News Neueste Ausgabe Befragung: Resultate Suchen Archiv Français English Русский עברית Español


Inhaltsangabe Interview Herbst 2001 - Tischri 5762

Editorial - Herbst 2001
    • Editorial

Rosch Haschanah 5762
    • Die Quellen der Hoffnung

Politik
    • Israel ohne politische Strategie

Interview
    • Pragmatismus und Optimismus
    • Terror und Strategie
    • Der Echte «neue Mittlere Osten»
    • Vollblutaraber !

Judäa – Samaria – Gaza
    • Kfar Adumim

Kunst und Kultur
    • Schätze
    • Mischa Alexandrovich
    • Simeon Solomon ( 1840-1905)

Wissenschaft und Forschung
    • Eine Rakete im Bauch !

Junge Leader
    • Der Chefkoch Avi Steinitz

Litauen
    • Unmögliche Palingenese
    • Neue Blüte oder Überlebenskampf?
    • Die Schule Schalom Aleïchem
    • Spitzenleistungen und Vernichtung
    • Paneriai
    • Ein Zeichen aus dem Jenseits
    • Ein lebendiges Zeugnis
    •  Weder Wilna - noch Wilno - sondern Wilne !
    • Mamme Luschen in Wilne!
    • «Dos is geven unser Glick !»
    • Litauen Quo Vadis ?
    • Litauische Zweideutigkeit
    • Erinnerung in Bildern

Ethik und Judentum
    • Zwischen Vorsicht und Panik

Artikel per E-mail senden...
Der Echte «neue Mittlere Osten»

Von Roland S. Süssmann
Die Situation in Bezug auf die innere Sicherheit Israels erfüllt viele von uns mit so grosser Besorgnis, dass sie vor einer Reise ins Heilige Land zurückschrecken. Um einen genaueren Überblick über die Massnahmen der Regierung zur Verbesserung der Lage zu vermitteln, sind wir mit dem Minister für Innere Sicherheit, Dr. UZIEL LANDAU, genannt «Uzi», zusammengetroffen, der bei allem Realitätssinn in erster Linie beruhigen wollte.

Als Erstes drängt sich heute die Frage auf, was Ihre Regierung ganz konkret unternehmen kann, um die Sicherheit der israelischen Bürger zu garantieren. Sie können doch beim besten Willen nicht jeden Araber von einem Polizisten überwachen lassen!

Nur durch die Bekämpfung des Terrorismus ist es möglich, die Ordnung wieder herzustellen. Bis heute haben wir uns aber nicht wirklich darum bemüht. Damit eine derartige Aktion effizient ist, muss sie auf drei Ebenen stattfinden: an der Front der Anschläge vor Ort, aber auch im Rahmen der Information und schliesslich auf politischer Ebene. Bis jetzt wurde keine einzige nachhaltige Entscheidung gefällt und wir haben unsere Macht noch nicht eingesetzt. Wir haben allerdings bereits jede Form der Verhandlung eingestellt, solange die Gewalt fortgesetzt wird. Desgleichen sind wir nicht mehr gewillt, uns mit einer Politik der Reaktion zufrieden zu geben, sondern haben eine Reihe von Initiativen in Angriff genommen, indem wir insbesondere den Arabern, die bisher für ihre Angriffe noch nicht den entsprechenden Preis bezahlt haben, einige Warnungen zukommen liessen. Ich habe das Kabinett gebeten, es solle offiziell erklären, dass Arafat nicht nur kein Partner für den Frieden, sondern auch ein Alliierter von Saddam Hussein sei. Wir befinden uns nämlich in einer Kriegssituation und können mit der gegenwärtigen Lage nicht so umgehen, als ob wir nur einer Gruppe von hyperaktiven und aggressiven Jugendlichen gegenüberstünden. Es ist demnach unsere Pflicht, die terroristische Infrastruktur der Palästinenser völlig zu vernichten. Wir werden ebenfalls einen hohen Preis für jede von der PLO begangene Gewalttat fordern, und zwar im Norden wie im Süden. Es geht nicht darum, die Zivilbevölkerung kollektiv zu bestrafen, sondern das direkte Umfeld von Arafat in Bedrängnis zu bringen, damit kein Zweifel mehr daran besteht, dass unser Ziel die Zurechtweisung der palästinensischen Autonomiebehörde und die Wiederherstellung des Friedens ist. Wir unterscheiden deutlich zwischen den Arabern, die in Frieden mit uns leben möchten und denen wir Arbeitsplätze und zahlreiche andere Vorteile anbieten, und denjenigen, die nur Terror in unser Land bringen wollen und für ihre Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

Wie erklären Sie sich aber in diesem Fall, dass der Premierminister in Ihrem Aktionsplan einen praktisch einseitigen Waffenstillstand vorgeschlagen hat, den die PLO – auf dem Papier – akzeptiert hat?

Wir wollten diesen einseitigen Waffenstillstand verlangen, um der übrigen Welt zu zeigen, wer Arafat in Wirklichkeit ist; wir werden ihn auch nach Möglichkeit einhalten. Man muss sich aber im Klaren sein, dass Arafat kein Interesse an einem Waffenstillstand hat, sondern den totalen Krieg gegen Israel sucht, dessen Ziel die vollständige Vernichtung des jüdischen Staates ist. Arafat steht an der Spitze einer Terroristenorganisation, die jede Form des antiisraelischen Terrors gutheisst: das Gewehr in Anschlag bringen und auf den Kopf eines zehn Monate alten Babys schiessen, Jugendliche in einer Diskothek in die Luft jagen, Bomben legen, Schulbusse angreifen usw. Für ihn stellt jeder Israeli eine Zielscheibe dar. Man sollte sich auch daran erinnern, dass die palästinensische Behörde durch und durch korrupt ist und dass der grösste Teil der sehr grosszügigen Spenden aus dem Westen, insbesondere aus Europa, in den Taschen der PLO-Anführer landet. Der Rest wird für den Erwerb und die Herstellung von Waffen verwendet, wie z.B. Personenbomben, Boden- und Luftraketen, wie wir sie übrigens im kürzlich von uns überprüften Schmugglerschiff gefunden haben. Unter diesen Umständen kann man nur schwer glauben, dass die palästinensische Autonomiebehörde eine friedliebende Organisation sein will!
Ausserdem verstösst die PLO offen gegen die Osloer Verträge, weil sie die Terroristen nicht verhaftet, die in den Zonen unter ihrer Kontrolle Zuflucht finden, und weil sie die dort im Umlauf befindliche eindrückliche Menge illegaler Waffen nicht konfisziert. Arafat und sein Umfeld bereiten schon heute die Jugend ihrer Glaubensbrüder auf den Kampf gegen uns vor. In den Schulen gehört der Hass auf Israel und die Juden zum Lehrplan, der sich auf die Feststellung beschränkt, dass die in Israel lebenden Juden die Feinde der Menschheit seien, der Satan auf Erden, der schlimmste Fluch des dritten Jahrtausends, und dass es zur Ausrottung dieses Übels ausreiche, sein eigenes Leben zu opfern.

Zu Beginn der arabischen Gewalttaten gegen Israel im Oktober 2000 stellte man ziemlich überrascht fest, dass sich die israelischen Araber an den Demonstrationen gegen die Juden beteiligten. Sie gingen mit so grosser Heftigkeit vor, dass Vadi Ara, die von Hadera nach Afula führende Strasse, zwei Wochen lang gesperrt blieb. Wie sehen Sie die Entwicklung der Beziehungen zwischen dieser Bevölkerungsgruppe und den jüdischen Israelis?

Ich glaube, dass sich die meisten israelischen Araber im Moment noch mit uns identifizieren. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass innerhalb dieser Gruppe die immer stärkere Tendenz besteht, sich mit der palästinensischen Behörde und vor allem mit ihrem Endziel zu identifizieren, nämlich dem Zweifel an der Existenzberechtigung des Staates Israel. Wir stehen vor einem weiteren riesigen Problem, demjenigen der israelischen Araber, die den islamischen Bewegungen sehr nahe stehen.

Was können Sie konkret unternehmen?

Man muss sich klar machen, dass es aufgrund der heute in Israel geltenden Gesetze sehr schwierig ist, diese Frage effizient in Angriff zu nehmen. Unser demokratisches System garantiert nämlich jedem Staatsbürger die Meinungsfreiheit und die freie politische Betätigung. Deshalb stecken wir in einer Situation, in der wir uns vor denjenigen schützen müssen, die unsere Demokratie benutzen, um unsere Vernichtung voranzutreiben. Im Moment müssen wir uns mit einer Methode der Öffentlichkeitsarbeit begnügen und haben eine Kampagne gestartet, um unseren arabischen Mitbürgern zu erklären, dass diese Einstellung uns letztendlich zu härterem Durchgreifen bewegen könnte.
Sie haben die Ereignisse im vergangenen Oktober angesprochen, in deren Verlauf einige israelische Araber sich auf sehr aggressive Art gegen die jüdische Bevölkerung gewendet und israelische Dörfer angegriffen haben, wobei sie ihre Absichten überaus deutlich zum Ausdruck brachten: ihr Slogan lautete «Tötet die Juden»! Die rasch überforderte Polizei musste sehr hart durchgreifen. Leider haben diese Provokationen zum Tod von dreizehn israelischen Arabern geführt. Diese Art von Vorfällen wollen wir in Zukunft um jeden Preis vermeiden. Ich stehe in ständigem Kontakt mit den Anführern der arabischen Bevölkerung in Israel, welche sich der Gefahr einer Eskalation der Gewalt durchaus bewusst sind. Wir sind also auf verschiedenen Ebenen tätig und ich möchte betonen, dass im Bildungswesen, in den islamischen Schulen, die von den arabisch-israelischen Kindern besucht werden, negationistische Thesen in Bezug auf die Schoah gelehrt werden, was wir unter keinen Umständen dulden können. Ziel dieses Unterrichts ist es zu beweisen, dass die Existenz Israels auf einem Mythos beruht.

Heute kann sich praktisch kein Tourist mehr auf den Tempelberg begeben, der immerhin unser wichtigstes Heiligtum darstellt. Haben Sie die Freigabe des Zugangs geplant, und wenn ja, wann?

Sie haben da einen sehr wunden Punkt berührt, und mein Ministerium kümmert sich mit viel Fingerspitzengefühl um dieses Problem. Einerseits bin ich verantwortlich dafür, dass jeder Gläubige, und zwar aller Religionen, sich auf den Tempelberg begeben kann, um die von seinem Glauben vorgeschriebenen Handlungen durchzuführen, und andererseits müssen wir alles unternehmen, damit dies nicht dazu führt, dass die immer noch herrschende explosive Situation sich verschärft. Zu diesem Zeitpunkt kann ich also kein Datum angeben, an dem der Tempelberg wieder für alle zugänglich sein wird.

Die gegenwärtige Lage ist trotz allem sehr besorgniserregend. Welche Entwicklung erwarten Sie?

Wenn Israel die notwendigen Massnahmen ergreift, wird sehr rasch wieder Ruhe einkehren. Man darf allerdings nicht vergessen, dass wir nun die Früchte des Osloer Prozesses zu ernten beginnen, der einer nationalen Tragödie gleichkommt. All jene, die versicherten, nur eine politische und nicht militärische Lösung könne uns letztendlich den Frieden sichern, stellen heute fest, welchen Schlamassel uns der politische Prozess beschert hat. Dasselbe gilt für diejenigen, die daran glauben wollten, wir könnten einige Sicherheitsfragen an Arafat delegieren und ihm Waffen überlassen, damit er mit uns im Kampf gegen den Hamas zusammenarbeitet. Es gibt keinen demokratischen «neuen Mittleren Osten». Neu ist hingegen im Mittleren Osten, dass Länder wie der Iran, Irak und Syrien sich unmässig mit nicht konventionellen Waffen und Raketen aufrüsten. Sie gehören zu den engsten Alliierten von Arafat. Man muss sich klar machen, dass ihr Vorgehen nicht nur Israel gegenüber feindselig ist, sondern gegen die gesamte freie Welt gerichtet ist. So wurden die Raketen Schahab 3, die der Iran erworben hat und die Saudiarabien und die Türkei erreichen können, mit dem Ziel entwickelt, Ziele in Europa und in den Vereinigten Staaten zu treffen. Diese Länder stellen auch für den Westen nun eine Bedrohung dar, doch Arafat ist eine tägliche Gefahr für uns. Sein Plan ist ganz einfach, er hat die Osloer Abkommen benutzt, um seinem Ziel näher zu kommen, der vollständigen Zerstörung Israels. Es wurde ihm umso leichter gemacht, als Israel einseitige Zugeständnisse einging. Da wir heute von ihm verlangen, dass er seinen Teil der Abmachungen einhält, startet er eine Kampagne der Gewalt, um seine politischen Ziele zu erreichen. Leider wird er von einigen europäischen Ländern nur zu bereitwillig unterstützt, was ein schwerer Fehler ist. Ich bin jedoch nicht allzu sehr überrascht, dass diese Länder, die zahlreiche Kontakte und Verträge mit Staaten wie dem Iran, dem Irak und Syrien abschliessen, auch Arafat helfen. Die Einstellung ist dieselbe, das Vorgehen auch.

Sie haben «nicht konventionelle Rüstung» erwähnt, bei denen es sich in Wirklichkeit um chemische und bakteriologische Waffen handelt. Glauben Sie, dass die PLO damit ausgerüstet ist?

Gegenwärtig ist dies nicht der Fall, doch ich schliesse nicht aus, dass die PLO sich in Zukunft für den Einsatz derartiger Waffen im Rahmen ihrer terroristischen Aktivitäten entschliesst.

Sie verurteilen das Ideal des «neuen Mittleren Ostens», der als Trumpf von den Befürwortern der Osloer Abkommen ausgespielt wurde, insbesondere von Schimon Peres. Heute gehören Sie einer Regierung an, in der dieser Politiker eine der wichtigsten Funktionen erfüllt. Wie erklären Sie sich dies?

Man muss wissen, dass eine Regierung der nationalen Einheit in der heutigen Situation der Beweis für unsere Einigkeit ist. Dies ist sowohl angesichts der arabischen Welt als auch gegenüber den Europäern und Amerikanern absolut unerlässlich. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mitglieder der Regierung auf ideologischer Ebene nicht immer gleicher Meinung sind. Wir müssen aber nicht über ideologische Fragen entscheiden, sondern über die weiteren Massnahmen, die wir treffen wollen. Heute zählt nur die Bekämpfung des Terrorismus, darüber sind wir uns alle einig.
Abschliessend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir alle naiv waren, als wir die Osloer Abkommen unterzeichneten, und dass wie einen hohen und schrecklichen Preis dafür zahlen, dass wir sie einseitig respektiert haben. Ich hoffe, dass wir alle daraus gelernt haben und dass wir in Zukunft nicht mehr so blauäugig entscheiden werden.



Contacts
Redaction: edition@shalom-magazine.com   |  Advertising: advert@shalom-magazine.com
Webmaster: webmaster@shalom-magazine.com

© S.A. 2004