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Inhaltsangabe Interview Herbst 1999 - Tischri 5760

Editorial - Herbst 1999
    • Editorial

Rosch Haschanah 5760
    • Pflicht und Herausforderung

Politik
    • Die Hundert Tage Baraks

Interview
    • Gefahren und Verantwortung

Analyse
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    • Jörg Haider - Ein Mann in Wartestellung

Kunst und Kultur
    • Die Schätze der Zeit
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    • Versteigerung von Judaika
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Reportage
    • Vernichtung durch Sklavenarbeit
    • Juden in Österreich - Welche Zukunft ?
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Junge Talente
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Porträt
    • Von Berlin Nach Hebron

Wirtschaft
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Ethik und Judentum
    • Ein Kind - Zu Welchem Preis ?

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Gefahren und Verantwortung

Von Roland S. Süssmann
Die neuen Gegebenheiten der politischen Szene in Israel umfassen zahlreiche Unbekannte und Gefahren. Zum besseren Verständnis aller Faktoren der neuen Situation haben wir uns mit der wichtigsten Persönlichkeit der jüngeren Geschichte Israels unterhalten, mit dem Mann, der den jüdischen Staat während des Jom-Kippur-Krieges durch seinen heroischen Einsatz rettete, nämlich General ARIEL SHARON. Von der amerikanischen Presse als der «Churchill dieses ausgehenden Jahrhunderts» bezeichnet, hat Ariel Sharon beim ausserordentlichen Aufschwung Israels eine vorrangige Rolle gespielt. Der berühmte General hat uns während über einer Stunde empfangen und sich über zahlreiche Aspekte geäussert; die wesentlichen Punkte dieses Gesprächs haben wir für Sie zusammengestellt.

Können Sie die Niederlage von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit wenigen Worten analysieren?

Man darf nicht vergessen, dass die Linke sich sofort nach seiner Wahl 1996 für eine Strategie des Hasses, der Lügen und der persönlichen Angriffe auf ihn entschieden hat, die dermassen umfassend war, dass er machtlos gegen sie wurde: täglich hat man ihn auf unmöglichste Weise attackiert. Danach kam es zu einem einzigartigen Vorkommnis, zu einer wahrhaft internationalen, gegen ihn gerichteten Wahlkampagne. Die Palästinenser haben die Verhandlungen im Februar eingestellt und folgten dabei den «guten Ratschlägen» einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mehrerer hoher Beamten der amerikanischen Regierung und Ägyptens, das in dieser Angelegenheit eine vorherrschende Rolle spielte. Alle strebten danach, Arafat davon zu überzeugen die Verhandlungen abzubrechen, da jeder Vorstoss auf diesem Gebiet die Wiederwahl von Benjamin Netanyahu begünstigt hätte. Arafat hat sich gar persönlich bei den israelischen Arabern dafür eingesetzt, dass sie für Barak stimmen. Benjamin Netanyahu befand sich demnach in einer schwierigen Situation, in der er nicht nur Ehud Barak gegenüberstand, sondern auch einer Reihe ausländischer Staaten, den Palästinensern und sozusagen allen israelischen Meinungsmachern und Medien. Ein weiterer Grund für seine Niederlage ist die Tatsache, dass der Likud, der immer eine in erster Linie ideologische Partei und überall im Land fest verwurzelt war, seiner Desorganisation zum Opfer fiel. Ein neues System der Zentralisierung wurde von einigen Parteiführern getestet, und so haben wir den Kontakt mit zahlreichen Mitgliedern verloren, die sich mit der Zeit anderen Parteien anschlossen. Eine meiner Haupttätigkeiten besteht heute darin, unsere früheren Anhänger zurückzugewinnen und die enge Beziehung wiederherzustellen, die während Jahrzehnten zwischen der Partei und ihren Mitgliedern bestand. Und schliesslich muss ich zugeben, dass uns eine Reihe von Fehlern unterlaufen sind. Benjamin Netanyahu ist ein intelligenter, kompetenter Mann, der sehr stark im nationalen Denken verwurzelt ist. Darüber hinaus verfügt er über eine unglaubliche Arbeitskapazität, die er während Stunden und sogar mehrere Tage lang aufrechterhalten kann. Einer seiner grössten Fehler liegt meines Erachtens in seiner Einstellung anderen Menschen gegenüber. Ich habe persönlich immer gewusst, dass man, wenn die Regierung gefährdet ist oder der Likud die Wahlen zu verlieren droht, sehr deutlich zwischen persönlichen Angriffen und Fragen von nationaler Tragweite unterscheiden muss. Ich habe versucht, meine Kollegen von diesem Standpunkt zu überzeugen, doch sie haben nicht auf mich gehört. Es steht daher ausser Frage, dass ihnen bestimmte Fehler unterlaufen sind, auch wenn die abtretende Regierung auf eine sehr positive Amtszeit zurückblicken kann.


Können Sie uns einige Beispiele dafür geben ?

Zum ersten Mal sind konkrete Schritte unternommen worden, um in Israel eine echte freie Marktwirtschaft einzuführen. Ein breitangelegtes Privatisierungsprogramm wurde durchgeführt, da Benjamin Netanyahu sehr schnell begriffen hat, dass wir unsere Industrie in eine neue Richtung lenken müssen, denn im Bereich der Fabriken, in denen intensive manuelle Arbeitskraft erforderlich ist, waren wir mit den Ländern der Dritten Welt nicht konkurrenzfähig. Während der Regierung Netanyahu ereichten die Investitionen in die Spitzentechnologie in Israel ein noch nie erreichtes Niveau. Die Zahl der neugeschaffenen Unternehmen stieg rasant an, es waren 3’500 innerhalb von drei Jahren ! Es gibt zahlreiche Beispiele in unterschiedlichen Bereichen, insbesondere in demjenigen der Sicherheit, wo wir einen bedeutenden Rückgang des Terrors miterlebt haben (unter der Regierung Rabin waren 261 Zivilpersonen auf den Strassen Israels ermordet worden), da der Ministerpräsident den Palästinensern zu verstehen gab, dass sie nichts erreichen würden, wenn der Terror nicht eingestellt wird.

Die abtretende Regierung hat es verstanden, den Begriff der «Gegenseitigkeit» als festen Bestandteil und absolute Bedingung in den Verhandlungen mit den Palästinensern durchzusetzen. Glauben Sie, dass die neue Regierung diese Politik weiterführen wird ?

Ehud Barak hat sie bereits jetzt völlig aufgegeben ! Zur Veranschaulichung meiner Worte kann ich Ihnen ein Beispiel unter vielen geben. Gemäss den Abkommen von Wye River sind die Palästinenser verpflichtet, die Waffen, die sich sowohl bei palästinensischen Privatleuten als auch der palästinensischen Behörde selbst in illegalem Besitz befinden, einem Vertreter der amerikanischen Administration zu übergeben. Diese Waffen müssen aus den autonomen Zonen entfernt und vernichtet werden. Ehud Barak hat auf diesen Punkt bereits verzichtet. Dazu muss gesagt werden, dass die palästinensische Behörde gegen alle von ihr unterzeichneten Vereinbarungen verstösst, weil sie Tausende von Minen, Handgranaten, schweren Maschinengewehren, leichten Boden-Luft-Raketen, Panzerabwehrwaffen, sowie beeindruckende Mengen von Munition besitzt. Die Regierung der Arbeitspartei stellt in bezug auf diese gefährlichen Waffen und den Waffenbesitz von Zivilpersonen keinerlei Forderungen mehr, sie wird sich mit einem Bericht begnügen, der von Zeit zu Zeit die gegenwärtige Situation erfasst.
Benjamin Netanyahu war im Hinblick auf die Gegenseitigkeit äusserst unnachgiebig, und jedermann, der in einem normalen Rechtsstaat lebt, versteht ohne weiteres, dass Verträge von beiden Vertragspartnern eingehalten werden müssen. Gemäss den Abkommen von Wye kann keine neue Etappe in Angriff genommen werden, solange der vorangehende Punkt nicht von beiden Parteien vollständig ausgeführt wurde. Heute spricht alle Welt, darunter auch unser Ministerpräsident, von der Verpflichtung Israels seine Engagements einzuhalten, niemand erwähnt auch nur mit einem Wort die Pflichten der Palästinenser!


Es weist alles darauf hin, dass die neue Regierung bereit ist, arabische Terroristen zu befreien, an deren Händen jüdisches Blut klebt. Wie stellen Sie sich dazu ?

Diese Entscheidung ist extrem gefährlich. Wir wissen aus Erfahrung, dass ein freigelassener Terrorist immer sehr aktiv im terroristischen Bereich wird. Über die Frage der Sicherheit hinaus handelt es sich um ein moralisches Problem. Es geht hier um Mörder, die barbarische Taten gegen israelische Zivilpersonen, gegen Babys, Frauen und Greise begangen haben. Einmal mehr ist dies ein Vorgehen, das gegen die abgeschlossenen Vereinbarungen verstösst.

Was kann die Opposition konkret angesichts einer grossen Regierungskoalition unternehmen, die zwar heteroklit ist, jedoch sehr stabil wirkt ?

Wir leben in einer Demokratie und wir müssen im Rahmen der Institutionen handeln. Ich unternehme meinerseits alles innerhalb der Knesset und den diversen Ausschüssen, um den Schaden in Grenzen zu halten. Es geht natürlich nicht darum, sich systematisch gegen alles zu stellen, was die gewählte Regierung beschliesst. Wenn sie sich für die Verstärkung der Sicherheit und der eigentlichen Existenz des Staates einsetzt, werden wir sie unterstützen; sollte dies nicht der Fall sein, werden wir sie bekämpfen. Gegenwärtig wird der vollständige Rückzug von den Golanhöhen bis zum Ufer des Tiberiassees angekündigt. Sollte diese Idee verwirklicht werden, kommt dies einer wahren Katastrophe für Israel gleich. Israel kann den Golan nämlich nicht aufgeben. Ausserdem ist es in meinen Augen ein riesiger Fehler, die Suche nach einer Lösung im Libanon mit der Friedensproblematik mit Syrien zu verbinden, da es sich um zwei völlig unterschiedliche Dinge handelt. Wenn man beide Probleme voneinander abhängig macht, bietet man Syrien eine unübertreffliche Grundlage für Erpressungen an, da das Land jedesmal, wenn es das Gewünschte nicht erreicht, den Hisbollah und die anderen Terrororganisationen im Libanon dazu anhalten wird, ihre Schreckenstaten zu intensivieren. Unsere Soldaten und die Siedlungen im Norden Israels werden in diesem Moment Geiseln in den Händen der Syrer.

Was wird in Judäa-Samaria passieren ?

Israel ist verpflichtet, die vollständige Kontrolle über grosse ost-westliche Sicherheitszonen im Westen des Jordans zu bewahren, die sich im Norden bis nach Beth Schean, im Zentrum bis Maale Adumim und im Süden bis Arad erstrecken. Diese Zonen müssen mindestens 20 km breit sein. Darüber hinaus sollte ein Nord-Süd-Streifen, der die gesamte westliche Seite des Toten Meeres umfasst und von Maale Adumim bis Arad reicht, unter israelischer Herrschaft bleiben. Wenn die gegenwärtige Regierung die Kontrolle über dieses Mindestterritorium aufgibt, setzt sie den israelischen Staat einer grossen Gefahr aus. Vergessen wir nicht, dass die Tage des haschemitischen Königreiches gezählt sind, wenn die Palästinenser sich an den Ufern des Jordans niederlassen, was für Israel eine zusätzliche Gefahr darstellt. Ich möchte unbedingt betonen, dass alle jüdischen Städte und Dörfer in Judäa-Samaria innerhalb von Sicherheitszonen errichtet wurden. Daher wäre es ein grundlegender Irrtum, irgendeine dieser Siedlungen zu versetzen zu versuchen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir es uns nicht leisten können, die Kontrolle über unsere Wasserreserven, richtig, unsere Wasserreserven, an die Palästinenser abzutreten. Dies gilt sowohl für das Wasser des Jordans als auch für die Grundwasservorkommen in Judäa-Samaria.


Glauben Sie, dass ein palästinensischer Staat heute noch umgangen werden kann ?

Wir werden ihn höchstwahrscheinlich nicht verhindern können, doch Israel darf ihn unter keinen Umständen anerkennen. Dazu muss gesagt werden, dass rechtlich gesehen der Status eines solchen Staates durch unsere Anerkennung auf entscheidende Weise bestärkt wird, so dass kein Abkommen der Welt mehr die Palästinenser daran wird hindern können, nach eigenem Gutdünken zu handeln. In Zukunft werden wir keine Einschränkungen mehr durchsetzen können.
Das Problem besteht nicht darin, ob wir die Schaffung dieses Staates noch verhindern können oder nicht, sondern wie wir es umgehen können, ihn anerkennen zu müssen. Wenn wir ihn offiziell akzeptieren, sind wir nicht mehr in der Lage, für Israel wesentliche Punkte zu gewährleisten, wie beispielsweise die Kontrolle der bewaffneten Streitkräfte der Palästinenser. Wir können diesen Staat auch nicht daran hindern, strategische und militärische Bündnisse mit uns feindlich gesinnten Ländern zu unterzeichnen, wie dem Iran, Libyen, Irak oder Syrien. Es stimmt, die Grenzen verändern sich, doch im Verlauf ihrer gesamten Geschichte haben es die Juden nie freiwillig, aufgrund der Umstände oder de iure akzeptiert, dass ein ausländisches Regime über das Gebiet oder bestimmte Regionen Israels herrscht.

Was wird aus Jerusalem ?

Jeder zionistische Leader verkündet gern lautstark, dass Jerusalem die unteilbare ewige Hauptstadt der Juden und Israels ist. Doch schöne Erklärungen reichen nicht aus. Nur Taten zählen, und nur sie werden dafür sorgen, dass Jerusalem einerseits und wie seit über 3000 Jahren die Hauptstadt des jüdischen Volkes, und andererseits diejenige von Israel bleibt, was sie seit nun 51 Jahren ist. Unser wichtigstes Ziel besteht darin, dass die Juden sich überall in Jerusalem frei niederlassen, Har Choma und Ras El Amud, bauen und Juden an jedem beliebigen Ort in der Altstadt von Jerusalem leben können. Es ist ebenfalls von erstrangiger Bedeutung, die Strecke zwischen Maale Adumim und Jerusalem durchgehend mit jüdischen Konstruktionen zu bebauen. Leider hat die neue Regierung bereits erklärt, sie habe nicht die Absicht, überall in Jerusalem zu bauen. Was das berüchtigte «Haus des Orients» angeht, wird dieses von der neuen Regierung nicht nur toleriert, sondern sie hat sogar ein Abkommen mit den Palästinensern abgeschlossen, gegen das bereits am Tag nach der Unterzeichnung verstossen wurde. Faisal Husseini hatte sich eigentlich verpflichtet, keine politischen Aktivitäten mehr vom Haus des Orients aus durchzuführen, doch am Tag nach diesem Zugeständnis lud er alle Konsuln der Europäischen Gemeinschaft zu einer Informationssitzung dorthin ein. Noch schwerwiegender ist, dass Barak anlässlich seiner vielzitierten Reise nach Washington den Gedanken aufwarf, ein neues, der Stadt angegliedertes Quartier in der Nähe von Jerusalem zu errichten, das als Hauptstadt des zukünftigen palästinensischen Staates dienen würde ! Dazu kommt überdies der Bau eines direkten Korridors zwischen diesem Quartier, Ostjerusalem und dem Tempelberg. Die Gefahren eines derartigen Unterfangens dürfen keinesfalls unterschätzt werden.
Aus diesen Gründen habe ich die Projekte von Har Chomah und Ras El Amud gestartet, denn eine jüdische Präsenz würde den Bau eines palästinensischen Korridors bis zum Tempelberg verhindern. Es ist mir gelungen, alle Durchgänge zu blockieren, da die letzten noch offenen Stellen eben bei Har Choma und Ras El Amud lagen, die nun unbedingt errichtet werden müssen.


Die neue Regierung hat offensichtlich eine Politik der einseitigen Zugeständnisse in Gang gesetzt und will damit den Friedensprozess vorantreiben. Denken Sie, dass dieses Vorgehen zum Erfolg führen kann ?

Wir alle sehnen uns nach Frieden, und die Spaltung zwischen denjenigen, die mit «Friedenslager» (die friedliche Linke) und «den anderen» (die kriegssüchtige Rechte) bezeichnet werden, hat nichts mit der Realität zu tun. Ich habe, wie Sie wissen, an allen Kriegen Israels und an allen grossen Schlachten teilgenommen, die der jüdische Staat austragen musste. Nach und nach habe ich alle Stufen der Armeehierarchie erklommen, vom kleinen Korporal bis zum Grad eines Generals. Ich habe alle Schrecken des Kampfes kennengelernt, ich sah meine Freunde sterben, ich wurde selbst zweimal schwer verletzt und ich habe in den Spitälern Höllenqualen gelitten, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich für andere und für mich Entscheidungen über Leben und Tod treffen musste. Ich glaube demnach in aller Bescheidenheit sagen zu können, dass ich den Wert und die Bedeutung des Friedens sehr viel besser verstehe als zahlreiche Politiker, die diese Erfahrungen nie gemacht haben. Deshalb sage ich, dass der Frieden in erster Linie die Sicherheit einführen und gewährleisten muss. Nicht nur eine vorübergehende Beruhigung für wenige Monate oder Jahre, sondern eine Sicherheit, die dazu geschaffen ist, dass wir uns unter allen Umständen und ohne auf die Hilfe anderer zählen zu müssen selbst verteidigen können. Was die Fragen angeht, die unser Leben und Überleben betreffen, können und dürfen wir nur auf uns selbst vertrauen. Es ist natürlich wichtig, dass Israel in der ganzen Welt Freunde besitzt, doch als Juden haben wir unsere Erfahrungen gemacht und wissen, dass wir im entscheidenden Augenblick ausschliesslich auf unsere eigenen Kräfte und Fähigkeiten n müssen zählen können. In diesem Sinne müssen wir die Verhandlungen führen und im Friedensprozess weiterkommen. Die Ankündigung, dass wir in fünfzehn Monaten mit allen unseren Nachbarn Frieden haben werden, ist ein schwerwiegender Irrtum. Dadurch, und dieses Vorgehen ist in Israel noch nie dagewesen, setzt sich die Regierung sowohl auf innenpolitischer als auch auf internationaler Ebene einem enormen Druck aus.

In Ihrer Eigenschaft als ehemaliger Aussenminister hatten Sie die Gelegenheit, Geschäfte der Weltpolitik aus grösster Nähe zu beobachten. Sind Sie der Ansicht, dass Israel aufgrund des Wettrüstens, das die arabischen Staaten gegenwärtig durchführen, heute gefährdeter ist als vor einigen Jahren ?

Die Antwort lautet Ja. Ägypten ist dabei, die grösste militärische Macht im Mittleren Osten zu werden, Syrien besitzt tausend Bodenraketen, Irak verfügt über das Know-how, um Atomwaffen zu bauen, dasselbe gilt für den Iran. Die Gefahr ist sehr gross, und sowohl die westlichen Nationen als auch die Länder im Osten liefern allen diesen Regimes grosse Mengen der gefährlichsten Waffen. Daher muss Israel mehr denn je auf der Hut sein und die Verhandlungen mit Vorsicht und Klugheit führen.


Glauben Sie, dass die wenig stabile Lage in Russland eine neue Einwanderungswelle nach Israel auslösen wird, was zahlreiche Gegebenheiten im Land verändern könnte ?

Die Zukunft des Staates Israel wird zu einem sehr grossen Ausmass von der Förderung der Immigration geprägt. Ich war erschüttert von der Tatsache, dass die neue Regierung dieses doch so ungemein wichtige Thema - die Alijah - ganz zuunterst auf ihre Tagesordnung gesetzt hat. Es handelt sich nicht nur um das oberste Ziel des jüdischen Staates, sondern um ein Element, das auf eindrückliche Weise zur Sicherung des Friedens, der Sicherheit und des wirtschaftlichen Aufschwungs Israels beiträgt. Ich denke, dass Israel es sich zum Ziel setzen sollte, in den kommenden drei Jahren eine Million Juden aus Russland, der Ukraine, Frankreich, Südamerika und auch aus den Vereinigten Staaten aufzunehmen. Dazu möchte ich betonen, dass wir, damit die Juden sich weiterhin zu ihrer Religion bekennen und nach Israel ziehen wollen, den jüdischen Unterricht und die jüdische Erziehung in der ganzen Welt, aber auch in Israel selbst unterstützen müssen. Die aktuellen Systeme sind überholt und die von den Kindern gehassten wöchentlichen Talmudeï Torah sind gänzlich unzureichend. Folglich ist es vorrangig, die Schaffung von erstrangigen jüdischen Schulen zu fördern, die eine überdurchschnittliche jüdische Ausbildung anbieten.


Warum sind Sie der Ansicht, dass eine Anstrengung zur Förderung der jüdischen Erziehung auch in Israel selbst stattfinden sollte ?

Es stimmt, dass wir ein starker Staat sind, doch im grossen und ganzen erweisen sich unsere jüdischen Wurzeln als nicht sehr tief. Die jungen Israelis wissen nur noch wenig über die Bibel, über die Geschichte des Landes und des jüdischen Volkes und fast nichts über die fortlaufende, jahrhundertealte Präsenz der Juden auf dem Staatsgebiet von Israel. Es ist eine Tatsache, dass diejenigen Mitglieder unserer Jugend besonders stark sind, die eine allgemeine Ausbildung und eine erstrangige jüdische Erziehung erhalten haben. In den Offizierskursen und in den Elitetruppen der Armee gehören 50% der Kadetten der sogenannten «national-religiösen» Bewegung an. Es sind wiederum ihre Namen, die am häufigsten auf den Listen der Verletzten und Toten erscheinen.


Sind Sie trotz allem optimistisch ?

Ja. Als ich ein Kind war und mit meinem Vater auf dem Feld arbeitete, kam es vor, dass ich innehielt, um nach Atem zu ringen und mich über meine Müdigkeit zu beklagen. Mein Vater sagte dann jeweils: «Dreh dich um und schau, was du alles schon geschafft hast.» Dasselbe gilt für Israel. Jedesmal, wenn in mir Zweifel aufsteigen oder ich mutlos werde, schaue ich zurück und sehe den Aufschwung des Landes in allen Bereichen. Dies verschafft mir immer wieder neuen Mut.
Es kommen sehr schwere Zeiten auf uns zu und wir werden sowohl im Innern als auch gegen aussen zäh kämpfen müssen. In dieser Hinsicht müssen die Juden der Diaspora wissen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung besitzen, nämlich den Staat Israel, und dass alles, was hier vorgeht, sie direkt betrifft. Wir stehen hier vor sehr harten Verpflichtungen, denen die Juden der Diaspora entgehen, was ihre Verantwortung gegenüber dem Staat keinesfalls vermindert. Vergessen wir nicht, dass es für den Fall, dass Israel schwächer wird oder noch schlimmer - G’tt bewahre uns davor -, seine Unabhängigkeit verlieren, für die Juden der Diaspora illusorisch wäre zu glauben, sie könnten auch nur eine Minute so weiterleben wie bisher !

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