden aus Nordafrika zu verzeichnen ist, und in Deutschland, wo sich die Juden aus den osteuropäischen Ländern niedergelassen haben. Es gilt auch als erwiesen, dass das Überleben jedes einzelnen Juden eng mit Israel verknüpft ist.

Viele von uns fragen sich, wann der richtige Zeitpunkt für die Abreise gekommen ist?

Derjenige, der die immer häufiger auftretenden warnenden Vorzeichen nicht wahrnehmen will, wird sie nie sehen und folglich überrascht sein, wenn es plötzlich zu spät ist. Im Verlauf unserer gesamten Geschichte sind wir dieser Art von Situation begegnet, insbesondere vor der Schoah.

Ein Gespräch mit einem Minister der israelischen Regierung wäre unvollständig, wenn ich ihn nicht zu seiner Meinung betreffend die gegenwärtige Lage im Nahen Osten befragte. Glauben Sie, dass die amerikanische Präsenz in der Region tatsächlich eine grundlegende Veränderung herbeigeführt hat?

Man darf die Bedeutung dieser äusserst bedeutsamen strategischen Änderung gewiss nicht unterschätzen, die daraus besteht, dass das Regime von Saddam Hussein zerstört wurde. Zum ersten Mal in unserer Geschichte bildet unsere östliche Grenze keine Front mehr. Zahlreiche Länder mögen uns nicht besonders, doch auch wenn wir vor vielen schweren Herausforderungen stehen, sind wir doch im Moment von jeder Bedrohung befreit, die von einem Land im Osten der längsten Grenzlinie Israels ausgehen könnte. Heute sind die grössten uns drohenden Gefahren in Ägypten zu situieren, das in völlig massloser Weise aufrüstet, sowie im Rahmen der palästinensischen Behörde.
Leider leben wir trotz der guten Nachricht betreffend unsere Ostgrenze in einer äusserst gefahrvollen Zeit. Eine neue Illusion setzt sich nämlich weltweit und innerhalb unserer politischen Führung allmählich durch, die besagt, dass die Sicherheit nur dann in dieser Region gewährleistet und weltweit verstärkt werden kann, wenn man die Diktaturen durch unilaterale Konzessionen besänftigt. Es ist jedoch wohl bekannt, dass die Besänftigung und Festigung terroristischer Regimes nicht nur zu noch mehr Leid für die von ihnen unterdrückten Menschen führt, sondern auch für die umgebenden Staaten und die übrige Welt, wenn es nicht gar direkt zu einem bewaffneten Konflikt führt. Was unsere Region betrifft, haben wir dadurch, dass wir die Idee der einseitigen Zugeständnisse akzeptieren, auch folgenden Ausspruch Arafats akzeptiert: «Keine Juden auf den von mir kontrollierten Gebieten». Israel, eine freie und demokratische Gesellschaft, lässt es also mit anderen Worten zu, dass eine Diktatur die Forderung durchsetzt, einige Regionen Israels hätten völlig «judenrein» zu sein. Kein einziger israelischer Politiker, ich am wenigsten, könnten die Idee vertreten, dass Araber aus ihren Häusern vertrieben werden, nur damit gewisse Zonen Israels keine arabische Bevölkerung mehr aufweisen. Für mich ist der Gedanke es zu akzeptieren, dass die Diktatur Arafats vor unseren Augen nach freiem Ermessen vorgehen darf und dass allein zum Vorteil seiner Sache Juden mit Gewalt aus ihren Häusern vertrieben werden, völlig undenkbar und ich bekämpfe ihn mit aller Kraft.


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