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Inhaltsangabe Reportage Frühling 2002 - Pessach 5762

Editorial - Frühling 2002
    • Editorial

Pessach 5762
    • Optimismus ist unerlässlich

Politik
    • Zu besserem Bewusstsein

Interview
    • Der Schlüssel zum Sieg
    • Tourismus und Terrorismus

Strategie
    • Die dritte Streitkraft

Terrorismus
    • Die neue Logik Des Terrorismus

Reportage
    • Notfallstation
    • Die Moral stärken

Judäa – Samaria – Gaza
    • Das Leben geht weiter

Judäa - Samaria - Gaza
    • Stop in Rechelim

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Kroatien
    • Stjepan Mesic – Präsident der Republik Kroatien
    • Jerusalem und Zagreb – Ljubljana – Bratislava
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    • Glavni Rabinat u Hrvatskoj
    • Eine ungewöhnliche Bibliothek
    • Die Schoah in Kroatien
    • Die Ustascha
    • Singen zum Überleben
    • Eine entscheidende Wende

Ethik und Judentum
    • Ins Privatleben Eingreifen ?

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Notfallstation

Von Roland S. Süssmann
Seit über anderthalb Jahren provoziert Arafat jüdisches Blutvergiessen in Israel, und zwar zum einzigen Zweck, durch den von ihm «Kampf» genannten Terror politische Vorteile zu erlangen, die ihm die Verwirklichung seines Traums ermöglichen könnten, die Vernichtung nämlich des jüdischen Staates. Dies führt zu unbeschreiblichem Leid, zu Hunderten von Toten und unzähligen Verletzten – die oft ein Leben lang als Krüppel leben müssen, ganz zu schweigen von den Menschen, die für immer seelisch aus der Bahn geworfen werden. Angesichts dieser Situation hat es sich eine Gruppe von einsatzfreudigen Männern und Frauen zur Aufgabe gemacht, sich unter Aufbietung aller Kräfte der Realität der Machtüberschreitungen von Arafat zu stellen: es sind die medizinischen Teams der israelischen Spitäler.
Um die Situation im Fall einer Krise besser zu veranschaulichen und um zu zeigen, wie die Notfallstation funktioniert und wie die Krankenhäuser organisiert sind, haben wir mit Professor JONATHAN HALEVY gesprochen, dem Generaldirektor des Spitals Schaare Zedek, des einzigen grossen Krankenhauszentrums mitten in Jerusalem.

In diesen harten Zeiten muss Ihr Spital immer wieder grossen Einsatz leisten und eine enorme Zahl von mehr oder weniger Schwerverletzten betreuen. Wie gehen Sie mit diesen Notfallsituationen um?

Leider besitzt unser Krankenhaus sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet, so dass sich bei unseren Teams, die sorgfältig vorbereitet und ausgebildet werden, bereits eine Form von Routine entwickelt hat. Bei einer grösseren Katastrophe wird jeder von uns sofort durch eine Computerbotschaft informiert, und alle, d.h. tausend Personen, wissen in diesem Moment, wohin sie sich zu begeben haben, um sinnvoll mithelfen zu können. Man muss sich bewusst machen, dass eine Vielzahl von Rettungsaktionen gleichzeitig an verschiedenen Stellen des Spitals ablaufen, in das die Opfer eingeliefert werden. Im Allgemeinen trifft der Magen David Adom, d.h. die Teams der Rettungswagen des israelischen Roten Kreuzes, als Erster am Ort des Vorfalls ein und seine Mitarbeiter alarmieren die vier Spitäler in Jerusalem: Hadassa Ein Karem, Schaare Zedek, Bikur Cholim und das Mont Scopus. Hadassa liegt ein wenig ausserhalb der Stadt, Bikur Cholim befindet sich in der Stadt, verfügt aber weder über eine Abteilung für schwere Brandverletzungen, noch über eine Station für orthopädische Chirurgie oder für Ophtalmologie, die drei wesentlichen Abteilungen bei Terrorangriffen; das Spital vom Mont Scopus wiederum besitzt nur 190 Betten und verfügt nicht über eine Traumatologie-Abteilung. So können die Armee und die Bevölkerung im Falle eines Terroranschlags nur auf zwei Spitäler zählen, auf Hadassa Ein Karem und Schaare Zedek.
Sobald wir vom Magen David Adom alarmiert werden, ist unser Haus innerhalb von wenigen Minuten bereit. Anlässlich des Selbstmordattentats an der Strasse Ben Yehudah im vergangenen Dezember beispielsweise befand ich mich 12 Autominuten vom Krankenhaus entfernt und traf demnach zusammen mit den ersten Verletzten ein. Ein Team von 150 Personen wartete bereits auf ihren Posten, darunter Ärzte, Krankenschwestern usw. Der anschliessende Ablauf sieht immer gleich aus. Die ersten Verletzten, die über die Notaufnahme hereinkommen, werden sofort weitergeleitet, damit die nächsten betreut werden können. Sie werden in die verschiedenen Stationen oder in einen speziell eingerichteten Saal gebracht, der hinter der Notaufnahme liegt und mit Sauerstoffanschlüssen ausgerüstet ist. In dieser Zeit werden überall im Krankenhaus medizinische Teams zusammengestellt. Wir verfügen ebenfalls über eine Abteilung, die ausschliesslich für unter Schock stehende Personen reserviert ist, und in der alle unsere Psychiater, Psychologen und Sozialhelfer bereit sind, die Patienten zu empfangen, ohne dass diese erst über die Notfallstation eingeliefert werden müssen. Diese von Panik erfüllten Opfer machen ca. 30 bis 40% der Verletzten aus. Parallel dazu besitzen wir ein Informationszentrum für die Familien, wo Sozialhelferinnen und –helfer des Spitals selbst sowie freiwillige Mitarbeiter mit einer Sonderausbildung tätig sind. Dieses Zentrum umfasst eine Telefonzentrale, damit man die Anrufe der Hunderte von Familien entgegennehmen kann, die wissen möchten, ob ein vermisster Angehöriger sich unter den Opfern befindet. Selbstverständlich wird sofort ein ständiger Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Spitälern in Gang gesetzt und ungefähr eine Viertelstunde nach einem Terroranschlag beginnen wir die Namenslisten auszutauschen.

Wie identifizieren Sie die Opfer?

Die meisten von ihnen sind in der Lage, ihre Identität anzugeben. Wir fotografieren alle Personen, die bewusstlos sind, obwohl wir in vielen Fällen in ihren Taschen einen Hinweis auf ihre Identität finden. Für diese Arbeit der Identifizierung haben wir eine besondere Gruppe ausgebildet. Es gibt aber immer einige Menschen, die nicht bei Bewusstsein sind und in den ersten Stunden anonym bleiben, bis die Polizei oder ein Angehöriger sie identifizieren kann.

Nach welchen Prinzipien erfolgt die Weiterleitung der Verletzten in der Notaufnahme?

Die erste Aufteilung erfolgt am Ort des tragischen Geschehens selbst, wenn die Wahl des Spitals getroffen wird. Alle neurologischen Traumata werden in der Regel automatisch ins Krankenhaus Hadassa geleitet, denn es besitzt, im Gegensatz zu uns, über eine Abteilung für Neurochirurgie. Hier in Schaare Zedek verfügen wir über die beste Station für Thorax-Chirurgie, an der Dr. Maher Deeb, ein israelischer Araber, wahre Wunder vollbringt. Aus diesem Grund werden alle Opfer mit Thoraxverletzungen automatisch zu uns gebracht. Einer unserer besten Chirurgen, der im Allgemeinen viel Erfahrung mit dieser Art von Situationen hat, nimmt jede Ambulanz in Empfang und beurteilt mit einem raschen Blick den Zustand des Patienten. Ist die Person sehr schwer verletzt, bleibt sie nicht in der Notfallstation, sondern gelangt direkt in den Operationssaal, wo ein einsatzbereites Chirurgen-Team sofort eingreifen kann. Die Diagnose zum genauen Zustand des Patienten geschieht während der Operation. Ist das Opfer schwer verletzt, muss jedoch nicht sofort operiert werden, wird es in die Traumatologie-Abteilung der Notfallstation gebracht, wo sein Zustand genau überprüft wird. Mittelschwer verletzte Personen werden in einen anderen Teil der Notfallstation dirigiert, und schliesslich gibt es noch die Leichtverletzten, die nach einer kurzen Untersuchung und einer lokalen Behandlung nach Hause gehen können. Jedes Opfer, das in einer Ambulanz eintrifft, wird von einem medizinischen Team in Empfang genommen, das eine Krankenschwester, einen Chirurgen und eine medizinische Sekretärin umfasst, die alle Einzelheiten in Bezug auf den Verletzten notiert. Handelt es sich um ein Kind, wird das Team um einen Kinderarzt erweitert. Wir besitzen zwölf Operationssäle, die in normalen Zeiten jeder eine spezielle Funktion erfüllen: Gynäkologie (bei uns kommen im Schnitt 850 Kinder pro Monat zur Welt), Kardiologie usw.
Man darf nicht vergessen, dass sich die Notfallstation während dieser Einteilung der Patienten sehr rasch füllt. Anlässlich des Selbstmordattentats von Ben Yehudah haben wir innerhalb von 35 Minuten 84 Personen aufgenommen. In diesem Fall kommt es in der Röntgenabteilung, bei den Scannern und bei der NMR immer zum «Stau», die Patienten werden je nach Schwere ihrer Verletzung behandelt. Diejenigen, deren Kreislauf stabil ist und die offensichtlich Knochenbrüche erlitten haben, müssen warten, wir geben ihnen Morphium, damit sie keine Schmerzen leiden. In der Röntgenabteilung arbeiten die Radiologen mit Chirurgen zusammen, welche die Patienten beobachten und sofort entscheiden, ob sie unverzüglich operiert werden müssen oder ob sie zunächst in die orthopädische Abteilung überführt werden sollten usw. Bei den jüngsten Anschlägen haben sich, wie Sie ja wissen, die Kamikaze-Attentäter mit Hilfe von Bomben in die Luft gejagt, die mit Nägeln und Schrauben gefüllt waren. In zahlreichen Fällen haben wir die Operationen erst drei bis vier Tage später durchgeführt. Es waren keine dringenden Fälle, da sich die Fremdkörper in einem Körperteil befanden, wo sie keine lebensgefährliche Verletzung verursacht hatten; es reichte aus, die Patienten zu überwachen und die Wunden zu desinfizieren.

Wie wissen Sie, wenn eine bewusstlose und schwer verletzte Person unverzüglich operiert werden muss, ob sie auf das eine oder andere Produkt, das Sie ihr während des Eingriffs verabreichen werden, allergisch reagiert oder nicht?

In der Regel umgehen wie diese Fragen ganz bewusst, denn es gibt sehr viel dringendere Prioritäten, die zuerst beachtet werden müssen. Wenn ein Patient im Verlauf der Operation plötzlich Zeichen einer allergischen Reaktion zeigt, verabreichen wir ihm Kortison. Man muss sich klar machen, dass es in diesen Situation auf jede Minute, ja sogar auf jede Sekunde ankommt. Nicht selten müssen wir auch Bluttransfusionen 0-minus durchführen, ohne zuvor die Blutgruppe getestet zu haben. In der Regel empfehlen wir jedem Menschen, der an einer schweren Krankheit leidet und besondere Medikamente einnimmt, ein Armband mit einem Mindestmass an Informationen zu tragen.

Sie haben gesagt, dass Sie eine besondere Abteilung für die Behandlung von Schockpatienten besitzen. Wie werden diese betreut?

Die unter panischer Angst leidenden Patienten werden durch unsere Spezialisten-Teams betreut: zu ihnen gehören unsere drei spitalinternen Psychiater und eine Gruppe von freiwilligen Psychiatern, die in der Stadt eine Praxis besitzen. Diese Ärzte sind es nicht nur gewohnt, unter besonderen Bedingungen mit uns zusammen zu arbeiten, sie haben auch sehr viel Erfahrung mit psychologischen Traumata. Die meisten von ihnen wurden nämlich während den Kriegen in Israel oder im Libanon mit dieser Art von Schockpatienten konfrontiert und haben Menschen behandelt, die miterleben mussten, wie ihre besten Freunde starben oder vor ihren Augen zerfetzt wurden. Es gibt ganz spezifische Behandlungsmethoden für Patienten, die nach einem bewusst herbeigeführten gewalttätigen Ereignis unter Schock stehen, dazu gehört z.B. eine bestimmte Form der Hypnose.

Vor einigen Monaten ist in Jerusalem ein Festsaal mit dem prestigeträchtigen Namen «Versailles» während einer Hochzeitsfeier zusammengestürzt und hat Dutzende von Verletzten und zahlreiche Todesopfer gefordert. Haben Sie bei dieser Gelegenheit eine andere Form von Verletzungen oder Schockzuständen vorgefunden?

Nach dieser Katastrophe wurden in unserem Krankenhaus 110 der 340 Opfer behandelt, und der wichtigste Unterschied zwischen diesem Unfall und einem Terroranschlag weist zwei Aspekte auf. Wenn man sich in Israel an einen öffentlichen Ort begibt, der von vielen Menschen aufgesucht wird, an dem es von Menschen geradezu wimmelt, ist jedem bewusst, dass ein gewisses Risiko eines Attentats besteht. Doch die Leute tun ihr Möglichstes, um ganz normal weiterzuleben, um ins Café, ins Kino zu gehen usw. Wenn jemand an ein Fest, zu einem fröhlichen Ereignis eingeladen ist, hat er eine ganz andere Einstellung; niemand denkt dann an diese Gefahr. Ich würde sogar behaupten, dass alle Gäste irgendwie von einer Last befreit sind. Das Ausmass des Überraschungseffekts hat bewirkt, dass der Schock viel tiefer sass und ganz anders geartet war. Bei den eigentlichen Verletzten darf man nicht ausser Acht lassen, dass es im Gegensatz zu dem Anschlag, wo 84 Personen innerhalb von 35 Minuten in unserer Notfallstation eintrafen, bei der Katastrophe im «Versailles» Stunden dauerte, bis man die Verletzten unter den Trümmern bergen konnte, so dass sie während eines Zeitraums von zwölf Stunden bei uns eingeliefert wurden. Darüber hinaus haben diese Personen, die unter den Trümmern lagen, neben ihren Verletzungen auch speziell schwere Schocks erlitten, da sie mitansehen mussten, wie ihre Angehörigen tot oder in Schmerzen neben ihnen lagen, ganz zu schweigen von den Momenten, ja gar den Stunden der panischen Angst, die sie durchgemacht haben. Wir haben den jungen Bräutigam, seinen Bruder und seine Eltern hier behandelt, was auf emotionaler Ebene besonders schwierig war.

Während Sie die Opfer einer bedeutenden Katastrophe betreuen, muss das Spital seinen Betrieb normal weiterführen. Wie sind Sie organisiert, um mit diesen Situationen fertig zu werden?

Diese Notfallsituationen stellen für die Spitäler in der Tat zusätzliche Arbeit dar, doch wir müssen immer Prioritäten setzen. Wenn jemand beispielsweise seit mehreren Monaten darauf wartet, dass man ihm eine neue Hüfte einsetzt, bitten wir ihn um noch etwas mehr Geduld. Alle Operationen, die nicht wirklich dringlich sind, werden ganz einfach verschoben, doch dies heisst nicht, dass wir unsere Tätigkeit einschränken, ganz im Gegenteil. Wir stellen noch mehr Mitarbeiter ein, wir sind im Turnus mit verschiedenen Teams tätig und unsere OPs sind Tag und Nacht rund um die Uhr in Betrieb, da es oft vorkommt, dass mehrere Operationen nacheinander stattfinden müssen.

Wir haben Ihre Notfallstation besichtigt, die auf den ersten Blick nicht riesig aussieht. Denken Sie an eine Vergrösserung?

Ja, denn sogar in ruhigen Zeiten leiden wir unter Platznot. Im vergangenen Winter beispielsweise wurde Jerusalem von einer Grippewelle heimgesucht. An einem einzigen Wochenende haben wir fast fünfzig Kranke betreut, die eine Lungenentzündung entwickelt hatten, und wir waren innert kürzester Zeit voll belegt. Darüber hinaus zählt, wie ich Ihnen bereits sagte, die Zivilbevölkerung, aber vor allem die Armee, im Fall einer Katastrophe auf unseren Einsatz. Die jüngsten Selbstmordattentate sowie die Katastrophe vom «Versailles» haben gezeigt, dass genügend Raum für uns lebenswichtig ist, damit wir unserer Aufgabe nachkommen können. Ausserdem zählt die Armee auch auf unsere Hilfe im Falle eines Kriegs mit biologischen oder chemischen Waffen. Zu diesem Zweck haben wir vor kurzem eine Dekontaminierungszone eingerichtet. Unsere Notfallstation weist heute ca. 950 m2 auf und wir können vierzig Patienten aufnehmen. Wir beabsichtigen, sie um Einiges zu vergrössern, da wir gleich daneben einen Anbau von 3000 m2 mit einem Warteraum und einem digitalisierten Röntgensystem planen, dank dem die Chirurgen in allen unseren zwölf OPs die Röntgenaufnahmen sofort auf ihrem Computer abrufen können. Natürlich werden wir auch alle bereits existierenden Abteilungen verbessern, vor allem den Bereich der Traumatologie.

Können Sie uns mit wenigen Worten erklären, wie die Dekontaminierungszone funktioniert?

Bei einem chemischen oder biologischen Angriff beginnt jede Behandlung mit einer Dekontamination. Um jede Form der Kontaminierung zu vermeiden, werden alle Personen vor dem Eintreten ins Krankenhaus ungefähr 15 bis 20 Minuten unter einer starken Dusche verbringen müssen. Der Verletzte wird in ein Spezialnetz gelegt und mit Hilfe von Wasser und Seife am ganzen Körper dekontaminiert. Für den Winter verfügen wir über Warmwasserduschen. Im Fall von Verletzten, die auch kontaminiert sind, verfügen wir über eine spezielle Zone, wo sie auf die Operation vorbereitet und dabei dekontaminiert werden. Zu diesem Zweck haben wir spezialisierte Teams ausgebildet. Selbstverständlich tragen alle Personen, welche die Dekontaminierung durchführen, besondere Schutzkleidung. Da Handschuhe und die Spezialkleidung die Arbeit erschweren, veranstalten wir jedes Jahr Übungen für die medizinischen Teams.

Sie waren früher Militärarzt, mussten demnach unter extremen Bedingungen operieren und haben bestimmt viel Schreckliches und Tragisches miterlebt. Welcher Patient hat bei Ihnen den stärksten Eindruck hinterlassen?

Alle Opfer lösen etwas aus und wir behandeln jeden ohne Unterschied, unabhängig davon, ob er Jude, Araber, Christ oder Terrorist ist. Ich werde jedoch nie den ungefähr 19-jährigen jungen Mann vergessen, der nach dem Anschlag von Ben Yehuda mit drei schweren Verletzungen an Bauch, Brust und Kopf bei uns eingeliefert wurde. Wir haben alles versucht, um ihn zu retten, doch er ist eine halbe Stunde nach seinem Eintreffen bei uns gestorben. Wenn ein junger Mensch, der mit seinen Freunden ausgehen und sich amüsieren wollte, sozusagen in Fetzen, mit hervorquellenden Eingeweiden im Spital eintrifft, dann versichere ich Ihnen, dass dies nur sehr schwer zu ertragen ist. Als ich noch ein Feldspital der Armee im Libanon leitete, betreuten wir junge, schwer verletzte Soldaten, die wir unter viel schlechteren Bedingungen behandeln mussten, als wir sie hier haben, und ausserdem pfiffen uns beim Operieren die Kugeln um die Ohren.

Entsteht nach einem arabischen Terroranschlag in der Regel eine Atmosphäre des Misstrauens zwischen den jüdischen und arabischen Mitarbeitern des Spitals?

Die Dinge sind, wie so oft, weder schwarz noch weiss. Ich denke, dass bei den Ärzten jeder in der Lage ist, seine Meinung für sich zu behalten, da er davon ausgeht, dass er zunächst seine Aufgabe zu erfüllen hat, nämlich Menschen zu retten und zu heilen. Auf den unteren Stufen ist dieses Misstrauen bestimmt vorhanden, und wir treffen zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Ich ergreife die Gelegenheit um zu betonen, dass die Zusammenarbeit zwischen unseren jüdischen und arabischen Angestellten im Grossen und Ganzen gut verläuft. Von den 400 Ärzten sind 15 Araber, ausserdem beschäftigen wir 30 arabische Krankenschwestern.

Ein Interview mit dem Generaldirektor des Krankenhauses Schaare Zedek von Jerusalem wäre unvollständig, wenn Sie uns nicht ein wenig über Ihre Institution erzählen würden. Wie ist das Spital aufgebaut und wie arbeiten Sie?

Ich bin Gastroenterologe und leite in dieser Funktion eine der medizinischen Abteilungen des Spitals. Dies bedeutet, dass ich 30% meiner Zeit den Patienten, 10% der Forschung, 10% der Lehre und 50% der Administration widme. Unser Spital, das vom Staat nicht unterstützt wird, beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Bereichen, insbesondere auf dem Gebiet der Genforschung. Wir besitzen auch ein Forschungszentrum, das auf Schmerzbehandlung spezialisiert ist.
Sie sehen, wir sind ein sehr vielseitiges Krankenhaus, das sowohl der israelischen Bevölkerung als auch den Juden aus der ganzen Welt, die von unserer medizinischen Erfahrung profitieren wollen, eine breite Palette von Dienstleitungen anbietet. Ich kann Ihren Leserinnen und Lesern daher nur wärmstens für jede Form der Unterstützung danken.

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