News Neueste Ausgabe Befragung: Resultate Suchen Archiv Français English Русский עברית Español


Inhaltsangabe Kunst und Kultur Herbst 1995 - Tischri 5756

Editorial - September 1995
    • Editorial

Rosch Haschanah 5756
    • Nächstes Jahr in... ?

Politik
    • Der letzte Vorhang
    • Handlung - Vorbildlichkeit - Ausdauer

Interview
    • Illusionen - Tatsachen - Gefahren
    • Glaube und Gesetz

Analyse
    • Die zweite Teilung Palästinas
    • Friedensgespräche als Vorbereitung für den Krieg

Judäa - Samaria - Gaza
    • Vorbeugen - Schützen - Retten
    • Halt in Bat Ayin

Kunst und Kultur
    • Indien in Jerusalem
    • Jerusalem 3000
    • Bela Czobel (1883 - 1976)

Wirtschaft
    • Israel als Steuerparadies ?

Ethik und Judentum
    • Verantwortung für die Erziehung

Artikel per E-mail senden...
Bela Czobel (1883 - 1976)

Von Oscar Ghez, Gründer und Präsident des Museums
Heute möchte ich Ihnen vom grossen ungarischen Maler BELA CZOBEL erzählen. Seine von Kunstliebhabern sehr begehrten Werke wurden von der Galerie Zak nahe der Ecke Rue Bonaparte in Paris ausgestellt und verkauft. Ich kannte diesen Künstler der Ecole de Paris sehr gut, da er in den schlimmen Zeiten des Kommunismus regelmässig nach Frankreich kam. Er war ein älterer Mann, der seine Gemälde, wenn er verreiste, zusammenrollte und sie unter den Arm klemmte. Auf diese Weise transportierte er sie aus Ungarn heraus: die Zöllner kannten ihn, empfanden hohen Respekt für ihn und liessen ihn unbehelligt mit seinem Paket über die Grenze ziehen...
Bela Czobel war ein liebenswürdiger Mensch von grosser Bescheidenheit, was mich ganz besonders beeindruckte. In Ungarn wurde eine Briefmarke mit dem Porträt einer jungen Frau herausgegeben, das die Konservatorin des Budapester Museums darstellte; ich habe sie ebenfalls gut gekannt und sie führte mich durch das Czobel-Museum in Szentendre.
Bela Czobel, der "französischste aller ungarischen Maler", wie ihn George Besson beschrieb, lebte während der meisten Zeit seines Lebens ausserhalb seines Heimatlandes, hauptsächlich in Paris, obwohl er mit Ungarn sehr verbunden blieb.
Er war Jude, ein äusserst bescheidener, einfacher Mann, dem die Freude am Malen einziger Lebenszweck war. Trotz eines sehr erfolgreichen Beginns seiner Laufbahn bewirkten die verschiedenen Kriegsereignisse und andere Umstände, die ihn von Paris fernhielten, dass er lange Zeit in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt war. Während zahlreichen Jahren war er das, was man als "geächteten Maler" bezeichnet. Erst in den 50er Jahren erlangte Czobel allmählich die Bekanntheit und den Ruhm, die ihm als originellem, unabhängigem Künstler zustanden, der dem Erfolg nie nachrannte und den Schmeicheleien seiner Bewunderer zu Beginn des Jahrhunderts nicht verfiel. Zu diesem Charakterzug schrieb Waldemar George als bescheidene Unterstützung seiner Anerkennung als Künstler: "seine Stadtansichten in schweren und dichten Farben sind ebenso intensiv, ebenso dynamisch und ebenso explosiv wie die Werke Soutines".
Doch Czobel war auf oberflächliche Lobhymnen und Komplimente nicht angewiesen. Seine Kunst spricht für sich selbst und hält jedem Vergleich mühelos stand. Die ersten künstlerischen Versuche Czobels entstanden in Ungarn; zwischen 1902 und 1906 studierte er während des Sommers an der Schule für Malerei von Nagybana, das heute zu Rumänien gehört. Diese Schule zeichnete sich insbesondere durch die ungewöhnliche und typisch ungarische Verbindung zwischen einer poetischen Vision der Natur und einer bewussten Einschätzung der menschlichen Eigenschaften aus. Dies hat die philosophische Grundlage und das künstlerische Vorgehen Czobels in bezug auf die Malerei nachhaltig beeinflusst.
Von 1902 bis 1903 studierte er auch an der Akademie in München, bevor er in Paris eintraf und von 1903 bis 1904 in der Akademie Julian arbeitete. Den Sommer verbrachte er in Ungarn, den Rest des Jahres in Paris oder in einer anderen Hauptstadt; an diesem Lebensstil und dieser seit seiner Jugend bestehenden Gewohnheit hielt er ein Leben lang fest. Er integrierte sich mit aussergewöhnlicher Entschlossenheit und Raschheit in der Pariser Kunstszene. Er war schon kurze Zeit nach seiner Ankunft mit Picasso, Matisse und vor allem Braque eng befreundet. Ab 1905 nahm er an der berühmten Ausstellung des Salon d'Automne teil, an welcher der Kunstkritiker Louis Vauxcelles die damals noch unbekannten jungen Maler, die später Weltruhm erlangten, in einem Ausruf des Erstaunens aufgrund der aggressiven Farben der ausgestellten Werke als 'Fauvisten' (wilde Tiere) bezeichnete.
An diesem Salon stellte Czobel zusammen mit Valtat, Matisse, Derain, Marquet, Vlaminck, Friesz und Jean Puy aus. Seine erste persönliche Ausstellung wurde 1907 in der Galerie Berthe Weill gezeigt. Die Pariser Kunstwelt jener Zeit sah in ihm einen begabten Maler von grosser Originalität und mit einer vielversprechenden Zukunft. Als eifriger Bewunderer van Goghs verstand er es, sich von den anderen Fauvisten durch einen persönlichen, grafischen Stil abzuheben, indem er, ein wenig in der Art der Cloisonnisten, die Umrisse der auf seinen Gemälden dargestellten Gegenstände betonte. Auch das Genie von Cézanne beeindruckte den jungen Künstler zu Beginn des Jahrhunderts, und dieser Einfluss prägte den Menschen und sein Werk ein Leben lang. Nach seiner ersten, äusserst erfolgreichen Ausstellung in Ungarn wurde er einstimmig zum Anführer einer neuen Ungarischen Schule namens "Die Acht" ernannt und führte auf diese Weise den Fauvismus in Budapest ein. Leider sind die Werke dieser Epoche in den Wirren des Ersten Weltkriegs verloren gegangen. Czobel, der sich zu Beginn der Kämpfe in Ungarn aufhielt, wurde an der Rückkehr in sein Pariser Atelier gehindert und verbrachte alle Kriegsjahre bis 1919 in Holland. Hier entstanden eine Reihe herrlicher Porträts, darunter auch dasjenige des holländischen Dichters Roland Host und dasjenige von Pastor Bergen. Seine Farbpalette erreicht eine gewisse Reife und seine harmonischen Braun- und Ockertöne erinnern oft an Gromaire. Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands liess sich Czobel bis 1925 in Berlin nieder, dem internationalen Kunstzentrum. Er stellte mit grossem Erfolg in der Galerie "Der Sturm" aus und nahm an zahlreichen anderen Aktivitäten der Berliner Avantgarde teil. Nach allen bisherigen künstlerischen Erfahrungen entdeckte Czobel nun den deutschen Expressionismus.
1925 kehrt er nach Paris zurück, bezieht ein neues Atelier in Montparnasse, wo er bis 1939 bleibt. Es folgten harte Jahre des beständigen Zweifels und der immer wiederkehrenden Entmutigung. Die meisten seiner Freunde und Kollegen, die er vor 1914 gekannt hatte, zogen sich zurück und begnügten sich mit dem Ruhm vergangener Tage. Czobel hingegen bemühte sich nicht ohne Erfolg um die Ausarbeitung eines völlig neuen Stils. Er war auf der Suche nach dem authentischen Element im künstlerischen Schaffen und sträubte sich gegen die mechanische Wiederholung des einmal Erworbenen. Sein Farbensinn wurde immer lyrischer und persönlicher. Er entwickelte den bekannten Effekt des "sfumato", des Verschwommenen. Die Kompositionselemente seiner Gemälde scheinen aus einem unklaren Dunst herauszutreten, als ob es sich nur um einen undeutlichen Traum eines dämmernden, und doch hellwachen Geistes handelte. In erster Linie ist es jedoch die Art und Weise, wie Czobel die verschiedenen Farbtöne einsetzte, die seine Begabung als Künstler ausmachen. Er liebte alle Rot-, Orange- und Gelbtöne und ergänzte sie mit nuancierten Brauntönen, wobei diese Farben trotz ihrer Üppigkeit dem Werk einen zugleich intimen und oft auch tragischen Anstrich verleihen. 1927 stellte er erstmals in Übersee aus, und zwar in der Galerie Joseph Brummer in New York, welche einige Jahre zuvor die erste grosse Ausstellung von Matisse in den Vereinigten Staaten organisiert hatte. Die meisten Ausstellungen fanden jedoch in Paris statt, unter anderem bei Katia Granoffe, ab 1952 vor allem in der Galerie Zak.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fehlte ihm der Mut, in Paris nach einem Studio zu suchen, so dass er jedesmal nach einem in Ungarn, meist in Szentendre (wo nach seinem Tod ein sehr schönes Museum eröffnet wurde) verbrachten Sommer in einem kleinen Hotel von Montparnasse wohnte.
In Ungarn wurde er trotz der wechselnden Regimes endlich als "einer der Grossen" der ungarischen Kunstwelt anerkannt. Er stellte in verschiedenen Galerien von Tokio bis Chikago aus, und seine Werke sind heute in vielen Museen der Welt zu sehen, wie z.B. im Centre Georges Pompidou in Paris, im Nationalmuseum von Ungarn, im Stedelijk Museum in Amsterdam, im Petit Palais in Genf, wo noch zu seinen Lebzeiten seine letzte Retrospektive organisiert wurde, sowie in zahlreichen bedeutenden Museen in Berlin, Tel Aviv, Detroit usw.
In der Malerei Czobels ist ganz ohne Zweifel ein Element vorhanden, das mit Paris nichts zu tun hat und das er dem kulturellen Erbe seines Heimatlandes und einem bestimmten ungarischen Temperament verdankt, einem Element der Sinnlichkeit und der Poesie, gepaart mit einer gewissen Kühnheit. Czobel kann natürlich mit dem Fauvismus in Beziehung gebracht werden, doch sein Gesamtwerk ist dasjenige eines Expressionisten, der keiner bestimmten Bewegung angehörte. Man könnte ihn als einen unabhängigen Expressionisten bezeichnen, da sein Freiheitsdurst ihn seiner eigenen individuellen Freiheit als Maler überliess. Er schloss sich keiner einzigen Doktrine an und gleicht darin Künstlern wie Utrillo, Modigliani oder Rouault. Bei Czobel herrscht ganz einfach ein sehr tiefes Gefühl für die Essenz der Dinge, für die Wirklichkeit, für das Wesentliche im Leben vor.


Contacts
Redaction: edition@shalom-magazine.com   |  Advertising: advert@shalom-magazine.com
Webmaster: webmaster@shalom-magazine.com

© S.A. 2004