News Neueste Ausgabe Befragung: Resultate Suchen Archiv Français English Русский עברית Español


Inhaltsangabe Litauen Herbst 2001 - Tischri 5762

Editorial - Herbst 2001
    • Editorial

Rosch Haschanah 5762
    • Die Quellen der Hoffnung

Politik
    • Israel ohne politische Strategie

Interview
    • Pragmatismus und Optimismus
    • Terror und Strategie
    • Der Echte «neue Mittlere Osten»
    • Vollblutaraber !

Judäa – Samaria – Gaza
    • Kfar Adumim

Kunst und Kultur
    • Schätze
    • Mischa Alexandrovich
    • Simeon Solomon ( 1840-1905)

Wissenschaft und Forschung
    • Eine Rakete im Bauch !

Junge Leader
    • Der Chefkoch Avi Steinitz

Litauen
    • Unmögliche Palingenese
    • Neue Blüte oder Überlebenskampf?
    • Die Schule Schalom Aleïchem
    • Spitzenleistungen und Vernichtung
    • Paneriai
    • Ein Zeichen aus dem Jenseits
    • Ein lebendiges Zeugnis
    •  Weder Wilna - noch Wilno - sondern Wilne !
    • Mamme Luschen in Wilne!
    • «Dos is geven unser Glick !»
    • Litauen Quo Vadis ?
    • Litauische Zweideutigkeit
    • Erinnerung in Bildern

Ethik und Judentum
    • Zwischen Vorsicht und Panik

Artikel per E-mail senden...
Paneriai

Von Roland S. Süssmann
«Brider un schwester gleïbt nit!
Panar is nit keïn Lager – Panar is der Nummen vin inzer Teït!
Nemmt Gewehr un losst nit soll men eïch fihren wie Kieh eïf Shechite.»

Dies stand auf dem Flugblatt, das 1942 im ganzen Ghetto von Wilna von jungen jüdischen Partisanen verteilt wurde, die entschlossen waren ihre Peiniger zu bekämpfen. Sie wussten, was sich in Paneriai (von den Juden auch Panar genannt) abspielte und wollten eine umfassende Unterstützung bekommen, um so viele Menschen wie möglich retten zu können und den Deutschen und ihren Komplizen schwere Verluste zuzufügen.
Was aber geschah wirklich in Paneriai?
Ende Juni 1941 geht das Schuljahr in Wilna zu Ende und eine der jüdischen Schulen beschliesst, das Ereignis im wunderschönen Kiefernwald von Paneriai zu feiern. Die Jugendlichen lachen, tanzen, singen und scherzen, während sie dabei grillieren. Seither hat dieser Ort nie wieder die Stimmen von glücklichen Juden vernommen. Kurze Zeit später verwandelte er sich einen Platz, wo das Schweigen nur noch von Weinen, Flehen, Pistolenschüssen und Brutalitäten der deutschen Nazis und ihrer freiwilligen litauischen Gehilfen unterbrochen wurde.
Als die Sowjets 1940 für kurze Zeit über Wilna herrschten, schlugen sie in Paneriai ein Militärlager auf und liessen grosse Gruben ausheben, um darin Gas und Benzin zu lagern. Ab dem 13. Juli wurde Paneriai, dieser friedliche Ferienort, von den Nazis als Schauplatz für die systematische Ermordung der Juden verwendet. Tag für Tag wurden Hunderte von Juden entweder zu Fuss hierher getrieben und geschlagen, oder in Lastwagen herbeigekarrt.
In Paneriai gab es weder Lager noch Gaskammern oder Verbrennungsöfen: nichts als Gruben und eine Eisenbahnlinie. Die Opfer wurden im Wald in einem Winkel zusammengepfercht, der recht weit von den Gruben entfernt lag, bevor man sie in Gruppen an den Rand der ehemaligen sowjetischen Lagergruben brachte. In dem Augenblick, da ein Zug vorbei fuhr, wurden sie durch einen Genickschuss umgebracht. Man achtete darauf, dass der Lärm der Schüsse durch das Geratter des Zugs übertönt wurde. Auf diese Weise wurden 70'000 Juden kaltblütig getötet. Sie teilten das Schicksal von 30'000 litauischen und polnischen Einwanderern, Intellektuellen und Freidenkern, kurz, von zahlreichen Nichtjuden, die von den Nazis als «unerwünschte Elemente» bezeichnet wurden und in Paneriai in den Tod gingen.
Als sich die Deutschen Ende 1943 bewusst wurden, dass sie den Krieg wahrscheinlich verlieren würden, setzten sie alles daran, um die Spuren ihrer hasserfüllten Verbrechen zu tilgen. Es wurde eine jüdische Sondereinheit, nach dem Standartenführer Paul Blöbel «Blöbelbrigade» genannt, geschaffen. Ihre Aufgabe bestand darin, die Leichen aus den Massengräbern auszugraben und die verbleibenden Knochen zu verbrennen und zu Staub zu machen! Eine kleine, aus 80 Mann bestehende Brigade, die genau wussten, dass sie nach Beendigung ihrer makaberen Arbeit getötet würden, begann also einen Tunnel zu graben, um auf diese Weise zu fliehen. Dieser erreichte letztendlich eine Länge von 31 Metern und am 15. April 1944 konnten dreizehn Gefangene flüchten und sich den Partisanen anschliessen. Zu ihnen gehörten auch Motke Zeidel und Itzik Dogim: Zeidel war gezwungen worden, den Leichnam seiner Mutter auszugraben und zu verbrennen, Dogim musste dasselbe mit dem Leichnam seiner Frau tun.
Die Gräueltaten von Paneriai sind unbeschreiblich. Die Sowjets haben, wie überall, ein Denkmal aufstellen lassen, auf dem das Wort Jude vollständig fehlte. Seit der Unabhängigkeit Litauens erinnert eine neue Gedenkstätte mit einer jiddischen Inschrift an die tatsächliche Identität der Opfer und ihrer Mörder. Ein winzig kleines Museum berichtet über die Ereignisse und stellt einige Gegenstände aus: Fotos, Briefe, den handschriftlichen Bericht des polnischen Journalisten K. Sakovicz, dessen Tagebuch nach dem Krieg in Flaschen entdeckt wurde, die er vergraben hatte, eine Reihe von persönlichen Habseligkeiten, die man vor Ort gefunden und die den Opfern gehört hatten. Darunter ein Paar Tefillin (Gebetsriemen)…


Contacts
Redaction: edition@shalom-magazine.com   |  Advertising: advert@shalom-magazine.com
Webmaster: webmaster@shalom-magazine.com

© S.A. 2004